Vier rote Flaggen im zweiten Training kosteten die Teams 38 Minuten Fahrtzeit. Den Unterbrechungen fielen auch die Longruns zum Opfer. Und bei den schnellen Runden zwischen Unfällen und Grasbränden hing viel davon ab, wie die Fahrer durch den Verkehr kamen und ihre Vorbereitungsrunden abwickeln konnten.
So ist das Bild etwas verzerrt. Als Ersatz für die entgangenen Rennsimulationen am Nachmittag mussten die Longruns am Vormittag herhalten. Das Bild ist hier relativ deutlich. McLaren gibt auch in Suzuka den Ton an. Es folgen Mercedes und Ferrari. Red Bull steckt weiter in großen Schwierigkeiten. Die weiß lackierten Autos waren vollkommen aus der Balance.
Weder die Basis-Abstimmung, auf die die Ingenieure große Hoffnungen gesetzt hatten, noch die Setup-Korrektur am Nachmittag funktionierten. Dafür zeigten die Schwesterautos von Toro Rosso wieder eine starke Frühform. Die ist auch dann noch beeindruckend, wenn man weiß, dass Isack Hadjar und Liam Lawson für ihre schnellen Runden die Motorleistung erhöht hatten.
Nico Hülkenberg hat zwar auf dem Papier den besten Longrun auf den Medium-Reifen, doch der Sauber-Pilot war mit weniger Sprit unterwegs als die Topteams, und er drehte nur vier Runden. "Das Auto fühlte sich ordentlich an, war im zweiten Training besser als im ersten", blickte Hülkenberg zurück. Die beiden Sauber waren am Nachmittag beide mit dem neuen Unterboden und Heckflügeln ausgerüstet.

McLaren scheint in Suzuka das Maß der Dinge zu sein - sowohl auf einer schnellen Runde, als auch im Longrun.
Sechs Dinge, die Sie wissen müssen:
Ist McLaren wieder überlegen?
Beide Bestzeiten gingen am Freitag an einen McLaren-Piloten. In der ersten Session hatte Lando Norris die Nase vorn. Sein Vorsprung auf George Russell betrug 0,163 Sekunden. Am Nachmittag machte Teamkollege Oscar Piastri das Tempo. Der Australier schlug Norris um 0,049 Sekunden und Isack Hadjar um 0,404 Sekunden. Das interne Duell der McLaren-Pilot entschied sich in der Schikane. Wer dort sauberer durchkam, hatte die Bestzeit.
Die Überlegenheit der Papaya-Renner setzte sich in den Longruns fort. Norris schaffte über sieben Runden einen Schnitt von 1.33,361 Minuten und war damit um eineinhalb Zehntel schneller als Russell, der allerdings auch drei Runden länger unterwegs war. Bei den McLaren fiel wieder auf, dass sie ihre Rundenzeit fast konstant halten konnten, während sich bei der Konkurrenz mit zunehmender Distanz der Reifenabbau bemerkbar machte.
Hat Mercedes eine Siegchance?
Mercedes ist das zweitbeste Team. George Russell fühlte sich sofort wohl und hielt das hohe Niveau den ganzen Tag durch. Selbst wenn man die für Mercedes übliche Frühform auf grünen Strecken am Freitag mit einrechnet, ist Russell der erste Herausforderer der McLaren. Das unterstreicht auch der zweitbeste Longrun in der ersten Trainingssitzung.
Der Engländer spricht von einem positiven Tag und prophezeit: "Wenn alles passt, können wir in die ersten zwei Startreihen fahren." Suzuka-Neuling Andrea Kimi Antonelli hinkt noch hinterher. Der Italiener verlor in beiden Trainings mehr als eine Sekunde auf seinen Teamkapitän. Das zeigt, dass Suzuka eine Strecke ist, die man nicht einfach so im Handumdrehen lernt. Antonelli gab zu: "Ich habe im ersten Sektor nicht das Optimum aus dem Auto herausgeholt. George hat gezeigt, was möglich ist."
Ferrari lag nur knapp hinter Mercedes. Lewis Hamilton schlug seinen Ex-Teamkollegen Russell um 23 Tausendstel. Im Dauerlauf dagegen waren die Silberpfeile schneller. Russell kam über zehn Runden auf einen Schnitt von 1.33,489 Minuten. Charles Leclerc drehte acht Runden und erreichte mit Mittel eine Zeit von 1.33,566 Minuten.

