Formel 1: Technik-Trends der Testfahrten 2025

Die Technik-Trends der neuen Formel-1-Autos
Das Geheimnis steckt im Detail

Zuletzt aktualisiert am 26.02.2025

Als das aktuelle Reglement 2022 in Kraft trat, da fürchteten die Schwarzmaler einen Einheitsbrei. Der Spielraum der Ingenieure war so eingeschränkt wie nie zuvor. Da müssen alle Autos zwangsläufig gleich aussehen, so die logische Schlussfolgerung. Das Gegenteil war der Fall. Allein bei den Seitenkästen gab es vier Trends. Red Bull mit der Rampe. Ferrari mit der Badewanne. Aston Martin mit dem Undercut. Mercedes mit der "Zero-Pod-Lösung".

Und heute? Alle haben die Rampenform von Red Bull nachgebaut. Der eine mit mehr Unterschnitt, der andere mit weniger. Der eine mit einer Mulde obendrauf, der andere ohne. Der eine mit einem stärkeren Einzug im Heck, der andere mit einer dezenteren Taille. Ganz gleich ist keiner.

Auch beim Frontflügel und der Nase gehen die Teams weiter verschiedene Wege. Die einen hängen ihn am Hauptblatt auf, die anderen am ersten Flap. Uneinigkeit auch bei den Aufhängungen. Vorne wie hinten gibt es Pushrod und Pullrod, und das in den unterschiedlichsten Kombinationen miteinander vermischt.

Eigentlich hätten nach der Saison 2023 alle den Red Bull RB19 kopieren müssen. Ein Auto, das 21 von 22 Rennen gewinnt, hat das Zeug zum Trendsetter. Das ist nicht passiert. Die Konkurrenz kopierte nur die inneren Werte. Ein längeres Chassis, unten V-förmig zugeschnitten, ein kürzeres Getriebe, um die Elektronikboxen alle schön am Boden und nah am Chassis zu platzieren.

Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - Test - Bahrain - 26. Februar 2025
ams

Keine McLaren-Kopie

Auch der letztjährige McLaren MCL38 stand nicht für alle 2025er-Autos Modell. Und trotzdem gibt es im vierten Jahr der Groundeffect-Autos ein paar Trends, die sich mehrheitlich durchgesetzt haben. Und neue Lösungen, die mal häufiger und mal auch gar nicht kopiert wurden, obwohl sie scheinbar Sinn ergeben.

Bei den Seitenkästen haben sich fast alle auf die Rampenform mit Oberbiss verständigt. Ein Trend, den Red Bull mit seinem RB20 gesetzt hat, der aber eigentlich schon älter ist. Mercedes war 2022 mit seinem mutigen W13 der wahre Ideengeber. Der Oberbiss fiel damals nur kaum auf, weil die Seitenkästen dahinter fast nicht existent waren. Mit dieser Lösung wird das Reglement ausgetrickst. Die obere Crashstruktur ist die Vorderkante der Seitenkästen, die tatsächlich aber weiter hinten beginnen.

Der schlanke Vorbau schafft einerseits mehr Platz zwischen Vorderrädern und Seitenkästen und vergrößert andererseits den Abstand zwischen Seitenkästen und Unterboden in einem kritischen Bereich. Die gewölbte Unterseite der seitlichen Crashstruktur erzeugt einen Coanda-Effekt und leitet die Luft zielsicher in die Kühlöffnungen, die dadurch in der Größe schrumpfen können. Manche sehen aus wie Briefkastenschlitze.

Aston Martin - Formel 1 - Test - Bahrain - 26. Februar 2025
ams

Seitenkasten als Flügel

Obwohl alle Seitenkästen dem gleichen Prinzip folgen, ist ihre Form stark unterschiedlich. Aston Martin kommt bei seinem AMR25 mit dem geringsten Volumen aus, was bedeutet, dass der Undercut von allen Autos am größten ausfällt. Da noch Kühler unterzubringen, ist eine Meisterleistung. Toro Rosso verfolgt eine ähnliche Strategie. Bei Ferrari und Haas hört der Einzug der Seitenkästen auf Höhe der Airbox auf. Dafür können sie die Motorverkleidung im Heck früher einziehen.

