Formel 1: Deshalb ist der Windkanal so wichtig

Entwicklung in der Formel 1 für die Saison 2026
Deshalb ist der Windkanal so wichtig

Zuletzt aktualisiert am 30.04.2025

Eigentlich sollten Windkanäle schon längst aus der Formel 1 verschwunden sein. Auf dem angestrebten Weg zur CO₂-Neutralität hinterlassen die riesigen Anlagen einen tiefen Fußabdruck in der Energiebilanz. Noch vor wenigen Jahren wurde im Fahrerlager über ein komplettes Verbot des traditionellen Entwicklungstools diskutiert. Der Vorschlag fand einige prominente Unterstützer, zu denen auch Aerodynamik-Guru Adrian Newey gehörte. CFD-Simulationen am Computer sollten die Testläufe mit echten Modellen ersetzen.

Doch nach der Übernahme des alten Force-India-Rennstalls meldete Aston Martin plötzlich Interesse an, am Standort Silverstone groß zu investieren. Mit einem modernen Windkanal wollte sich Neubesitzer Lawrence Stroll einen Wettbewerbsvorteil erkaufen. Die Lobbyarbeit bei der FIA hatte Erfolg. Von einem möglichen Verbot ist seitdem keine Rede mehr.

Im September 2021 fand der Spatenstich für die neue Fabrik in Silverstone statt. Der neue Windkanal ist nach einigen Verzögerungen beim Bau nun seit Mitte März am Netz. "Wir benutzen ihn sowohl für das 2025er-Auto als auch zur Entwicklung für 2026. Schon bald sollte man die ersten Teile aus der neuen Anlage auf der Strecke sehen", verrät Teamchef Andy Cowell.

Umzug mit Hindernissen

Zuvor hatte sich der Rennstall viele Jahre im Mercedes-Windkanal in Brackley eingemietet. Die halbstündige Autofahrt können sich die Ingenieure jetzt sparen. Der Wechsel verlief laut Cowell aber nicht ganz reibungslos: "Ich vergleiche das gerne mit zwei Uhren, die unterschiedliche Zeiten anzeigen. Wie weiß man, welcher Windkanal die richtigen Werte liefert? Wenn man dieselben Teile in beiden Anlagen testet, kommen leider nie exakt die gleichen Ergebnisse heraus."

In Zukunft muss man sich ganz auf die eigenen Werkzeuge verlassen können. Der Teamchef ist vom Nutzen der Investition überzeugt: "Bei bestimmten Charakteristiken des Autos wurden uns jetzt schon die Augen geöffnet. Wir erhalten nun einen klareren Blick. Noch befinden wir uns aber im Lernprozess."

Die beiden Red-Bull-Teams warten dagegen noch sehnsüchtig auf die Fertigstellung ihres neuen Windkanals. Eigentlich sollte die Anlage längst stehen. Doch schon bei der Planung hatte es Verzögerungen gegeben. Newey wartete bis zum letzten Moment, ob die eingangs erwähnte Verbotskampagne nicht doch erfolgreich ist. Die Finanzierung des Neubaus innerhalb des Konzerns kostete ebenfalls Zeit. 2023 wurde dann auch noch der Bauplatz nahe der Fabrik in Milton Keynes geändert.

Zuletzt schritt die Fertigstellung allerdings zügig voran. Man sei dem ursprünglichen Zeitplan drei Monate voraus, berichtete Teamchef Christian Horner stolz. Die Verantwortlichen hoffen, noch im Laufe der Saison 2026 umziehen zu können. Die Ergebnisse am Auto wird man aber nicht vor der Saison 2027 sehen.

Christian Horner - GP Saudi-Arabien 2024
Red Bull

Relikt aus dem kalten Krieg

Bis es so weit ist, muss das Team von Max Verstappen noch mit der alten Anlage in Bedford auskommen. Der Gebäudekomplex am ehemaligen Militärflugplatz von Thurleigh wurde schon 1947 errichtet, zunächst für Aerodynamiktests mit Flugzeugen. Für die speziellen Anforderungen im Motorsportbereich gab es über die Jahre immer wieder Umbauten und Upgrades der Technik.

Jaguar hatte die Anlage ursprünglich von Arrows gekauft. Mit Übernahme des Teams ging der Windkanal dann 2004 in den Besitz von Red Bull über. Horner spricht gerne abfällig von einem "Relikt aus dem kalten Krieg". Während sich die Technik innen auf dem neuesten Stand befindet, konnten die äußeren Betonwände leider nicht so einfach modernisiert werden. Das hat die Ingenieure schon einige Male auf dem falschen Fuß erwischt.

