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Die Formel-1-Teams in der Upgrade-Falle
Geht es nicht mehr schneller?

Die Technikabteilungen liefern Upgrades im Akkord. Doch immer weniger funktionieren. Der Trick sind kleine Schritte, weil die Entwicklung der Groundeffect-Autos offenbar an ihre Grenzen stößt. Ist die Formel 1 am Limit?

In der Formel 1 herrscht Stillstand. Seit dem GP Spanien hatten alle Technik-Upgrades einen Schritt seitwärts oder rückwärts zur Folge. Das steht im Widerspruch zu den Neuentwicklungen, die im Akkord das Gesicht der Autos verändern. Red Bull hat im Verlauf der Saison vier große Upgrades gebracht, Aston Martin und Toro Rosso je drei, Ferrari, Mercedes und Haas je zwei, McLaren und Sauber je eines. Aston Martin änderte sein Auto bislang in 36 Details, Red Bull in 34 und McLaren in 28.

Unsere Highlights

Am Kräfteverhältnis haben nur fünf Schritte wirklich etwas verändert. McLaren sprang mit seiner B-Version des MCL38 in Miami vom vierten auf den ersten Platz. Mercedes verwandelte seinen W15 über ein Upgrade in drei Schritten ab dem GP Kanada in ein potenzielles Siegerauto. Toro Rosso setzte sich mit seinem Miami-Paket an die Spitze des Mittelfeldes, nur um sie vier Rennen später durch einen zu gewagten Schritt in Barcelona wieder zu verlieren. Haas festigte mit Upgrades in Shanghai und Silverstone seinen siebten Platz. Alpine schwamm sich mit einem neuen Unterboden und einer Gewichtskur vom Tabellenende frei.

Pierre Wache - Red Bull - Formel 1 - 2024
Red Bull

Red-Bull-Technikdirektor Pierre Waché gibt zu, dass die Upgrades am RB20 nicht wie gewünscht funktioniert haben.

Limit auch für Red Bull erreicht

Seit fünf Grands Prix rennen die Ingenieure jedoch gegen eine Wand. Je größer der Umfang ihrer Neuentwicklungen, umso geringer der Ertrag. Und umso größer die Chance, dass man vom rechten Weg abkommt und an sich selbst zweifelt. Red Bull, Ferrari, Aston Martin und Toro Rosso ist das passiert. Ferrari und Toro Rosso sind sogar zu älteren Spezifikationen zurückgekehrt. Aston Martin versucht es gerade mit einem moderaten Neuanfang. Red Bull sucht für das, was man hat, das perfekte Set-up. McLaren-Teamchef Andrea Stella glaubt, dass die Zeit der großen Upgrades vorbei ist. Seit dem Befreiungsschlag von Miami hat McLaren nur noch streckenspezifische Flügel und Detailänderungen an das Auto gebracht. "Die Entwicklungskurve dieser Fahrzeuggeneration flacht sich deutlich ab", erklärt Stella.

Das sieht auch Red-Bull-Technikchef Pierre Waché so: "Wenn man an einem Fahrzeugkonzept drei Jahre entwickelt und das Reglement kaum Freiheiten bietet, dann nähert man sich automatisch dem Limit. Das größte Problem ist, dass die Regeln viel enger gesteckt sind als bei den alten Autos. Wir können nicht mehr tun, was wir wollen. Deshalb ist es auch schwieriger, auf Probleme zu reagieren."

In den letzten beiden Jahren war Red Bull relativ treffsicher mit seinen Upgrades. Jetzt, unter dem Druck der Konkurrenz, ist das verloren gegangen. Waché stellt gerade fest, was auch schon anderen passiert ist: "Es ist sehr einfach, mehr Abtrieb zu finden, aber sehr schwer, ihn dort zu platzieren, wo du ihn haben willst. Das erzeugt schnell Instabilität. Diese Effekte sind schwer im Windkanal oder in den Simulationen darzustellen."

