Zwölf Rennen liegen hinter uns und noch weitere zwölf auf dem Plan: In Spa startet die Formel 1 in die zweite Saisonhälfte. Nach einer dreiwöchigen Pause zwischen dem England-GP und dem nächsten Klassiker in Belgien wollen alle Fahrer und Teams neuen Schwung holen. Besonders sind die Augen auf Red Bull gerichtet. Der Rennstall warf kurz nach dem Silverstone-Rennen seinen langjährigen Teamchef Christian Horner raus. Für den Engländer rückte Laurent Mekies nach, der zuletzt beim Nachwuchs-Rennstall von Toro Rosso arbeitete.
Auf der Strecke gehen – wie immer in dieser Saison – die McLaren als Favoriten in den Grand Prix. Der MCL39 ist das konstanteste und beste Auto im Feld. Mittlerweile haben sich Oscar Piastri und Lando Norris so weit von ihrem Verfolger Max Verstappen in der WM-Tabelle abgesetzt, dass alles auf ein Titelduell zwischen den beiden McLaren-Chauffeuren hinausläuft.
Hinter den Papaya-Flitzern erwarten wir Ferrari an zweiter Stelle. Die Roten hatten bereits vor Spa mit einem neuen Unterboden in Spielberg den Aufwärtstrend eingeleitet. In Belgien kommt die langersehnte neue Hinterachse ans Auto. Das Team erhofft sich einen massiven Sprung auf der Performance-Seite. Dank der neuen Konstruktion soll der SF-25 nun in einem größeren Arbeitsfenster funktionieren.
Mercedes überzeugte im vergangenen Jahr in Spa. George Russell überquerte die Ziellinie als Erster, wurde aber anschließend disqualifiziert, weil sein Silberpfeil nicht genügend Kilos auf die Waage brachte. Sein damaliger Teamkollege Lewis Hamilton rückte nach und gewann sein letztes Rennen für Mercedes. Die Truppe aus Brackley ist vor dem Belgien-GP allerdings schwer einzuschätzen. Das Team sucht weiterhin Konstanz.
Red Bull und Max Verstappen reisen hoffnungsvoll nach Spa. Weitere Upgrades sollen den RB21 wieder näher an McLaren heranbringen. Außerdem ist Verstappen ein Spa-Spezialist. Drei Siege fuhr der viermalige Formel-1-Weltmeister bereits in der Wallonie ein. Ein Blick auf die Wetter-Prognosen für das Wochenende könnte dem Niederländer in die Karten spielen: Für jeden Session-Tag ist Regen vorausgesagt. Verstappen gilt als einer der besten Regen-Fahrer seiner Generation.
Pirelli dürfte nicht ganz so begeistert auf die Vorhersage schauen. Die Italiener wollten in Spa ein besonderes Reifen-Experiment starten. Zum ersten Mal seit dem Australien-Grand-Prix 2022 überspringen die Italiener wieder eine Härte-Stufe. Zum Einsatz kommen die Sorten C1, C3 und C4.
Eine weitere Variable für etwas mehr Chaos ist das Format. Erstmals seit dem Miami-GP (4.5.) steht wieder ein Sprint-Wochenende auf dem Programm. Das dürfte auch den Mittelfeld-Teams Hoffnung auf Punkte machen. Nach den zuletzt starken Leistungen von Sauber erwarten wir den Rennstall von Nico Hülkenberg auch in Spa wieder als fünfte Kraft.
Die Strecke: Circuit de Spa-Francorchamps
Der Ardennen-Klassiker in Spa-Francorchamps wird auf der längsten Strecke im Kalender (7,004 Kilometer) ausgetragen. Der Traditionskurs, auf dem 1925 zum ersten Mal Rennwagen ihre Runden gedreht haben, ist mit Höhepunkten nur so gespickt. Eau Rouge, La Source, Rivage oder Blanchimont klingen sowohl Formel-1-Fans als auch Fahrern wie Musik in den Ohren.
"Eine Runde in Spa ist wie 20 Runden auf einem anderen Kurs, was den Spaß und die Adrenalinausschüttung angeht", beschrieb Fernando Alonso einmal das Erlebnis. Die spektakuläre Eau-Rouge-Kurve, bei der eine 300 km/h-Links-Rechts-Kombination mit einer Senke und einem anschließenden Linksbogen bergauf (Raidillon) kombiniert ist, gilt als die aufregendste Passage im ganzen Formel-1-Kalender.
