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Streckenrundgang Las Vegas Strip Circuit
Strip-Walk kurz nach Mitternacht

Selten wurde ein Grand Prix mit so viel Spannung erwartet. Aus guter Tradition ist auto motor und sport den Las Vegas Strip Circuit abgelaufen. Wir nehmen Sie mit auf die erste Runde.

Streckenrundgang - Formel 1 - GP Las Vegas 2023
Foto: ams

Noch nie wurde so viel Geld in ein Formel-1-Wochenende investiert. Der Grand Prix von Las Vegas ist das Rennen der Superlative. Da wirkt selbst Monte-Carlo klein. Mit dem Kauf von Land, dem Bau des Boxengebäudes und dem Aufbau der Rennstrecke vorbei an den ganzen Wahrzeichen des Spielerparadieses hat Liberty rund 600 Millionen Dollar in die Hand genommen.

Der Name der Rennstrecke ist Programm: Der Las Vegas Strip Circuit führt tatsächlich über die prachtvolle Casino-Meile der Stadt. Das ist das komplette Kontrastprogramm zu jener Strecke in Las Vegas vor 40 Jahren, die auf dem Hinterhof des Caesars Palace Hotel auf einen Parkplatz modelliert wurde. Damals fuhr man hinter dem Strip, heute auf ihm.

Unsere Highlights

Trotzdem haben wir uns bei unserer traditionellen Streckenvisite manchmal gewünscht, der Grand Prix würde auf dem alten Kurs zu einer christlichen Zeit stattfinden. Wir hätten dann nur 3,6 Kilometer unter der Wüstensonne Nevadas laufen müssen und nicht 6,2 Kilometer bei 12 Grad um Mitternacht.

Kylie Minogue - GP Las Vegas 2023
ams

Die Generalprobe der Eröffnungsshow mit Kylie Minogue verzögert den Start des Streckenrundgangs.

Die echte Minogue oder ein Double?

Es war uns natürlich eine Verpflichtung, die Strecke authentisch zu der Zeit abzulaufen, an der in den nächsten Tagen auch die Action stattfindet. Wir hatten allerdings auch keine große Wahl. In der Nacht von Dienstag auf Mitternacht war die Strecke nur zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens komplett für den Verkehr gesperrt. Und nur in dieser Zeit wurde auch die Beleuchtung eingeschaltet. Ohne das Flutlicht wäre es an manchen Stellen abseits des Strips stockdunkel gewesen.

Alles beginnt natürlich in einem Casino. Das Tuscany Hotel ist der Ankerpunkt, um ins Fahrerlager zu gelangen. Wie üblich auf Stadtkursen sind die Wege zum Ziel nicht immer direkt, sondern verschlungen. Was mir da schon aufgefallen ist – und es setzte sich über den Rest der Runde fort: Es waren kaum Leute unterwegs. In der riesigen Spielhalle des Hotels konnte man die Zocker mit einer Hand zählen. Fahren am Ende doch alle Amerikaner zu Thanksgiving lieber heim zur Familie als in Las Vegas die Sau rauszulassen?

Im Fahrerlager fällt natürlich erst einmal das Boxengebäude für 250 Millionen Dollar auf, das Liberty dort auf ein ungefähr gleich teures Stück Land gestellt hat. Der dreistöckige Bau ist gut und gerne 250 Meter lang und strahlt bei Bedarf in allen Farben. Visuelle Reize werden bei diesem Grand Prix eine besondere Rolle spielen, wie wir das bei Generalproben der Eröffnungs-Show auf der Zielgeraden und später bei unserem Rundgang erleben durften. Mit Lasern wurde eine Lichter-Show in die dunkle Nacht gezaubert. Auf einer mobilen Bühne hat Kylie Minogue für ihren Auftritt Samstag geübt. Wir fragen uns, ob es die echte Minogue oder nur ein Double war. Offenbar war es tatsächlich die Echte. In Las Vegas muss man mit allem rechnen.

Streckenrundgang - Formel 1 - GP Las Vegas 2023
ams

An der Außenseite von Kurve 3 hat Red Bull seine Logen aufgebaut. Es sind noch Tickets verfügbar.

Aus zwei Kurven vier gemacht

Der Start beginnt mit einer kleinen Verspätung. Wegen der Testläufe auf der Zielgeraden bleibt die Streckenbeleuchtung erst einmal aus. Ohne Licht keine Fotos. Als es dann endlich losgeht, fällt uns sofort die 50 Meter große Auslaufzone auf der Außenseite der ersten Kurve auf. Die Fahrer müssen für die Linkskurve aus 330 km/h auf 100 km/h runterbremsen.

