Pirelli liefert seit der Saison 2011 die Reifen für die Königsklasse. In den ersten Jahren als Alleinausrüster hagelte es noch regelmäßig Kritik von den Fahrern und den Ingenieuren, dass die Gummis aus Italien nicht lange genug halten. Aktuell ist eher das Gegenteil der Fall. Die Reifen sind mittlerweile so widerstandsfähig, dass die Zahl der Boxenstopps immer weiter sinkt.
Beim letzten Rennen vor der Sommerpause in Budapest ist Lando Norris mit nur einem Besuch bei seinen McLaren-Mechanikern über die Runden gekommen. Das galt auf dem Hungaroring früher praktisch als undenkbar. Weil eine Hälfte des Feldes auf den Einstopper setzte und die andere Hälfte zwei Mal an die Boxen abbog, wurde der Ungarn-GP zumindest taktisch eine interessante Angelegenheit.
Ein ähnliches Szenario würde sich Pirelli auch für den Niederlande-Grand-Prix wünschen, mit dem sich die Formel 1 am kommenden Wochenende (31.8.) aus der Sommerpause zurückmeldet. Wie in Budapest gilt das Überholen auch in Zandvoort als schwierig. Der kurvige Dünenkurs bietet nur wenige Stellen für Attacken. Am größten sind die Chancen mit Hilfe des DRS am Ende der Zielgeraden.

In der letzten Saison brachte Pirelli die drei härtesten Mischungen nach Zandvoort. Im Rennen setzten die meisten Piloten auf den C4 und den C5.
Pirelli bringt weichere Reifen
Bei den ersten beiden Zandvoort-Rennen nach dem Comeback in den Jahren 2021 und 2022 zählten Statistiker gerade einmal 23 bzw. 24 Überholmanöver. Dank Regen und Chaos auf der Piste konnte sich 2023 dann keiner mehr über mangelnde Action beschweren. Mit 186 Platzwechseln stellte das Rennen sogar einen neuen Formel-1-Rekord auf.
In der vergangenen Saison gingen die Zahlen dann wieder auf normale Werte zurück. Dass am Ende immerhin 43 Überholmanöver zustande kamen, lag aber vor allem an Lewis Hamilton, der wegen einer Quali-Strafe nur von Startplatz 14 losfuhr und alleine acht erfolgreiche Angriffe starten konnte – allerdings meist gegen deutlich langsamere Autos.
Eines änderte sich aber auch im Vorjahr nicht: Auf trockener Strecke wählen die Ingenieure stets eine Einstopp-Strategie – in den meisten Fällen mit dem Start auf Mediums und einem längeren zweiten Stint auf den harten Reifen. Allerdings kamen vor zwölf Monaten auch noch die härteren Mischungen C1, C2 und C3 zum Einsatz. Dieses Jahr geht Pirelli mit C2, C3 und C4 eine Stufe weicher.
Höheres Tempolimit in der Boxengasse
Das alleine dürfte aber nicht reichen, um die Teams zu einer Zweistopp-Strategie zu verleiten. Deshalb wurde in Abstimmung mit der FIA noch eine zweite Regeländerung eingeführt. Obwohl die 236 Meter lange Boxengasse von Zandvoort relativ eng ist, wurde das Tempolimit von 60 auf 80 km/h erhöht. Damit soll sich der Zeitverlust eines zusätzlichen Reifenwechsels um zwei Sekunden reduzieren.
Trotz der beiden genannten Maßnahmen zeigt sich Pirelli selbst skeptisch, ob die Teams wirklich dazu verleitet werden können, ihre Fahrer zwei Mal an die Box zu rufen. Selbst wenn der Zweistopper auf dem Papier ein paar Sekunden schneller wäre, würde die Taktik wohl nur für die Hinterbänkler Sinn ergeben.
Grund dafür ist die bereits erwähnte Überhol-Problematik. Wer früh zum ersten Stopp an die Box geht, muss dann an anderen Piloten auf der Strecke vorbeikommen. Schon in Ungarn hatte man gesehen, dass die Zweistopper-Fraktion, darunter zum Beispiel Max Verstappen, viel Zeit im Verkehr verloren hatte. Der Einstopper ist und bleibt also die risikoärmere und damit präferierte Variante.