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Formel-E-CEO Jeff Dodds im Interview
„Mindestens die Nummer 2 hinter der F1“

Vor einem Jahr präsentierte die Formel E den Medien-Manager Jeff Dodds als ihren neuen CEO. Im Exklusiv-Interview spricht der bekennende Motorsport-Fan mit Rennlizenz über sein erstes Amtsjahr, eine ungleiche Rivalität mit der Formel 1 und ein Angebot an traditionelle Rennsport-Liebhaber.

Formel-E-CEO Jeff Dodds
Foto: Formel E

Seit Ihrem Start haben Sie zahlreiche Änderungen hinter den Kulissen angeschoben, um die kriselnde Serie wieder auf Kurs zu bringen. Wie würden Sie Ihre Agenda beschreiben?

Dodds: Für mich steht das Wachstum im Vordergrund, ich will der Serie mehr Aufmerksamkeit bringen. Dabei sollen sowohl die Fahrer als auch die Teams ein stärkeres Profil bekommen. Der Elektro-Boom gibt uns dabei den passenden Anschub. Alles, was ich tue, soll die Formel E größer machen.

Unsere Highlights

Ihr Vorgänger warnte: Elektro-Autos sind die Zukunft, damit das auch für die Formel E gilt, muss sie intensiv für ihre Rolle im Rennsport kämpfen. Sehen Sie das genauso?

Dodds: Wir werden unausweichlich mit der Formel 1 verglichen. Jeder Journalist fragt mich früher oder später nach ihr. Ich sehe darin kein Problem, denn die Vergleiche mit so einer massiven Institution stärken am Ende unser Profil. Ob wir ihren Status so schnell herausfordern können, wie Elektro-Autos parallel die Straße erobern, bleibt eine Frage der Zukunft. Auch wenn die Formel E nicht die größte Serie des Planeten ist, hat sie dafür aktuell das schnellste Wachstum. Zuletzt konnten wir im Bereich der Automobil-Meisterschaften bei den Fan-Statistiken die NASCAR überholen. Wenn wir uns in vier Jahren wieder in Berlin treffen, möchte ich, dass wir mindestens die Nummer 2 hinter der Formel 1 sind. Im besten Fall wird der Abstand deutlich geringer.

Formel-E-CEO Jeff Dodds und Gründer Alejandro Agag
Motorsport Images

Formel-E-Schöpfer Alejandro Agag schwebt weiter über der ersten Elektro-Weltmeisterschaft. Dodds will die Serie endgültig aus der im Zuge der Pandemie begonnenen Krise führen.

Die virtuellen Fan-Zahlen übersetzen sich allerdings nicht 1:1 auf die Tribünen vor Ort. Dort sind Ihre Konkurrenten besser aufgestellt. Woran liegt das?

Dodds: Ich bin ein massiver Formel-1-Fan und weiß daher um ihre bald 75 Jahre lange Historie. Auch in meiner Familie wird die Leidenschaft für sie vererbt. Diese Treue spiegelt sich bei den Zuschauermassen der Grands Prix wider. Die Formel E befindet sich in ihrer zehnten Saison, ist also um Welten jünger. Zudem setzt sich ihre Fanbasis sehr unterschiedlich zusammen: Die Anteile von Frauen und Männer sind fast ausgeglichen und die Hälfte unserer Anhänger ist unter 40 Jahre alt. Außerdem geben die Fans an, größeren Wert auf Nachhaltigkeit zu legen. Ein Gegensatz ist ebenso unser Fokus auf Rennen in der Stadt, wo wir bei den Zuschauerzahlen natürliche Grenzen haben. Die Beobachtung, dass wir keine 100.000 Fans vor Ort begrüßen, ist schon richtig. Aber die Ansätze sind da – beispielsweise ist das Stadium in Mexiko jedes Jahr voll. Das können wir jedoch nicht als gegeben hinnehmen.

Als die Formel E gestartet ist, war die Botschaft eindeutig: Wir wollen junge, urbane Menschen als Fans. Viele traditionelle Zuschauer fühlen sich bis heute dadurch ausgeschlossen. Wollen Sie zukünftig mehr auf einen Mix aus beiden Lagern setzen?

Dodds: Wir wollen beide Welten verbinden. Dank der sehr viel niedrigeren Eintrittspreise im Vergleich zu F1-Rennen erleichtern wir Fans den Einstieg. Gleichermaßen ist uns aber auch bewusst, dass Verbrenner-Enthusiasten eine schrumpfende Menge in den nächsten Jahrzehnten darstellen werden. Der Fan der Zukunft wird offen für beide Ansätze sein. Ganz natürlich ziehen wir so generelle Motorsport-Anhänger an. Das bringt viel mehr, als zwanghaft zu versuchen, Liebhaber von lautem V10-Sound und Benzin-Geruch zu überzeugen. Spätestens mit der vierten Auto-Generation beweisen wir dann selbst diesen, dass wir technisch ernst genommen werden müssen.

