Teamchef James Vowles sprach nach der Rückkehr aus Brasilien vom brutalsten Wochenende seiner Karriere. Dem können seine Mechaniker wohl nur beipflichten. Die beiden Piloten hatten in São Paulo jede Menge Schrott produziert. Im Qualifying war Alex Albon am Ende der langen Geraden so heftig abgeflogen, dass sein Auto nicht mehr rechtzeitig zum Rennen repariert werden konnte.
Teamkollege Franco Colapinto war beim Kampf um die besten Startplätze ebenfalls in die Bande gekracht. Das Auto des Argentiniers konnte gerade noch zum Anpfiff des Grand Prix einsatzbereit gemacht werden. Doch nach 30 Runden war dann schon wieder Schluss. Auf nasser Piste sorgte der Rookie für den nächsten Totalschaden.

Beide Autos kehrten in Einzelteilen aus Sao Paulo zurück.
Schrott muss aussortiert werden
Nach zahlreichen Crashs früher in dieser Saison war die Ersatzteillage bei Williams sowieso schon angespannt. Einige befürchteten deshalb, dass die Zeit nicht reichen würde, die beiden Autos in der dreiwöchigen Pause bis zum Rennen in Las Vegas wieder aufzubauen. Doch die Ingenieure und Mechaniker in der Fabrik in Grove schafften das Wunder.
Der spannende Wettlauf gegen die Zeit wurde in einem YouTube-Video begleitet, das interessante Einblicke vom Geschehen hinter den Kulissen liefert. Die Mechaniker wussten nach den dramatischen Ereignissen vom Sonntag in São Paulo sofort, was auf sie zukommt. "So etwas habe ich noch nie gesehen. Und ich bin schon 15 Jahre in der Formel 1", erklärte Chefmechaniker Ben Howard fassungslos.
Die Überreste der Autos kehrten nach einem verspäteten Rücktransport erst in der Nacht von Donnerstag (7.11.) auf Freitag zurück in die Fabrik in Grove, wo die Schrauber bereits mit den Hufen scharrten. Als die Fracht mit Gabelstaplern endlich abgeladen wurde, stürzte sich die komplette Mannschaft sofort auf das, was von den beiden Autos übrig geblieben war.

Die Mechaniker mussten beschädigte Teile von den wiederverwendbaren Elementen trennen.
Eine Woche, zwei Totalschäden
In einem ersten Schritt musste der Schaden zuerst einmal genau analysiert werden. Alle Teile, die nicht mehr zu gebrauchen waren, wurden aussortiert. Was noch einmal wieder verwendet werden konnte, musste aus dem Chaos gefischt und im Zweifel noch einmal überarbeitet werden. Nach genauerer Inspektion konnte immerhin bei den Monocoque-Zellen Entwarnung gegeben werden.
Drumherum, von den Kühlern über die Auspuffrohre bis zu den vielen Carbon-Teilen, wanderte das meiste dagegen direkt in die Tonne. Dort, wo es keinen Ersatz gab, musste die Produktion eilig nachliefern. In der Carbon-Abteilung wurden neue Flügel gebacken. Im Maschinenpark standen die CNC-Fräsen nicht still, um Metall-Komponenten nachzuliefern.
Auch wenn die Pause zwischen den beiden Rennen insgesamt einen Zeitraum von drei Wochen umfasst, blieb den Williams-Mechanikern effektiv nur eine Woche für die Reparatur beider Autos. Am Freitag, den 15. November, musste die Fracht schon wieder die Fabrik verlassen, um rechtzeitig über den Teich nach Las Vegas transportiert zu werden.

Einen Tag vor der Abreise nach Las Vegas konnten die Mechaniker wieder mit den Zusammenbau beginnen.
Autos in letzter Minute fertig
Um das Wunder wahrzumachen, wurde Tag und Nacht – und natürlich auch das ganze Wochenende – durchgearbeitet. Am Mittwochabend waren die Chassis-Röhren schließlich komplett überarbeitet und frisch lackiert, so dass mit dem Wiederaufbau der Autos begonnen werden konnte.
"Das war wirklich verrückt", blickte Howard auf den Reparaturmarathon zurück. "Als wir die vielen beschädigten Teile gesehen haben, kam schon ein etwas mulmiges Gefühl auf. Es war nicht sehr realistisch, dass wir alles fertigkriegen. Dann hat hier aber jeder praktisch durchgearbeitet. Alle haben Vollgas gegeben und sind an ihre Grenzen gegangen. Wir haben jede Menge Ersatzteile produziert. Ich denke, dass wir jetzt sogar besser für Las Vegas gerüstet sind als für das letzte Rennen."