Im Prinzip sind die Seitenkästen ein zusätzlicher Flügel. Die Luft strömt auf der Unterseite schneller als auf der Oberseite. Oben haben fast alle eine Mulde. Ferrari und Sauber über die gesamte Breite von vorne bis hinten. Bei Toro Rosso ist die Rinne schmaler. Sie läuft am Cockpit entlang. Bei McLaren, Aston Martin und Williams beginnt sie dezent und fällt hinter dem Cockpit in ein großes Loch. Dafür hört der seitliche Einzug früher auf. Nur Mercedes verzichtet auf eine Vertiefung zwischen Seitenkastenrand und Cockpit.

Einig sind sich die Teams auch bei der Motorabdeckung. Alle versuchen im Heck Höhe zu sparen. Am extremsten McLaren. Dadurch wächst das Plateau unterhalb der Airbox mehr in die Breite als früher. Manche modellieren in die beiden Röhren auch eine Mulde ein, manche, wie der neue Mercedes, sind oben glatt. Alle haben das Ziel, den Beam-Wing und das Diffusordach so störungsfrei wie möglich anzuströmen, um den Saugeffekt des Diffusors zu unterstützen.

Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - Test - Bahrain - 26. Februar 2025
ams

Saubere Strömung rund um das Cockpit

Im Heck zeigt sich die neue Zielsetzung möglichst stabilen Abtrieb zu generieren am besten. Anpressdruck, der auf klassischem Weg erzielt wird, ist frei von Nebenwirkungen wie Bouncing oder Balanceverschiebungen. Deshalb wurde in diesem Winter viel Arbeit in die Heckflügel und Beam-Wings gesteckt.

Ferrari und McLaren ziehen das Hauptblatt des Heckflügels in der Mitte stark nach unten. Mercedes und Toro Rosso machen es mit einem sanfteren Schwung. Bei Aston Martin, Haas und Sauber verläuft das Hauptblatt lange gerade und biegt sich in der Nähe der Endplatten nach oben.

Eine saubere Strömung rund um das Cockpit ist Trumpf. Deshalb wachsen in dem Bereich immer mehr Winglets und Finnen aus der Verkleidung. Deshalb versuchen alle, die Zahl der Kiemen seitlich in der Motorabdeckung zu minimieren. Ferrari und Alpine haben nur einen großen Auslass weit hinten. Der Großteil der heißen Luft soll im Heck oberhalb des Beam-Wings austreten. Wie die Luft im Inneren geführt wird, zeigen die beiden Wülste in den Motorverkleidungen an.

Der Idee von Red Bull verwirbelte Luft an kritischen Stellen abzufangen, sie in Schächte unterhalb die Verkleidung zu zwingen und weiter hinten wieder austreten zu lassen, ohne dabei großen Schaden anzurichten, sind sechs Teams gefolgt. Ferrari, Mercedes, Alpine, Toro Rosso und Sauber haben diese Art S-Schacht seitlich neben dem Cockpit, McLaren nutzt den Müllschlucker gleich an zwei Stellen. An der Seite und schräg hinter dem Cockpit.

Lewis Hamilton - Ferrari - Formel 1 - Test - Bahrain - 26. Februar 2025
ams

Pullrod oder Pushrod?

Uneinigkeit dagegen beim Frontflügel. Red Bull, Mercedes, Haas, Toro Rosso und Sauber docken die Nase am Hauptblatt an, der Rest auf dem ersten Flap. Generell ist die Fläche der Flügel gewachsen, um in langsamen Kurven mehr Anpressdruck auf der Vorderachse zu generieren. Die Formensprache der vier Elemente unterscheidet sich von Auto zu Auto. Haas, Sauber und Williams haben den Bauch innen, Ferrari in der Mitte, und Aston Martin und Sauber bauten in die Flaps eine Wellenform ein. Bei McLaren, Mercedes und Toro Rosso verlaufen die Flügelelemente relativ gerade.