Im Vorjahr wurde das spektakuläre Teilstück grundlegend renoviert. Dabei wurde nicht nur ein neuer Asphalt verlegt, sondern auch die Streckenführung etwas geändert, um das Gefahrenpotenzial zu verringern. Mit der aktuellen Generation an Ground-Effect-Rennwagen brettern die Piloten aber weiterhin mit Vollgas durch den legendären Abschnitt. Nur bei feuchten Bedingungen ist der Highspeed-Richtungswechsel noch eine echte Herausforderung.
Die größte Mutprobe heißt aktuell "Pouhon". Die abschüssige Linkskehre mit zwei Scheitelpunkten wird mit mehr als 270 km/h genommen. Neben den schnellen Kurven hat Spa aber auch einige langsame Ecken zu bieten, wie die Bus-Stop-Schikane kurz vor der Zielgeraden und die La-Source-Haarnadel am Anfang einer Runde.

Fast Facts
- Streckenlänge: 7,004 Kilometer
- Rundenzahl: 44
- Renndistanz: 308,052 Kilometer
- Anzahl Kurven: 19 (10 Links / 9 Rechts)
- Rundenrekord (Rennen): 1:44.701 Minuten (Perez, 2024)
- Absoluter Rundenrekord: 1:41.252 Minuten (Hamilton, Q3, 2020)
- Vollgas-Anteil (Rundendistanz): 64 Prozent (Rundenzeit: 75 Prozent)
- Distanz Pole-Position bis zur ersten Bremszone: 137 Meter
- Länge Boxengasse: 387 Meter
- Zeit in der Boxengasse bei Speedlimit: 17 Sekunden
- Top-Speed: 328 km/h
- DRS-Zonen: 2 (T4-5, T19-1)
- Pirelli-Reifen: C1, C3, C4
- Safety-Car-Wahrscheinlichkeit: 80 Prozent (3/5)

Pirelli bringt den härtesten Reifen C1 sowie die Mischungen C3 und C4 nach Belgien.
Das Setup
Top-Speed steht bei den Ingenieuren in Spa ganz oben auf dem Zettel. Nach der La Source geht es 25 Sekunden lang mit Vollgas den Berg hinauf bis zur Les-Combes-Schikane. Hier will niemand unnötig steile Heckflügel fahren, die den Luftwiderstand erhöhen. Der Abtriebslevel liegt ungefähr auf dem Niveau von Kanada und Aserbaidschan. Nur in Monza wird mit noch einem Tick weniger Abtrieb gefahren.
Das Fahrwerk muss an die hohen Kurvengeschwindigkeiten angepasst werden. In der Regel bedeutet das eine harte und tiefe Abstimmung, um Stabilität ins Auto zu bekommen. Mit den ohnehin schon tief liegenden Rennwagen der aktuellen Generation ist ein hartes Aufsetzen des Unterbodens in der Senke von Eau Rouge kaum zu vermeiden. Der Frontflügel wird im Vergleich zu anderen Strecken etwas steiler gestellt, um Untersteuern in den schnellen Kurven zu verhindern.
Anspruchsvoll ist der Highspeed-Kurs vor allem für die Motoren, weshalb die Teams hier oft neue Triebwerke einsetzen. Bremsen und Kühlung sind dafür nicht so stark gefordert. In Sachen Reifen bringt Pirelli wie erwähnt die C1-, C3- und C4-Gummis. Der Verzicht auf den C2-Gummi und die Wahl der härteren Stufe sollte mehr Abwechslung in die Strategien der Teams bringen. Man darf gespannt sein, wie viele Runden bei den wechselhaften Wetterbedingungen überhaupt auf Slicks gedreht werden.
Die Upgrades
Zwar beginnt in Spa erst der zweite Teil des F1-Jahres, aber viele Upgrades werden wir im Laufe der Saison wohl nicht mehr sehen. Fast alle Teams haben ihren Fokus schon auf 2026 gelegt. Ein paar frische Teile wird es aber noch geben. Wie bereits erwähnt, bringt Ferrari die neue Hinterachse nach Belgien. Auch Mercedes und Red Bull schrauben nochmal ein paar Modifikationen an ihre Autos. Selbst McLaren bringt das letzte Element eines über mehrere Rennen gestreckten Upgrade-Pakets.
Im Mittelfeld haben Williams und Alpine bereits vollständig auf 2026 umgeschwenkt. Saubers Aufschwung hing mit den Upgrades im Frühsommer zusammen, jetzt müssen Nico Hülkenberg und Gabriel Bortoleto mit ihrem Paket bis zum Ende der Saison klarkommen. Lediglich Toro Rosso plant nochmal eine kleinere Upgrade-Welle. Bis zur Sommerpause vor dem Ungarn-GP und nach der vierwöchigen Pause bekommt der VCARB02 eine Modellpflege verpasst.
In der Galerie haben wir noch einmal die Bilder vom Belgien-Grand-Prix 2024.