Vorschau GP England: Verstappen vs. Norris Teil 2?

Aller guten Dinge sind drei: Nach den Rennen in Barcelona und Spielberg folgt in Silverstone der letzte Teil des Triple-Headers in der Formel 1. Der Rennkalender sieht mit Silverstone dafür einen Klassiker der Königsklasse vor. In den vergangenen Jahren strömten Massen an Fans zum ehemaligen Flugplatz. Doch der Veranstalter hat 2024 Probleme, alle Tickets zu verkaufen. Die Preise sind für viele Zuschauer auf der Insel zu hoch.

Die Fans, die sich nicht davon abschrecken lassen, drücken vor allem ihren Landsleuten die Daumen. Einer von ihnen ist Lando Norris. Und der hat nach der Kollision mit Max Verstappen in Spielberg sicher noch einen dicken Hals. Beim Heimspiel will der McLaren-Pilot den Nuller von Österreich direkt ausradieren.

Max Verstappen kam dagegen mit einem blauen Auge davon. Der Weltmeister wurde nach dem Crash noch Fünfter und konnte die WM-Führung auf 81 Punkte ausbauen. Trotz des immer größer werdenden Drucks von McLaren und Mercedes fährt der Red-Bull-Pilot scheinbar locker seinem vierten WM-Titel entgegen.

Mercedes kommt dank des Sieges von George Russell mit Rückenwind nach Silverstone. Auch für die Silberpfeile ist das Rennen in England ein Heimspiel. Lewis Hamilton will sich bei seinem letzten Silverstone-Auftritt mit dem Mercedes-Stern auf der Brust natürlich gebührend von den vielen Mitarbeitern auf den Tribünen verabschieden.

Das britische Wetter könnte mal wieder eine entscheidende Rolle spielen. Für den Freitag sagen die Meteorologen viel Regen voraus. Samstag und Sonntag sind ebenfalls vereinzelte Niederschläge möglich.

Die Strecke: Silverstone Circuit

In Silverstone fand 1950 der erste Formel-1-Lauf überhaupt statt. Mit dem alten Layout hat die mittlerweile zehn Mal umgebaute Streckenführung auf dem ehemaligen Militär-Flugplatz aber nicht mehr viel gemeinsam. Obwohl über die Jahre immer mehr Kurven eingefügt wurden, gehört Silverstone nach wie vor zu den schnellsten Rennstrecken des Formel-1-Kalenders.

Vor allem die vielen fließenden Kurvenkombinationen machen Silverstone zu einem Highlight für Fans und Fahrer. Die Abfolge Maggotts, Becketts und Chapel verlangt von den Piloten Mut und Präzision. Hier können die aktuellen Groundeffect-Autos ihr ganzes Potenzial ausspielen. Die Sensoren registrieren hier Fliehkräfte von mehr als 5g.

Überholen ist in Silverstone traditionell nicht so einfach. Die FIA hatte es 2018 einmal mit einer zusätzlichen DRS-Zone vor Kurve 1 (Abbey) probiert. Doch das Flachstellen des Flügels führte zu einigen Unfällen und konnte nicht zur Steigerung der Überhol-Action beitragen. Deshalb ist man in den letzten Jahren wieder zurück auf nur noch zwei DRS-Zonen gegangen.

Fast Facts

• Streckenlänge: 5,891 Kilometer
• Rundenzahl: 52
• Renndistanz: 306,198 Kilometer
• Anzahl Kurven: 18 (8 links, 10 rechts)
• Rundenrekord (Rennen): 1:27.097 Minuten (Verstappen, 2020)
• Absoluter Rundenrekord: 1:24.303 Minuten (Hamilton, Q3, 2020)
• Distanz Pole-Position bis zur ersten Bremszone: 643 Meter
• Länge Boxengasse: 510 Meter
• Zeit in der Boxengasse bei Speedlimit: 23 Sekunden
• Vollgas-Anteil (Rundendistanz): 77 Prozent (Rundenzeit: 68 Prozent)
• Top-Speed: 324 km/h
• DRS-Zonen: 2 (T5-T6, T14-T15)
• Safety-Car-Wahrscheinlichkeit: 80 Prozent (4/5)
• Reifen: C1, C2 & C3

Das Setup

Weil die aktuellen Autos jede Menge Anpressdruck generieren, sind viele der schnellen Kurven mittlerweile zu Vollgaspassagen geworden. In den vergangenen Jahren bauten die Ingenieure deshalb auch nie die ganz steilen Flügel für maximalen Abtrieb auf die Autos. Zu weit runter darf man aber nicht gehen, weil sonst Zeitverlust in den langsamen Kurven droht. In den Highspeed-Passagen muss vor allem die Vorderachse auf dem Asphalt kleben. Untersteuern können die Piloten bei den schnellen Richtungswechseln überhaupt nicht gebrauchen.

