Eigentlich sieht die Stelle harmlos aus. Kurve 13 ist ein Linksknick, der mit 140 km/h im dritten Gang gefahren wird. Ihm schließt sich die Schikane an. Auf der kurzen Gerade dazwischen lauert außen eine ungeschützte Mauer. Und genau die forderte schon zwei Opfer. Carlos Sainz am Freitag und Esteban Ocon am Samstag. Beide Unfälle waren fast deckungsgleich. Die Fahrer verloren das Heck und drehten sich rückwärts in den Betonwall. An beiden Autos schlug es links die Räder ab.
Trotz der relativ niedrigen Geschwindigkeit zeigte die Telemetrie hohe Verzögerungsspitzen. 47 g bei Sainz, 51 g bei Ocon. Wäre die Mauer durch Tecpro oder einen Reifenstapel geschützt gewesen, hätte das dem Aufprall viel Energie genommen.

Alpine-Chassis muss in den Autoklaven
Carlos Sainz klagte nach dem Aufprall über Schmerzen im Nacken und in der Hüfte. Ocon prellte sich das Knie am Lenkrad. Der Einschlagwinkel war so ungünstig, dass die linke Vorderradaufhängung in das Chassis des A522 eindrang und die Karbonröhre massiv beschädigte. "Wir können das Chassis nur in der Fabrik in Enstone reparieren. Das ist ein Job von zehn bis zwölf Tagen. Das Chassis muss noch einmal in den Autoklaven", berichtete Einsatzleiter Alan Permane.
Beide Fahrer führten ihre Verletzungen und die massiven Schäden an den Autos auf die Härte des Aufpralls zurück. Sainz sprach den Fall bei der Fahrerbesprechung an und forderte eine Tecprobarriere als Absicherung. Er stieß damit bei FIA-Rennleiter Niels Wittich auf taube Ohren. Der belehrte den Spanier, dass die Simulationen der Unfallexperten der FIA ergeben hätten, dass an dieser speziellen Stelle kein Schutz vor der Mauer nötig sei.

Kein Platz für Streckenänderungen
Sainz entgegnete, dass man sich im Leben nicht blind auf Simulationen verlassen könne. Die Realität halte sich nicht immer an die Datenwelt. Das zeige sich oft genug bei der Fahrzeugentwicklung. Wittich verwies weiter auf seine Simulationen, die gezeigt hätten, dass Tecpro an der Stelle sogar kontraproduktiv sein könne, weil das Auto nie frontal, sondern immer in einem sanften Winkel einschlägt und sich dabei mit der Vorderachse einhaken und sich querstellen kann. Das stelle im Rennen die Gefahr eines Auffahrunfalls dar. Worauf Sainz wieder kontra gab: "Ich bin aber nicht vorwärts, sondern rückwärts eingeschlagen und auch nicht auf die Strecke zurückgeprallt."
Lando Norris gab Sainz und Ocon Rückendeckung: "Wir wissen als Fahrer oft besser als die Experten, wo die Risiken liegen. Man sollte hin und wieder auf uns hören. Wir haben nach dem Unfall von Carlos unsere Empfehlung ausgesprochen, und die FIA hat nicht reagiert. Das ist nicht in Ordnung." Beim Weltverband argumentiert man, dass man die Mauer wegen des Platzmangels an der Stelle nicht verschieben könne und zwei Lagen Tecpro an der Stelle die Strecke um mindestens einen Meter verschmälern würde. Und dann wäre es dort wieder zu eng.