Es geht Schlag auf Schlag. Nach dem Europa-Auftakt in Imola haben die Teams eilig ihre Zelte in Italien abgebaut. In Monaco steigt am kommenden Wochenende eines der Highlights im Formel-1-Kalender. Beim Klassiker wartet auf die Fahrer wie jedes Jahr eine ganz besondere Herausforderung.
Nirgendwo ist es so eng. Nirgendwo gibt es so wenige Auslaufzonen. Und nirgendwo ist das Überholen so schwierig. Im vergangenen Jahr bekamen die Fans allerdings kaum Action geboten. Eine frühe Unterbrechung erlaubte es allen Fahrern, den Pflichtreifenwechsel ohne Zeitverlust in der Rotphase zu absolvieren. So brachte auch die Strategie keine Spannung.
Das soll dieses Jahr anders werden. Die FIA hat sich mit den Teams auf eine Spezial-Regel für den Klassiker geeinigt. Alle Fahrer müssen in Monaco auf den 78 Rennrunden drei Reifensätze verwenden – das heißt, mindestens zwei Mal an die Box kommen. Weil das Überholen auf der Strecke praktisch unmöglich ist, befürchten Taktik-Experten durch die neuen Vorschriften verschiedene Szenarien.
Wer weit hinten startet, könnte die beiden Pflichtstopps direkt in der ersten und zweiten Runde absolvieren. Der Undercut gegen das ganze Feld würde freie Fahrt bedeuten – wenn die anderen es nicht auch so machen. Sollte es ein frühes Safety-Car geben, droht richtig Chaos. Dann werden wohl alle Autos direkt hintereinander zwei Mal abbiegen. In der engen Boxengasse von Monaco könnte es zu gefährlichen Situationen kommen.
Sollte es kein frühes Safety-Car geben, könnten einige Piloten das ganze Rennen lang pokern und auf eine späte Neutralisation warten. Noch weiß niemand, wie sich die neuen Boxen-Regeln auswirken. Vom Wetter können wir dieses Jahr keine zusätzliche Würze erwarten. Es soll das ganze Wochenende trocken bleiben. Die Temperaturen werden kaum einmal die 20°C-Marke knacken.

McLaren tritt in Monaco mal wieder mit einer Sonderlackierung im Retro-Style an.,
Die Strecke: Circuit de Monaco
Der GP Monaco ist ein Sonderfall im Grand-Prix-Kalender. Das Urgestein unter den Rennen ist gefährlich und eng. Überholen ist unmöglich. Track-Limits sind hier kein Thema. Wer zu weit rausfährt, landet in der Bande. Jeder Ausrutscher wird hart bestraft. Beim Thema Sicherheit muss die FIA stets beide Augen zudrücken. Auslaufzonen sind Mangelware. Bei Kollisionen kommt es regelmäßig zum spektakulären Pingpong zwischen den Leitplanken. Monaco ist die ultimative Stadtkurs-Herausforderung.
Weil es auf der schnellen Tunnel-Passage zu gefährlich ist, kommt der DRS-Klappflügel nur auf der Zielgeraden zum Einsatz. Allerdings erwies sich die künstliche Überholhilfe bisher immer als ziemlich ineffektiv. Positionswechsel im Rennen sind fast nur durch die Strategie möglich. Das Qualifying-Ergebnis verschiebt sich aber meistens nur noch in Nuancen. Auch mit der Einführung der aktuellen Groundeffect-Generation hat sich nichts an der traditionellen Überholarmut geändert.
Für die Fahrer ist es in Monaco immer besonders wichtig, schnell einen guten Rhythmus zu finden. Vertrauen in das Auto und eine gute Balance bringen mehr Rundenzeit als maximaler Abtrieb oder gute Top-Speeds. Mit etwas Mut kann der Pilot hier noch einen echten Unterschied machen. Hier gewinnt nicht immer der Favorit im schnellsten Auto. In der langen Siegerliste finden sich überdurchschnittlich viele Überraschungen.
Fast Facts
- Streckenlänge: 3,337 km
- Rundenanzahl: 78
- Renndistanz: 260,286 km
- Anzahl Kurven: 19 (8 links / 11 rechts)
- Rundenrekord (Rennen): 1:12.909 min. (Lewis Hamilton, 2021)
- Absoluter Rundenrekord: 1:10.166 min. (Lewis Hamilton, Q3 2019)
- Distanz von Pole-Position bis erste Bremszone: 159 m
- Länge der Boxengasse: 325 m
- Vollgas-Anteil: 55 Prozent
- Top Speed: 290 km/h
- DRS-Zone: T19-T1
- Reifensorten: C4, C5 & C6