Um die aerodynamische Stabilität zu verbessern, war in Silverstone immer schon ein straffes Fahrwerk gefordert. Das kommt den tief über dem Asphalt liegenden neuen F1-Rennern natürlich voll entgegen. Der Faktor Federweg für eine gute Traktion und das Überfahren von Kerbs ist in Silverstone nicht relevant. Mit dem 2019 neu verlegten Asphalt wurden auch die letzten Bodenwellen glattgebügelt. Die Bremsen sind ebenfalls kein großer Faktor. Im Gegenteil: Zwischen Luffield und Stowe stehen die Fahrer fast nur auf dem Gas. Hier müssen die Ingenieure dafür sorgen, dass die Carbon-Stopper nicht auskühlen.

Ein Thema in Silverstone sind immer wieder die Reifen. Die ultraschnellen Kurvenfolgen sorgen für ungewöhnlich hohe Belastungen bei den Gummis. 2020 hatten gleich mehreren Piloten nach langen Stints Reifenschäden zu beklagen. Pirelli geht deshalb in Silverstone immer besonders vorsichtig zu Werke. Es kommen nicht nur die härtesten Mischungen aus dem Sortiment zum Einsatz, es werden auch extrem hohe Reifendrücke (26,5 PSI vorne / 23,5 hinten) vorgeschrieben.

Die Upgrades

Red Bull bringt bereits das dritte große Upgrade-Paket in dieser Saison nach Silverstone. Die Truppe aus Milton Keynes hatte zuvor in Imola und Barcelona neue Teile an den RB20 geschraubt. Kritische Stimmen behaupteten aber, dass die Wirkung bei der Performance minimal gewesen sei. Das Team legt seine Hoffnungen nun in das neue Paket. Außerdem gibt es einen Spezial-Look für das Auto von Max Verstappen und Teamkollege Sergio Perez.

Die anderen Top-Teams haben ihre Philosophie bei der Weiterentwicklung umgestellt. McLaren und Mercedes verfolgen nun die Politik der kleinen Schritte. Mercedes will für Silverstone wieder Details am W15 verändern. Bei McLaren ist noch nicht sicher, ob das Team aus Woking etwas für das Heimspiel im Köcher hat.

McLaren ist eines von sieben Teams, für die das Rennen in Silverstone in Fabriknähe liegt. Lediglich Ferrari, Sauber und Haas haben ihren Sitz nicht in England. Deshalb ist davon auszugehen, dass noch weitere Rennställe Upgrades für ihre Autos vorbereitet haben. Zudem war Spielberg ein Sprint-Wochenende. Neue Teile sind beim gewöhnlichen Grand-Prix-Format leichter zu verifizieren.

Haas hat ein größeres Upgrade für Silverstone angekündigt. Die US-Amerikaner zeigen bisher eine starke Saison und schwimmen im engen Mittelfeld gut mit. Das ist auch der bisher guten Weiterentwicklung des VF-24 zu verdanken. Williams feiert sein Heimspiel wie Red Bull mit einer Sonderlackierung. Das Traditionsteam aus Grove bemalt den FW46 mit einem riesigen Union Jack. Währenddessen versucht die Truppe von James Vowles weiterhin Pfunde beim Auto zu verlieren, um wieder in die Punkte fahren zu können.

Die Favoriten

Das schnelle Layout schmeckt dem Red Bull nach wie vor am besten. Funktioniert das neue Upgrade-Paket, ist Max Verstappen in Silverstone der Mann, den es zu schlagen gilt. Nach der Kollision mit Lando Norris dürfte der 61-malige GP-Sieger bis unter die Haarspitzen motiviert sein.

Selbiges trifft natürlich auch auf Lando Norris zu. Der Engländer ist mit seinem McLaren MCL38 die aktuell größte Bedrohung für Verstappen. In Spielberg war der 24-Jährige kurz davor, ihn auf der Strecke zu besiegen – ehe es knallte. Norris will beim Heimspiel in Silverstone den zweiten Sieg seiner Karriere einfahren.