Das Problem liegt in der schlechten Isolierung gegen äußere Temperatureinflüsse. Das macht sich vor allem dann bemerkbar, wenn es am Ende eines Reglementzyklus nur noch um Kleinigkeiten geht und verlässliche Ergebnisse gefragt sind. Hier weist der Red-Bull-Windkanal eine zu große Toleranz auf.

"Wir sind sehr abhängig vom Wetter. Je nachdem, ob es draußen heiß oder kalt ist, gibt es große Ausschläge", schimpft Technikchef Pierre Waché. Bei der Entwicklung von ganz neuen Konzepten sei der Nachteil nicht ganz so groß. "Doch wenn die Entwicklungskurve irgendwann abflacht, haben wir Probleme mit der Präzision und der Reproduzierbarkeit der Daten."

Laut Horner ist die Anlage in der aktuellen Form nicht mehr konkurrenzfähig: "Sie war gut genug, um über die Jahre ein paar fantastische Autos zu produzieren. Aber bei Temperaturen unter fünf Grad können wir keine Versuche mehr durchführen. Und wenn es über 25 Grad warm wird, dann sind die Ergebnisse instabil. Upgrade-Teile bringen heute kaum noch mehr als drei Punkte an Abtrieb. Die Hälfte davon bleibt leider in der Messungenauigkeit unseres Windkanals verborgen."

McLaren - F1-Windkanal - 2023
McLaren

McLarens Windkanal hilft beim Höhenflug

Bei McLaren kann man die Früchte der eigenen Investitionen bereits ernten. Der aktuelle Höhenflug ist sicher auch ein Ergebnis des im Herbst 2023 abgeschlossenen Windkanalumbaus in Woking. Zuvor mussten die Techniker 13 Jahre lang nach Köln fliegen, um Aero-Testläufe im Toyota-Entwicklungszentrum durchzuführen. Noch unter Ex-Teamchef Andreas Seidl wurde die Entscheidung getroffen, die eigene Anlage zu vergrößern, um Modelle im maximal erlaubten 60-Prozent-Format unterzubringen. Dazu wurde jede Menge moderne Messtechnik verbaut.

Nach anderthalb Jahren mit dem renovierten Windkanal lässt sich sagen, dass sich die Ausgabe gelohnt hat. Die Entwicklungskurve verlief steiler als bei allen anderen Teams. Die Korrelation mit der Realität passt. Kein Team hat eine bessere Trefferquote. "Eine neue Anlage und viel Zeit im Windkanal reichen alleine aber nicht aus, um erfolgreich zu sein. Man braucht auch die richtigen Ideen, die man testet. Zum Glück haben wir von Beginn an eine Entwicklungsrichtung eingeschlagen, die viel Potenzial hatte", lobt Teamchef Andrea Stella seine Aerodynamiker.

Toyota konnte übrigens schnell einen Nachmieter für den eigenen Windkanal finden. Seit 2024 sind die Cadillac-Ingenieure regelmäßig zu Gast in Köln. Solange das elfte Formel-1-Team nicht offiziell eingeschrieben war, durften die Techniker noch komplett ohne die für alle anderen Teams geltenden Beschränkungen testen. Lange glichen die Versuche aber einem Stochern im Nebel. Die erste Version des technischen Reglements für 2026 wurde erst zur Jahresmitte 2024 veröffentlicht. In den Monaten danach gab es immer wieder Anpassungen. Bis heute sind immer noch nicht alle Details geklärt.

Teamchef Graeme Lowdon erklärt, wo das größte Problem für die Aerodynamiker liegt: "Wir sind zwar am längsten mit dem 2026er-Modell im Windkanal. Aber wir können nicht überprüfen, wie gut die Korrelation der Daten ist. Wir haben kein Auto auf der Rennstrecke, mit dem wir unsere Ergebnisse immer wieder vergleichen können." Behauptungen der Konkurrenz, dass Cadillac mit dem Frühstart einen riesigen Vorteil habe, weist der Brite von sich: "Ich biete allen anderen Teams an, ihren aktuellen Entwicklungsstand mit unseren Daten zu tauschen. Ich bin mir sicher, dass keiner auf diesen Deal eingehen würde."