Yuki Tsunoda scheint näher an Max Verstappen dran zu sein als seine Vorgänger.
Wie schlägt sich Tsunoda gegen Verstappen?
Im ersten Training verlor Yuki Tsunoda nur 0,107 Sekunden auf Max Verstappen. Der Weltmeister musste in seiner schnellsten Runde sechs Autos überholen. Das soll rund drei Zehntel Zeit gekostet haben. Am Nachmittag waren die Rundenzeiten nicht vergleichbar. Verstappen fuhr mit Soft-Reifen, während Tsunoda dem Medium-Gummi treu blieb. Trotzdem machte Tsunoda eine klar bessere Figur als zuletzt Liam Lawson oder auch Sergio Perez im letzten Jahr.
Besorgniserregend ist dagegen die allgemeine Form des Red Bull RB21. Das Auto fällt abwechselnd vom Untersteuern ins Übersteuern. Verstappen meldete am Funk, dass es sich anfühlte, als würde sich das Auto verbiegen. Das starke Rutschen der Red Bull trieb die Reifenabnutzung nach oben.
Sportchef Helmut Marko ärgerte sich: "Immer wenn der Simulator jubelt, passt das Basis-Setup an der Strecke nicht. Wir sollten mal unsere Abläufe im Simulator überprüfen." Die Hochrechnungen der virtuellen Welt hatten ein Setup vorgeschlagen, das den RB21 um drei Zehntel schneller machen sollte. Das Gegenteil war der Fall. Auch nachdem in der Mittagspause die Fahrzeugabstimmung umgebaut wurde. Verstappen resümierte: "Auf dieser Strecke brauchst du Vertrauen ins Auto. Das hatte ich leider nicht."
Wieso ist Toro Rosso so schnell?
Toro Rosso überraschte erneut. Isack Hadjar und Rückkehrer Liam Lawson landeten auf den Plätzen drei und fünf. Red Bulls Schwesterauto präsentierte sich zum dritten Mal in Folge in exzellenter Form. Das Auto war bis jetzt für alle Streckentypen sehr gut ausbalanciert. Helmut Marko setzt allerdings ein Fragezeichen: "Die haben die Motorleistung mehr aufgedreht als Red Bull. Das hat einen Einfluss auf die Rundenzeiten."

Jack Doohan probierte es in Kurve 1 mit offenem DRS-Flügel. Das Experiment scheiterte spektakulär.
Was löste den Crash von Doohan aus?
Es passierte in der fünften Runde. Jack Doohan feuerte seinen Alpine in der ersten Kurve in den fünflagigen Reifenstapel. Im Anflug auf die erste Kurve sind die Autos 330 km/h schnell. Die erste Kurve geht mit den Groundeffect-Autos voll. Aber nur mit geschlossenen DRS. Im Scheitelpunkt brach der Alpine plötzlich aus, drehte sich einmal voll um seine Achse und schlug mit kaum verminderter Geschwindigkeit in einem 45-Grad-Winkel in den Reifenstapel ein.
Erste Frage aus dem Cockpit ans Team: "Was ist passiert?" Nach Auswertung der Daten sorgte Teamchef Oliver Oakes für Aufklärung. Offenbar hatte der Pilot den Knopf zum Herunterklappen des Flügels nicht gedrückt: "Es war eine Fehleinschätzung, das DRS am Eingang von Kurve 1 nicht zu schließen. Daraus werden wir unsere Lehren ziehen."
Nach Informationen von auto motor und sport hatte der Pilot dieses Vorgehen vorher im Simulator ausprobiert, wo es immer funktionierte. Doch die Realität ist manchmal anders als die Datenwelt. Der starke Rückenwind half auch nicht. Vielleicht hätte Doohan Verdacht geschöpft, wenn er am ersten Training teilgenommen und sich langsam herangetastet hätte. Doch da saß Testfahrer Ryo Hirakawa im Alpine des Australiers.

Wie oft kommen die Piloten am Sonntag zum Reifenwechsel?
Ein oder zwei Stopps?
Suzuka ist eigentlich ein klassisches Zweistopp-Rennen. Doch das war der GP China auch. Und dann sind 15 Fahrer mit einem einzigen Reifenwechsel über die Distanz gefahren. Schon nach dem ersten Training gab es Anzeichen, dass auch in Suzuka ein Boxenstopp ausreichen könnte. Und das, obwohl die Autos im Vergleich zum Vorjahr bereits um 1,5 Sekunden schneller waren. Doch die Abnutzung der Mischungen C2 und C3 fiel trotz der höheren Geschwindigkeiten geringer aus als erwartet.
Ein Grund dafür ist der neue Asphalt, der zwischen dem Ausgang der Schikane bis Kurve 8 aufgetragen wurde. Er bietet wie zuletzt in China mehr Grip. Damit rutschen die Autos weniger, und dafür bedanken sich die Reifen. Im ersten Sektor sanken die Zeiten gegenüber 2024 um zwei, in den Sektoren 2 und 3 um ein Prozent. Pirelli-Sportchef Mario Isola sieht nur ein Hindernis, das gegen ein Einstopp-Rennen spricht. "Wenn es Samstagnacht wie vorhergesagt regnet, dann könnten die Reifen auf der dann wieder grünen Strecke körnen, was den Verschleiß nach oben treibt."