Max Verstappens Nordschleifen-Test: Zoff um Rekord im Ferrari

Verstappens Nürburgring-Test im Ferrari
Marko: „Nur 2 Runden zum Nordschleifen-Rekord“

24h-Rennen 2025
Zuletzt aktualisiert am 17.05.2025

Max Verstappen tauchte am vergangenen Freitag (9.5.) völlig überraschend unter dem Pseudonym Franz Hermann im Fahrerlager der Nürburgring Langstrecken-Serie auf. Den Namen hat er sich selbst ausgedacht, weil er typisch deutsch klingt. Gemeinsam mit dem Team Emil Frey, eine bekannte und erfolgreiche GT3-Mannschaft, richtete er es sich in der Box ein, die man sich in dieser Serie traditionell teilt, und testete mit seinem privaten Ferrari 296 GT3.

Er hinterließ einen bleibenden Eindruck. Denn wie der viermalige Weltmeister am Donnerstag (15. Mai) in Imola bestätigte, war er schneller als der bestehende Rundenrekord (7.49,578 Minuten) unterwegs. Wir beleuchten noch einmal im Detail die Hintergründe und geben Antworten auf die offenen Fragen.

Düpiert Verstappen die Stammfahrer?

Tatsächlich outeten sich fast alle im Fahrerlager der Nürburgring Langstrecken-Serie als echte Fan-Boys von Max Verstappen. Der Holländer machte auch einige Selfies mit Fahrern und ein Erinnerungsfoto mit der NLS-Organisation.

Selbst gestandene Profis wie etwa DTM-Pilot Luca Engstler, der ihn gemeinsam mit seinem NLS-Teamkollegen Mirko Bortolotti im LKW besuchte. Jeder war beeindruckt, wie Verstappen sich so schnell auf der Nordschleife zurechtfinden konnte. Allerdings zeigt der Holländer damit auch, wie sich Sim-Racing bezahlt macht. Er sagte, er habe mehr als 1000 Runden virtuell abgespult – unter anderem auch in der Digitalen Nürburgring Langstrecken-Serie (DNLS).

Es gab aber auch Profis, die die Rundenzeit anzweifelten. Auf X äußerte DTM-Pilot und Nordschleifen-Profi Maro Engel, Verstappen sei ja nicht mit der entsprechenden Nordschleifen-Balance of Performance gefahren, sondern mit der technischen Spezifikation des DTM-Autos. Zum Hintergrund: Auf der Nordschleife sind andere Fahrhöhen, Flügel-Einstellungen, Ladedruckbegrenzung etc. gefragt. Verstappen ließ es sich nicht nehmen und antwortete Engel selbst: Verbreite keine falschen Informationen, wenn du nicht weißt, wie das Auto abgestimmt war und wie unsere Motor-Einstellung war. Wieso sollte ich an einem NLS Track Day mit der falschen BOP teilnehmen?" Engel ruderte daraufhin zurück und stellte klar, dass wohl das Fahrerlager-Gerücht falsch war und Verstappen als Fahrer tatsächlich besser Bescheid wisse.

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Wie gut waren Verstappens Zeiten im Vergleich zur Konkurrenz?

Mit dem Emil Frey Team, das unter anderem in der DTM und der GT World Challenge am Start ist, war Verstappen bestens auf sein Nordschleifen-Abenteuer vorbereitet. Zwar verfügt das Team nicht über viel Nordschleifen-Erfahrung, aber arbeitet im GT3-Bereich auf hohem Level und sind an ihrem Stammsitz in Safenwil in der Schweiz auf höchstem technischen Niveau ausgestattet. Für die Mannschaft arbeiten auch einige ehemalige Sauber-Techniker.

Insofern war es keine Überraschung, dass Verstappen in seiner Medienrunde am Donnerstag (15.5.) auf Nachfrage von auto motor und sport bestätigte, dass man entsprechend der gültigen Balance of Performance für das Rennwochenende der NLS zu dem Test antrat. Heißt: Sein Ferrari 296 GT3 entsprach hinsichtlich Ladedruck, Gewicht, Fahrzeughöhe und Aero-Einstellungen genau dem Stand, den die Teams mit einem Ferrari 296 GT3 auch am Samstag im Rennen gefahren sind. Zudem kann man sich denken, dass Ferrari selbst seinen Kundenteams auch gewisse Setup-Daten für Strecken wie die Nordschleife an die Hand gibt. Daten gibt es genug, denn der 296 GT3 von Frikadelli Racing, der von Rinaldi Racing eingesetzt wurde, gewann das 24h-Rennen im Jahr 2023.

All diese technischen Finessen sind die Grundvoraussetzung für die Vergleichbarkeit der Zeiten. Die war also gegeben. Welche Zeiten die Konkurrenz exakt an diesem Freitag bei genau gleichen Bedingungen fuhr, lässt sich allerdings nicht eruieren, denn es gibt bei den Testfahrten keine offizielle Zeitnahme. Allerdings ist es enorm beeindruckend, wenn man bedenkt, wie schnell Verstappen wohl bei der Musik war. "Es hat nur zwei, drei Runden gedauert, da hatte er schon die Rekordzeit gefahren", erzählt Red Bull-Sportdirektor Helmut Marko. "Er wusste sie natürlich genau."