Mit diesen Groundeffect-Autos könne man viele böse Überraschungen erleben, bedauert Waché. "Das Fenster, in dem unser Auto funktioniert, ist kleiner geworden. Es ist sehr schwer, das umzudrehen. Wir haben das Konzept des Autos geändert, um das Fenster zu vergrößern, haben uns aber leider ein wenig verirrt. Jetzt sind wir dabei, uns in einigen Dingen zu hinterfragen. Vielleicht kommen wir am Ende des Jahres zu dem Schluss, dass es besser gewesen wäre, das Konzept, das wir letztes Jahr hatten, weiterzuentwickeln." Red Bull erlaubt sich sogar den Luxus, auf langsamen Strecken eine Spezialversion des RB20 an den Start zu bringen. Das Standardauto ist bei hohem Kühlbedarf nicht effizient genug.

Leclerc vs. Sainz - Ferrari - GP Spanien 2024
Wilhelm

Ferrari litt nach dem Barcelona-Upgrade unter Bouncing am SF-24.

Fahrzeugbalance ist alles

Das Zauberwort ist Balance. Alle suchen nach einem Auto, das in langsamen Kurven giftig einlenkt, in schnellen aber in dezentes Untersteuern fällt, um dem Fahrer Vertrauen zu schenken. Für diesen Spagat braucht man genug Federweg an der Hinterachse, eine stabile Aerodynamik über ein gewisses Spektrum an Bodenfreiheiten, ein Heck, das sich bei hohen Geschwindigkeiten absenkt, und einen Frontflügel, der sich ab einer bestimmten Last verbiegt, verdreht oder an den Enden nach unten klappt. Jeder hat da seine eigene Technik. Red Bull fing mit den kontrolliert flexiblen Flügeln an. Ferrari hat das Prinzip über den Winter einen Schritt weiter gedreht, McLaren hat es perfektioniert. Jetzt ist auch Mercedes erfolgreich auf den Zug aufgesprungen. Aston Martin arbeitet daran.

Und trotzdem kann man noch grandios auf die Nase fallen. Groundeffect-Autos generieren den Großteil ihres Abtriebs unter dem Fahrzeug. Dementsprechend groß ist die Versuchung, auch dort nach Anpressdruck zu suchen. In der Theorie erscheint der Entwicklungsspielraum grenzenlos, doch in der Praxis ist er endlich. Weil man es schnell mit Effekten wie Bouncing oder Strömungsabriss zu tun bekommt. Die Finger davonzulassen, weil die Entwicklung viele Risiken birgt, geht aber auch nicht, stellt Charles Leclerc fest: "Du kannst nicht einfach mit dem Entwickeln in diesem Bereich aufhören. Die Auswirkungen sind zu mächtig. In die eine wie die andere Richtung."

Ferrari geht zu weit

Ferrari ist ein gutes Beispiel. Mit dem Barcelona-Upgrade kehrte das Bouncing zurück. Das Pumpen des Autos bei hohen Geschwindigkeiten stört nicht nur die Fahrer. Es erzeugt rasend schnell zu hohe Reifentemperaturen. Der Schaukeleffekt sorgt auf eine Runde in den Kurven danach für Gripverlust und im Rennen für zu starke Reifenabnutzung. Bouncing ist im Windkanal nicht darstellbar. Und auf der Rennstrecke ein Gespenst, das sich schwer greifen lässt. Weil es kein Muster gibt. "Es ist eine Frage von zwei oder drei km/h zu viel oder einem Windstoß von der falschen Seite", klagt Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur. Entsprechend schwer ist es, das Detail zu lokalisieren, das für die Instabilität verantwortlich ist.

Eine veränderte Drehung der vertikalen Leitbleche, dort ein Slot mehr oder weniger an der Kante – und schon kann das ganze Bild verrutschen. Vasseur beteuert: "Würden wir die Unterböden von Imola und Barcelona nebeneinanderlegen, würden die wenigsten einen Unterschied erkennen. Es geht um Millimeter, aber die entscheiden über Sein oder Nichtsein."

Ferrari hat sich in seiner Not auf einen Unterboden-Mix aus zwei Spezifikationen zurückgezogen. Vorne Barcelona, hinten Imola. Damit hat man das Bouncing wieder im Griff, muss aber Abtrieb opfern. Vasseur erklärt das Dilemma: "Ab einem bestimmten Punkt erzeugt mehr Abtrieb auch mehr Unruhe. Dann gewinnst du ein Zehntel, weil das Auto da und dort besser haftet, verlierst du aber drei Zehntel, weil der Fahrer dem Auto an anderen Stellen nicht mehr trauen kann."