Bei der Aufhängungsgeometrie geht jeder seinen eigenen Weg. Es gibt alle Kombinationen. Ferrari hat als einziges Team Pullrod vorne und hinten. Mercedes, Aston Martin, Alpine und Williams Pushrod an beiden Enden. McLaren, Red Bull, Toro Rosso und Sauber vertrauen vorne auf Pullrod, hinten auf Pushrod. Haas aktiviert die Feder/Dämpfereinheit vorne über Pushrod und hinten über Pullrod. Die Präferenzen sind aerodynamisch bedingt.

Pullrod vorne macht es einfacher, die Strömung rund um die Vorderräder zu kontrollieren. Hinten muss man nicht unbedingt mehr Zugstreben haben. Sie wurden 2009 von Adrian Newey reaktiviert, weil sie der Strömung zum Beamwing nicht so im Weg stehen. Trotzdem ist Erfinder Red Bull hinten zu Pushrods zurückgekehrt. McLaren, Mercedes, Alpine und Aston Martin sind mitgezogen. Die Druckstrebe im Heck ist nicht mehr so störend, weil die betreffenden Teams ihr komplettes Querlenker-Arrangement vom Rad zum Fahrzeug hin nach innen absenken und damit den Beam-Wing nicht mehr stören.

Jack Doohan - Alpine - Formel 1 - Test - Bahrain - 26. Februar 2025
ams

Welche Ideen sind neu?

Immer beliebter wird auch, Gewichtsverteilung und Aero-Balance durch das Versetzen der Aufhängungen relativ zur Mittelachse der Räder zu beeinflussen. Red Bull hatte hier einst den Anfang gemacht und die Vorderräder so nach vorne und die Hinterräder nach hinten geschoben. Das fand viele Nachahmer. McLaren, Mercedes, Aston Martin, Toro Rosso und Sauber haben die Anordnung, die von oben aussieht wie eine optische Täuschung. Man hat das Gefühl, bei der ersten Belastung müssten die Vorderräder abbrechen.

Die entscheidende Komponente ist weiter der Unterboden. Die Zeiten dort nach Abtrieb um jeden Preis zu suchen, sind vorbei. Fast alle Teams haben schlechte Erfahrungen mit zu aggressiven Entwicklungsschritten gemacht. Deshalb wurde viel Arbeit in die vorderen Venturi-Kanäle, die Oberfläche des Bodens in diesem Bereich und die Kanten gesteckt. Was genau hinter jeder einzelnen Modifikation steckt, bleibt das Geheimnis der Aerodynamiker.

Die wahren Unterscheidungsmerkmale liegen im Detail. Ferrari baute am äußeren Rand der seitlichen Crashstruktur eine Endplatte ein, die sich wie die Tragfläche eines Flügels nach oben biegt. McLaren montiert die Spiegel ganz außen, um den Steg auf maximale Breite auszulegen. Alpine zieht die Kühleinlässe um die Kante herum. Es ist das einzige Auto im Feld, bei dem die Luft mithilfe von Oberbiss und Unterbiss in die Kühler geleitet wird.

Mercedes hat auf die oberen beiden Flaps des Frontflügels am Übergang zur Endplatte zwei Miniflügel montiert, die die Luftwirbel nach außen abweisen. Haas macht etwas ähnliches, aber in kleinerem Ausmaß. Aston Martin fällt mit seinen Miniatur-Seitenkasten und einem gebogenen Pushrod vorne aus der Rolle. McLaren hat die außergewöhnlichste Hinterachse. Die Querlenker fallen zum Getriebe hin extrem ab.