"Willst du Williams oben sehen, musst du die Tabelle drehen" – diese aus dem Fußball abgeleitete Redewendung trifft momentan auf das Traditionsteam aus Grove zu. Die Engländer liegen nach dem Grand Prix von Brasilien nur auf Platz neun in der Konstrukteurs-Wertung. Alpine überflügelte Williams in São Paulo und schubste die Truppe auf den vorletzten Rang. Nur Sauber ist noch schlechter. Da die Schweizer aber noch keinen einzigen Zähler gesammelt haben und der Abstand von Williams zu den anderen Teams davor zu groß ist, wird es beim neunten Platz am Saisonende bleiben.
Emotional noch schwerer wiegt jedoch, was die Fahrer Franco Colapinto und Alexander Albon in Brasilien ablieferten. Gleich drei schwere Unfälle produzierten der Argentinier und der Thailänder am vergangenen Wochenende. Teamchef James Vowles gab im hauseigenen Video-Format "Vowles Verdict" Einblick in sein Seelenleben: "Das Brasilien-Wochenende war das brutalste meiner ganzen Karriere. In etwas mehr als sieben Tagen hatten wir fünf große Unfälle." Der Engländer spielt dabei auf Mexiko an. Eine Woche zuvor crashte Alexander Albon in der Mega-City doppelt.

Franco Colapinto feuerte seinen Williams im Qualifying und Rennen in São Paulo in die Wand.
Crash-Weltmeister Williams
Vowles erklärte weiter: "In Brasilien hatten wir drei schwere Unfälle zwischen Qualifying und Rennen. Das würde niemand aus dem Grid aushalten. Das schmerzt." Der Abflug von Albon im verregneten Qualifying kostete den Thailänder die Teilnahme am Rennen. Williams schraubte das Crash-Konto auf 13 Stück in São Paulo hoch. Damit ist man in der Formel 1 einsamer Spitzenreiter dieser unliebsamen Wertung. Vor allem kosten die Unfälle viel Geld und bringen die Teams in Gefahr, das Budget-Cap zu sprengen.
Glück im Unglück hat Williams, weil das Rennen in der Millionen-Metropole das letzte des schlauchenden Amerika-Triple-Headers war. Die beiden FW46-Chassis können nun in Ruhe wieder aufgebaut werden. Zwischen São Paulo und dem nächsten Rennen in Las Vegas liegt eine Pause von drei Wochen. Ein anderes Timing hätte Williams vermutlich den Start mit beiden Autos beim nächsten Grand Prix gekostet. Und das wäre nicht zum ersten Mal in dieser Saison passiert. Nach dem Crash von Alex Albon im Melbourne-Training, musste sein damaliger Teamkollege Logan Sargeant sein Auto an den schnelleren Piloten abtreten.
Zu diesem Zeitpunkt der Saison hatte Williams nur zwei einsatzbereite Chassis. Das dritte war noch im Aufbau. Das lag unter anderem am Philosophie-Wandel des Teams, wie Vowles damals ausführte. Im Gegensatz zu den Vorjahren war der Rennstall bei der Entwicklung aggressiver vorgegangen und hatte viele Prozesse umgestellt, die sich erst einspielen mussten. Der ehemalige Mercedes-Mann Vowles implementierte diesen neuen Ansatz, um das einstige Top-Team wieder an die Spitze der Formel 1 zu führen.

Der Weg zurück an die Spitze der Formel 1 ist für Williams ein weiter, aktuell liegt das Team nur auf Platz neun in der Team-WM.
Vowles blickt nach vorne
Der Weg in den Olymp der Königsklasse bleibt ein weiter. "Ich bin hierhergekommen, damit wir wieder um Siege und Weltmeisterschaften kämpfen können. Du kannst nicht von heute auf morgen die ganze Organisation umbauen, das dauert." Der Ingenieur blickt kämpferisch in die Zukunft. "Das Wochenende in Brasilien war natürlich ein Rückschlag. Und es schmerzt. Aber das ändert nichts daran, wie unsere Ziele aussehen und was wir daraus lernen. Als Team können wir unsere Ziele erreichen."
Vowles lebt diese Einstellung vor und wandte sie bei seiner Truppe an, um seine Angestellten wieder aufzubauen. "So frustrierend es auch ist, werden wir irgendwann auf dieses Wochenende zurückschauen und sagen können, dass wir da durchmussten, um in der Zukunft erfolgreich zu sein."
Für das kommende Rennen in Las Vegas (24.11.) ist James Vowles zuversichtlich. "Letztes Jahr waren wir in Vegas schnell. Ich setze deshalb große Hoffnungen auf das Rennen." Die Ersatzteile-Frage für die zwei ramponierten Autos nach dem São-Paulo-Wochenende beantwortete der 45-Jährige wie folgt: "Das Team wird alles tun, um die beiden besten Spezifikation an den Start zu schicken. Da kommt es auch darauf an, wie und welche Ersatzteile wir verwenden. Es wird noch etwas dauern, bis wir das genauer wissen. Die Autos befinden sich noch auf dem Rückweg aus Brasilien." Durchatmen ist für die Mitarbeiter des Teams nach dem Triple-Header keine Option. Die Williams-Reise 2024 bleibt bis zum Schluss eine anstrengende.