Die Formel 1 verschwindet immer weiter aus der öffentlichen Wahrnehmung. Ein großer Faktor ist die mangelnde Sichtbarkeit im linearen Fernsehen. Wo läuft die Königsklasse überhaupt noch?
Es ist schon etwas verrückt. Auf der ganzen Welt erlebt die Formel 1 eine beispiellose Boom-Phase. Die Tribünen an den Rennstrecken sind voll. Die Social-Media-Zahlen schießen durch die Decke. Nur in Deutschland dümpelt die Königsklasse gefühlt nur noch knapp über der Wahrnehmungsgrenze. Als RTL nach der Saison 2020 mit im Schnitt vier Millionen Zuschauern pro Rennen den Stecker zog, wanderte die Formel 1 fast komplett exklusiv zu Sky ins Pay-TV ab. Leider wanderten nicht alle Zuschauer mit.
Die Millionengrenze wird hinter der Bezahlschranke kaum noch erreicht, selbst wenn man die Streamingkunden noch mit dazu rechnet. Und auch bei den vereinzelten Rennen, die aktuell noch bei RTL im Free-TV laufen, hat sich die Quote im Vergleich zu 2020 mehr als halbiert. Statt der Formel 1 ist jetzt American Football das Zugpferd des Kölner Senders. Die NFL-Spiele beginnen sonntags immer um 19 Uhr und kollidieren dabei mit vielen F1-Rennen in Nord- und Südamerika.

Das TV-Team von RTL besteht mit Kai Ebel, Florian König, Christian Danner und Heiko Waßer aus viel Erfahrung (von links).
ARD und ZDF ohne Formel-1-Interesse
Die Programme der ARD und das ZDF haben auch kein großes Interesse, der Formel 1 eine neue Heimat zu geben. Vor dem Hintergrund des Spardrucks und immer teurer werdenden Live-Rechtepaketen ist das auch nicht verwunderlich. Man sollte aber meinen, dass wenigstens eine rudimentäre Ergebnis-Berichterstattung oder kurze Highlights zum öffentlich-rechtlichen Programmauftrag gehören.
Natürlich kann das Formel-1-Interesse nicht mit König Fußball mithalten. Aber wenn es um die Frage nach der Nummer-Zwei-Sportart geht, dann hat der Motorsport immer noch Gewicht. Schaut man sich zum Beispiel das 24h-Rennen auf dem Nürburgring oder die Motorrad-WM am Sachsenring an, dann sucht man hierzulande vergeblich nach Einzel-Events mit vergleichbaren Ticket-Verkäufen. Trotzdem findet die Formel 1 in publikumsstarken Nachrichtensendungen wie der Tagesschau und den Tagesthemen praktisch nicht mehr statt.
ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky begründet das auf Anfrage mit dem gesunkenen Interesse bei den Zuschauern. Die Konkurrenz mit anderen Sportarten im Kampf um die begrenzte Sendezeit sei stark gewachsen. "Es werden in erster Linie Sportarten berücksichtigt, die für die ARD im Vordergrund stehen bzw. aus Sicht der Verantwortlichen die höchste Relevanz haben." Dabei handelt es sich natürlich um das altbekannte Henne-Ei-Problem. Wird die Berichterstattung eingeschränkt, weil die Quote sinkt? Oder sinkt die Quote, weil es generell weniger Berichterstattung gibt? Das ZDF verweist nach unserer Anfrage auf die Formel-1-Berichterstattung auf der eigenen Webseite. Dazu teilt man offiziell mit, dass man grundsätzlich die Entwicklungen in jeder Sportart beobachte. Davon sei der Motorsport nicht ausgeschlossen.

Ralf Schumacher (links) ist der TV-Experte bei Sky. Sandra Baumgartner ist Boxengassen-Reporterin (rechts).
Schadet das F1-Image?
Die Theorie, dass die Formel 1 wegen ihres schlechten umweltpolitischen Images bewusst aus dem Programmangebot verbannt wurde, wollen die Sender nicht bestätigen. Sportjournalisten der ÖRR-Sender äußern hinter vorgehaltener Hand aber genau diese Vermutung. Die Programmchefs wollen sich demnach nicht mit Inhalten angreifbar machen, die in Teilen der Gesellschaft kritisch gesehen werden. Seit der Pandemie wurde die Formel-1-Berichterstattung massiv heruntergefahren. An den Rennstrecken sieht man heute nur noch selten Reporter mit blauen oder orangefarbenen Mikrofonen.
Es gibt aber etwas Hoffnung, dass es nicht so bleiben muss. Wie keine andere Sportart hat es die Formel 1 in den vergangenen Jahren geschafft, ihr Publikum komplett zu verändern. Die Fans werden immer jünger, und sie werden immer weiblicher. Genau diese Zielgruppe ist für die Werbewirtschaft besonders relevant. Noch hat sich der Umschwung nicht ganz bei den Sendern herumgesprochen. Medien-Experten vermuten aber, dass es nur mal wieder ein aussichtsreiches einheimisches Talent in der Königsklasse braucht, um die bereits gelegte Lunte zu entzünden.