Sein Landsmann George Russell hat nach dem GP Österreich nun diese zwei Erfolge in der Formel 1 auf dem Konto. Der 26-Jährige reist voller Selbstvertrauen nach Silverstone. Mercedes war in Spielberg erneut die dritte Kraft und hat zuletzt Ferrari etwas abgeschüttelt. Die Stimmung bei den Silberpfeilen hat sich nach dem Aufwärtstrend ins Positive gewandelt. In England peilt Mercedes den vierten Podestplatz in Serie an.

Ferrari fiel in den letzten Grands Prix etwas zurück. Die Roten waren zu Saisonbeginn noch der ärgste Verfolger von Red Bull, doch die letzten Upgrades verfingen nicht wie gewünscht. McLaren und Mercedes zogen an den Italienern vorbei. In Silverstone muss die Truppe von Teamchef Frédéric Vasseur auf die Erfolgsspur zurückkehren. Seit dem Monaco-GP hat Ferrari kein Podest mehr gesammelt.

Nimmt man das Spielberg-Wochenende als Maßstab, ist Haas die fünfte Kraft. Nico Hülkenberg wurde in Österreich sensationeller Sechster. Die Frage wird sein, ob das US-Team auch in Silverstone so stark sein wird. Die schnellen Kurven sollten dem VF-24 weniger entgegenkommen. Im ersten Training darf zudem Oliver Bearman für Kevin Magnussen ins Auto steigen.

Toro Rosso konnte dank Daniel Ricciardo ebenfalls Zählbares einfahren. Der VCARB01 ist in Silverstone ein Kandidat für die Top-Ten. Genauso wie Alpine: Die Franzosen punkteten in Spielberg auch ohne Upgrades und befinden sich im Aufwind. Nachwuchsmann Jack Doohan ersetzt im ersten Training am Freitag Stammpilot Pierre Gasly.

Aston Martin ist in den Abwärtsstrudel geraten. Das Team von Besitzer Lawrence Stroll krebste in Österreich weit außerhalb der Punkte herum. Die in Silverstone beheimatete Truppe steht deshalb unter Druck. Williams-Junior Franco Colapinto fährt im ersten Training den FW46 von Logan Sargeant. Das Team hofft in England auf Punkte. Bisher sind nur zwei Zähler auf dem Konto. Nur Sauber hat noch keinen einzigen Punkt in dieser Saison eingefahren.

So lief der letzte GP Großbritannien (2023)

Lando Norris pfeilte im vergangenen Jahr vom zweiten Startplatz aus in Führung und konnte Pole-Setter Max Verstappen kurz hinter sich halten. Dank DRS schnappte sich Verstappen in seinem schnelleren Red Bull den McLaren von Norris in Runde 5 und kontrollierte anschließend das Rennen.

Oscar Piastri hatte auf Rang drei fahrend eine gute Pace, durfte aber auf Geheiß des Teams keine Attacke auf Teamkollege Norris reiten. Hinter den ersten drei Autos lagen die Ferrari und Mercedes nah beieinander. Sergio Perez kämpfte sich währenddessen vom 16. Startplatz peu à peu nach vorne.

In Runde 33 musste das Safety-Car ausrücken. Der Ferrari-Motor im Haas von Kevin Magnussen hatte Feuer gefangen. Das würfelte das Tableau nochmal durcheinander. Oscar Piastri verlor seinen Platz auf dem Podium an Mercedes-Mann Lewis Hamilton. Verstappen und Norris stoppten während der Neutralisation und lagen weiterhin auf den Rängen eins und zwei, nachdem das Rennen wieder freigegeben wurde.

Lando Norris und Lewis Hamilton lieferten sich am Ende einen packenden Zweikampf, den der jüngere Engländer für sich entscheiden konnte. Lance Stroll rumpelte mit seinem Aston Martin kurz vor Rennende in den Alpine von Pierre Gasly und riss den Franzosen aus dem Rennen.

Max Verstappen hatte bis zum Schluss an der Spitze alles im Griff und gewann vor Lando Norris und Lewis Hamilton. Oscar Piastri wurde im zweiten McLaren Dritter vor George Russell (Mercedes). Sergio Perez beendete seine Aufholjagd auf Rang sechs. Fernando Alonso setzte sich in seinem Aston Martin vor Alex Albon (Williams) und den beiden Ferrari-Piloten Charles Leclerc und Carlos Sainz durch.

In der Galerie zeigen wir Ihnen noch einmal die Highlights des Silverstone-Rennens von 2023.