Trotzdem erreichen uns immer wieder Rückmeldungen von traditionellen Fans, welche grundsätzlich interessiert wären, sich jedoch übergangen fühlen. Das kann die Formel E keinesfalls wollen.

Dodds: Ich weiß nicht, ob es jemals so gemeint war. Ich will, dass alle Motorsport-Fans uns besuchen. Wir wollen ihnen den engsten Wettbewerb und den höchsten Durchschnitt an Fahrer-Qualität liefern. Sie sollen uns eine Chance geben – egal, ob am Bildschirm oder direkt an der Strecke. Ein gutes Beispiel, dass es sich lohnen kann, war Portland im vergangenen Jahr. Dort kamen sehr viele IndyCar-Enthusiasten, die zunächst zynisch auf die Sache geblickt haben. Als sie unsere Herangehensweise, zum Beispiel bei der Infrastruktur, und die vielen Überholmanöver gesehen haben, zeigten sie sich positiv überrascht. Das Resultat: Die Ticketverkäufe für die diesjährige Ausgabe sind explodiert. Wir erwarten ein volles Haus Ende Juni.

Formel E: Gen3-Evo-Auto
Formel E

Ab der kommenden Saison setzen die elf Teams eine Evo-Variante der aktuellen dritten Auto-Generation ein. Ihr Highlight ist der temporäre Allradantrieb, der die Formel 1 bei der Beschleunigung unterbieten soll.

Die schon angesprochene Gen4, deren Autos bis zu 600 Kilowatt leisten sollen, erlaubt der Formel E in drei Saisons einen technischen Quantensprung. Nissan und Jaguar haben schon zugesagt, andere Hersteller stehen kurz vor der Bekanntgabe. Wird sie die Formel E endgültig aus der Corona-Delle holen oder sehen Sie aktuell schon Anzeichen für einen Aufschwung?

Dodds: Die Pandemie hat uns hart getroffen. Für eine junge Serie mit kleinerer Fanbasis war das kaum zu verkraften. Es fühlte sich fast so an, als mussten wir nochmal von vorne anfangen. Erst im letzten Jahr gab es wieder ein Wachstum. 2024 sehen wir einen schnellen Anstieg: Bei den Fans und der Medien-Reichweite verzeichnen wir Wachstumsraten von 20 bis 30 Prozent. Mein Job ist, dass dieser Trend anhält. Die Gen3-Evo in den nächsten zwei Saisons liefert den passenden Übergang. Durch das Nutzbarmachen des vorderen Motors hat die Formel E eine schnellere Beschleunigung als die Formel 1.

Parallel zu den gestiegenen technischen Ambitionen kommen jedoch ebenfalls größere technische Probleme. So mussten die Schnelllade-Boxenstopps zuletzt mehrmals verschoben werden.

Dodds: Wir werden uns niemals dafür entschuldigen, dass wir bei technischen Innovationen auch Rückschläge erleiden. Das Konzept ist anspruchsvoll: Zehn Prozent des Akkus sollen in nur 30 Sekunden aufgefüllt werden. Grundsätzlich hat die Formel E aber bereits bewiesen, dass es funktioniert. Noch fehlt das Vertrauen bezüglich eines Renneinsatzes aus zwei Gründen. Erstens, die Technik muss final festgezurrt werden. Da geht es um Details. Zweitens, Simulationen sollen die richtige sportliche Umsetzung prüfen. Unsere Botschaft ist hierbei klar. Wir werden den aktuell engen Sport nicht riskieren, nur um das Schnellladen endlich einzuführen. Vielleicht passen die Umstände zum Beginn der nächsten Saison. Eine Garantie geben wir nicht ab.

Formel E - Saison 2024 - ERT - Dan Ticktum - Laden
Motorsport Images

Schnelllade-Boxenstopps sollten schon in diesem Jahr eingeführt werden. Noch gibt es beim potenziellen Attack-Mode-Ersatz technische Probleme.

Spätestens mit der Gen4 fällt es wahrscheinlich schwer, noch von einer Newcomer-Serie zu sprechen, die alle anderen aufmischen will?

Dodds: Der Ansatz war gut, um Menschen auf uns aufmerksam zu machen. Selbst wenn wir die Formel 1 ein- oder sogar überholen sollten, will ich, dass wir die Mentalität behalten. Es geht darum, sich immer weiterzuentwickeln und sich selbst besser zu präsentieren. Man fordert sich also selbst heraus.

Sie haben gewettet, dass Sie 250.000 Dollar spenden, wenn jemand Max Verstappen im WM-Kampf schlägt. Haben Sie seit dem Sieg von Lando Norris schlaflose Nächte?

Dodds: Das bleibt die sicherste Wette aller Zeiten (grinst)! Und damit wir uns richtig verstehen: Wenn die Formel 1 wieder engeres Racing hat und dauerhaft wirtschaftlich gesund aufgestellt ist, gewinnt der gesamte Motorsport.

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Erscheinungsdatum 20.06.2024

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