George Russell - GP Belgien 2024
Wilhelm

Mercedes baute den neuen Unterboden in Spa wieder ab. Danach funktionierte der W15 wieder besser.

Mercedes baut Upgrade ab

Auch Mercedes merkte in Spa, dass der Weg nicht nur bergauf führt. Ein neuer Unterboden sollte im Heck mehr Anpressdruck bringen, um die letzte Schwachstelle der Silberpfeile aufzuräumen. Auf gewissen Rennstrecken werden die Hinterreifen zu heiß. Doch als die Fahrer am Freitag ihre Runden drehten, erkannten sie ihr Auto nicht wieder. Bouncing in den schnellen Passagen, Untersteuern im Mittelsektor. Sicherheitshalber kassierte Mercedes das Upgrade wieder ein. Und schon zählten Lewis Hamilton und George Russell am Sonntag zu den Sieganwärtern. Die Ingenieure vermuteten das Problem eher im Setup. Möglicherweise fuhr man am Freitag zu tief und von der Federung zu hart. In Zandvoort soll das Aero-Paket eine zweite Chance bekommen.

Aston Martin stellte auf totalen Reset. Der WM-Fünfte Aston Martin ist meilenweit von seiner Vorjahresform entfernt und präsentierte in Ungarn seine dritte große Ausbaustufe nach Suzuka und Imola. Wenn das Ergebnis der ersten beiden Auftritte mit den neuen Teilen der Maßstab ist, dann hat sich Aston Martin noch tiefer in die Krise geritten. Fernando Alonso geht trotzdem einigermaßen beruhigt in die Sommerpause. Der Altmeister hat das Gefühl, an einem Wendepunkt zu stehen: "Zum ersten Mal seit langer Zeit hat das Upgrade von Ungarn das gebracht, was die Simulationen vorhergesagt haben. Die Korrelation zwischen Windkanal und Realität stimmt wieder."

Groundeffect-Autos ausgereizt?

Die Ingenieure unter Dan Fallows hatten sich vor allem den Unterboden vorgenommen, der sie schon so oft betrogen hatte. Die Sektionen des Bodens wurden von vorne nach hinten neu angeordnet, die vertikalen Leitbleche im vorderen Bereich neu ausgerichtet. Das brachte zumindest Stabilität zurück. Die Reifen gehen nicht mehr so schnell in die Knie. Noch aber fehlt Rundenzeit. Die Aerodynamiker haben jetzt immerhin eine Basis, auf der sie aufbauen können. Alonso ist überzeugt: "Wir haben einen Weg gefunden, die Daten genauer zu deuten. Damit sollte es für uns einfacher werden, Abtrieb ohne die Nebenwirkungen zu finden."

So frustrierend es für die Ingenieure ist, schon im dritten Jahr der Groundeffect-Ära an die Grenzen zu stoßen, so gut ist der Entwicklungsstau für die Zuschauer. Die Topteams fahren auf einem Niveau. Die ersten sechs Fahrer kamen in Spa innerhalb von 9,8 Sekunden ins Ziel. Ohne ein Safety-Car, das irgendwann zwischendrin das Feld zusammengeschoben hätte. Alle vier siegreichen Marken waren vertreten.

Auch in der unteren Tabellenhälfte geht es jetzt eng zu. Den achtplatzierten Alonso trennten nur 20,7 Sekunden von Valtteri Bottas auf Rang 15. Nur der Abstand zwischen den beiden Gruppen passt nicht in das Bild einer schon lange nicht mehr erlebten Leistungsdichte: Er beträgt 40 Sekunden. Das muss nicht so bleiben. Die Verfolger haben mehr Entwicklungsspielraum und mehr Windkanalzeit. Das richtige Upgrade könnte die Lücke schnell schließen.

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AUTO MOTOR UND SPORT 20 / 2024

Erscheinungsdatum 10.09.2024

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