Wie schon in Imola versucht Pirelli mit dem ultraweichen C6 für zusätzliche Spannung zu sorgen. Gespannt darf man sein, wie sich die neue Regel mit zwei Pflichtstopps auswirkt.
Setup
Monaco ist die Strecke mit den geringsten Durchschnittsgeschwindigkeiten, den engsten Kurven und den meisten Lenkbewegungen. Top-Speed zählt hier wenig. Wer den meisten Abtrieb und die beste Traktion besitzt, kommt am schnellsten über die 3,337 Kilometer kurze Runde. Beim Anbremsen zeigen die Autos traditionell eine Tendenz zum Untersteuern, was die Ingenieure durch viel Abtrieb an der Front auszugleichen versuchen.
Die vielen Bodenwellen auf den öffentlichen Straßen verlangen auch dem Fahrwerk alles ab. Mehr Bodenfreiheit und eine weichere Abstimmung helfen nicht nur dabei, die Schläge abzufedern, sondern sorgen auch für eine bessere Traktion aus den vielen langsamen Ecken. Das Problem: Die aktuelle Auto-Generation muss extrem tief auf dem Asphalt liegen, um Abtrieb über den Unterboden zu produzieren. Unter dem reduzierten Federweg leidet aber der mechanische Grip. Und die Gefahr steigt, dass die Renner ausgehebelt werden.
Monaco verlangt nicht nur beim Fahrwerk ein spezielles Setup. Für die enge Loews-Kurve muss sogar die Lenk-Übersetzung angepasst werden. Auch an den Motoren-Mappings legen die Ingenieure immer noch einmal Hand an: Gefragt sind eine gute Fahrbarkeit und viel Power in unteren Drehzahlen.
Pirelli bringt wie üblich die weichsten Mischungen im Sortiment. Dass der neue C6-Reifen, der in Imola seine Premiere feiert, etwas an dem üblichen Prozedere ändert, ist nicht zu erwarten. Das Vorjahr hat gezeigt, dass man auch mit dem C4 die komplette Renndistanz überstehen kann. Es wäre also theoretisch möglich, die beiden Pflichtboxenstopps direkt nach dem Start zu absolvieren.
Die Upgrades
In Monaco gibt es normalerweise nicht viel Neues an Upgrades. Der spezielle Charakter der Strecke macht die Erprobung neuer Teile zu einer Herausforderung. Statt Vergleichsdaten zu sammeln, schicken die Ingenieure die Fahrer lieber zu vielen Übungsrunden mit einem konstanten Auto auf die Strecke. Nur so lässt sich das notwendige Vertrauen und ein guter Rhythmus finden.
Für Monaco wird von den Teams stets alles ans Auto geschraubt, was Abtrieb bringt. Da muss man auch mal das Risiko gehen, dass die Upgrades und das Setup vielleicht nicht so gut harmonieren. Eine optische Neuerung hat McLaren im Gepäck. Der MCL39 bekommt für den Klassiker im Fürstentum eine Retro-Lackierung verpasst.

Ein Startrunden-Crash sorgte letztes Jahr für eine frühe Unterbrechung, die alle Fahrer zum Plichtreifenwechsel nutzten.
Die Favoriten
Monaco ist immer eine Lotterie. Die neuen Boxenstopp-Regeln in diesem Jahr werden den Glücksfaktor noch einmal erhöhen. Wer eine Strategie findet, die perfekt zu einer Safety-Car-Phase passt, kann das große Los ziehen. Überraschungen gab es in der Vergangenheit in Monaco ja schon viele.
Sollte das Rennen einigermaßen geordnet über die Bühne gehen, dann sehen wir McLaren in der Favoritenrolle. Der Papaya-Renner zeigte schon im winkligen Mittelsektor von Miami, dass ihm enge Kurven liegen. Den Vorteil im Reifenverschleiß über die Distanz können Lando Norris und Oscar Piastri aber nur dann ausspielen, wenn sie in der Startaufstellung vorne stehen.
Das Qualifying dürfte also wieder mal eine Vorentscheidung bringen. Und hier muss man bekanntlich immer mit Max Verstappen rechnen, der dieses Jahr schon drei Mal auf der Pole-Position stand. Wer nach der ersten Kurve vorne liegt, kann das Tempo diktieren und hat den Sieg schon halb in der Tasche.
Für Ferrari sind das keine guten Aussichten. Charles Leclerc und Lewis Hamilton erlebten dieses Jahr bei der Zeitenjagd mit frischen Reifen und leeren Tanks schon einige Pleiten. In Monaco lässt sich nicht so einfach eine Aufholjagd starten wie zuletzt in Imola. Bei Mercedes war es andersherum. Hier konnte George Russell im Qualifying meistens mehr glänzen als im Rennen.
Im engen Mittelfeld sind Prognosen praktisch unmöglich. Monaco ist eine Strecke, auf der es noch auf die fahrerische Qualität ankommt. Wer einen guten Rhythmus findet und im Qualifying keinen Fehler macht, kann auch mit einem unterlegenen Auto Punkte sammeln. Und dann gibt es Monaco ja immer noch den Chaos-Faktor, der die Reihenfolge im Feld ordentlich durcheinanderwirbeln kann.
Zur Einstimmung auf das Leitplanken-Spektakel zeigen wir Ihnen in der Galerie noch einmal die Bilder des GP Monaco 2024.