Als Rekordzeit gilt die vom Norweger Christian Krognes beim neunten Lauf 2022 gefahrene 7.49,578 Minuten im BMW M4 GT3. Zum Vergleich: Im Rennen am Samstag lag die schnellste Rennrunde bei 7.52,588 Minuten. Das ist jedoch vor dem 24h-Rennen immer mit Vorsicht zu genießen, schließlich spielen viele GT3-Teams noch nicht mit offenen Karten, um sich eine bessere Einstufung in der Balance of Performance zu sichern. Betrachtet man die Rekordzeit aus diesem Blickwinkel, ist sie für den Technikausschuss, der die Balance of Performance erstellt, sicher eine interessante Information. Denn sonst kämpft man eher damit, dass keiner Vollgas gibt und das wahre Potenzial der Autos verschleiert wird.

Was ist die Nürburgring Langstrecken-Serie und weshalb testete Verstappen da?

Die Nürburgring Langstrecken-Serie (NLS) ist eine populäre Breitensportserie, die all ihre Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife austrägt. Die Streckenvariante besteht aus der Nordschleife und der Kurzanbindung des Grand-Prix-Kurs und ist insgesamt 24,358 Kilometer lang. Den besonderen Reiz der Serie macht unter anderem die Klassen-Vielfalt aus. Hier treffen GT3-Autos wie der Ferrari 296 GT3, der Porsche 911 GT3 R oder der Ford Mustang GT3 auf kleine Renner wie den Dacia Logan oder einen seriennahen BMW 330i.

NLS 4 - Nürburgring-Nordschleife - 3. August 2024
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Da es Verstappens Plan für die Zukunft ist, beim 24h-Rennen Nürburgring anzutreten, ist die Teilnahme in der NLS einerseits sinnvoll und andererseits Pflicht. Ein Großteil der Teilnehmer beim 24h-Rennen Nürburgring besteht aus dem Feld der NLS – die Bedingungen sind also ähnlich. Zudem kann er in der NLS den so genannten Nordschleifen-Führerschein erwerben, indem er zwei Rennen mit mindestens 14 Runden ohne Sportstrafe absolviert.

Das 24h-Rennen ist sozusagen das Highlight und es wird mit derselben Klasseneinteilung wie die NLS gefahren. Die Top-Kategorie ist jeweils die GT3-Klasse (SP9), deren Bestimmungen auch sein Ferrari entsprach. Verstappen war bei seiner Nordschleifen-Premiere allerdings nicht beim Rennen am Start, das am Samstag (10.5.) stattfand, sondern nur bei den Testfahrten am Freitag – die traditionell vor jedem Lauf freitags auf dem Plan stehen – weil er eben noch keinen Nordschleifen-Führerschein hat.

Was fasziniert einen Formel-1-Piloten an der Nordschleife?

Red Bull-Sportdirektor Dr. Helmut Marko fuhr selbst 1967 zum ersten Mal auf der Nordschleife. Damals aber noch unter völlig anderen Bedingungen. "Es gab keine Leitplanken und echte Sprunghügel", erinnert er sich. Insgesamt bestritt Marko ein Formel-1-Training in einem privaten McLaren des Schweden Joakim Bonnier, die Tourenwagen-EM mit einem Ford Capri, Prototypen-Rennen mit dem Alfa 33TT3 und einem Porsche 908 in der "Grünen Hölle", zudem war er beim Marathon de la Route mit einem Porsche 914 am Start.

Max Verstappen - NLS-Test - Nordschleife - Ferrari 296 GT3 - 2025
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Der 82-Jährige kennt die Faszination Nordschleife also bestens aus eigener Erfahrung. Was macht den Reiz aus? "Die Nordschleife ist einfach derartig brachial. Allein schon durch die Streckenlänge." Kann er sich erklären, was seinen Fahrer Max Verstappen nach seinen Starts in Sim-Racing-Serien wie der DNLS nun auch im realen Leben an die Nordschleife zieht, obwohl er mit der Formel 1 genug Action mit 24 Rennen haben sollte? "Er ist die Ausnahme, weil er ein Vollblut-Racer ist", sagt der Grazer.

Hatte man bei Red Bull ein Problem mit dem Nordschleifen-Abenteuer?

Im Jahr 2023 veranstaltete Red Bull ein großes Motorsport-Event mit der "Red Bull Formula Nürburgring". Unter anderem fuhr Sebastian Vettel mit dem Red Bull RB7 über die Nordschleife. Einer fehlte: Max Verstappen. Dabei wäre er gerne dabei gewesen. Doch das erlaubte ihm sein Team damals nicht. Hintergrund: Man hatte Bedenken, Verstappen wolle mit dem Formel-1-Auto einen neuen Rekord aufstellen.

Zum GT3-Test auf der Nordschleife wusste Marko schon vorher Bescheid. Und man hatte auch kein Problem damit, dass der viermalige Weltmeister bei diesem Anlass in einem Ferrari sitzt. "Es gibt ja kein GT3-Auto von Red Bull", sagt Marko. Zudem fährt Verstappen immer wieder mal verschiedene GT3-Autos wie den Audi R8 LMS, den Porsche 911 GT3 R oder den Ford Mustang GT3. Aber hatte man bei dem Risiko, das Verstappen mit dem Test einging, keine Bauchschmerzen? "Generell sind wir bei Red Bull großzügig und liberal", sagte Marko.