Die Haarnadel geht direkt in eine Linkskurve über, die aufmacht und in der bis 230 km/h beschleunigt wird. Hier wird mit 3,9 g die höchste Querbeschleunigung erwartet. Es ist der Beginn der 1,1 Kilometer langen Gegengerade (Koval Lane), auf der jetzt mitten in der Nacht Hundertschaften von Arbeitern wuseln, um letzte Hand an die Strecke zu legen.

Die Streckengrafik schwindelt da ein bisschen, macht aus zwei Kurven vier. Es ist bei bestem Willen nicht erkennbar, warum die erste und die dritte Kurve doppelt gezählt wird. Beide haben nur einen Scheitelpunkt und ändern kaum ihrem Radius. Die Amerikaner machen das gerne auf ihren Ovalkursen. Der Kurveneingang zählt als eine Kurve, die Ausgang als eine andere.

Kurve 3 und 4 also ist Red Bull-Land. Außen verfolgen die Gäste des Teams das Rennen aus Logen, die bis zu 8.000 Dollar pro Person kosten. Innen stehen Tribünen. Da sind die Preise schon gefallen. Wofür man mal zwischen 2.000 und 2.500 Dollar auf den Tisch gelegt hat, wird jetzt auf dem Zweitmarkt für 1.200 bis 1.500 Dollar verramscht. Red-Bull-Teamchef Christian Horner bietet die Plätze in einem Radio-Spot wie Sauerbier an.

Streckenrundgang - Formel 1 - GP Las Vegas 2023
ams

Beim Einbiegen in Kurve 5 erblicken die Piloten die "Sphere" zum ersten Mal.

Ablenkung durch LED-Show

Auf der Gegengerade fällt uns am Horizont bereits die kugelförmige Sphere-Konzertarena auf, deren Außenhaut der größte LED-Bildschirm der Welt ist. Teams und Sponsoren konnten die Kugel für Werbe-Spots mieten, die im Minutentakt gezeigt werden und vermutlich noch vom Weltraum aus zu sehen sind. Yuki Tsunoda glaubt, dass der Ablenkungsfaktor des Leucht-Balls für die Fahrer gering ist: "Das Flutlicht wird so stark sein, dass es die ganzen Lichter drumherum ausblendet."

Uns nimmt das Lichterspiel fast ein bisschen die Konzentration für die 105 km/h schnelle Kurve 5, die in den technischsten und vielleicht anspruchsvollsten Streckenteil führt. Die Straße, immer eingerahmt von massiven Mauern und FIA-Sicherheitszäunen, windet sich zunächst in einer 260 km/h schnellen Linkskurve um die Sphere-Kugel herum. Mangels Platz ist wie in Indianapolis die Außenseite mit einer Safer-Barrier vor der Mauer armiert.

Noch unter Querbeschleunigung müssen die Fahrer eine 90 km/h schnelle Links/Rechts-Schikane anbremsen. Die Strecke wird hier durch flache Randsteine begrenzt. Überall sind die Farben der Spielkarten auf dem rot-weißen Anstrich aufgemalt. Als wüssten wir nicht auch so, dass Glücksspiel diese Stadt reich gemacht hat. Man könnte auf der riesigen Asphaltfläche vielleicht abkürzen, doch das gäbe dann mit Sicherheit einen Eintrag ins Streckenlimit-Sündenregister.

Streckenrundgang - Formel 1 - GP Las Vegas 2023
ams

Auf den Randsteinen sind die Farben der Spielkarten auflackiert.

Jeden Tag neue Streckenabnahme

Nach einer kurzen Gerade mündet eine weitere langsame Linkskurve in eine Vollgaspassage, in die auch die erste Sektorgrenze fällt. Entlang der Monorail-Trasse führt der Kurs zwischen dem Palazzo und dem Wynn Hotel in zwei 290 km/h schnellen Kurven hindurch. Wir laufen Zickzack durch die vielen Kranwagen, die tonnenschwere Mauerelemente samt Sicherheitszaum an ihren Bestimmungsort bewegen.

Die Nacht auf Mittwoch ist auch eine Generalprobe dafür, dass die Strecke nur für maximal acht Stunden pro Tag gesperrt ist und dazwischen an vorbestimmten Stellen immer wieder für den Verkehr freigegeben werden muss. Jedes Mal, wenn die Strecke wieder geschlossen wird und die Mauern wieder an ihrem Platz stehen, muss sie der FIA-Delegierte neu abnehmen.

Zwei Tage vor dem ersten Training ist die gesamte Strecke noch eine hektische Baustelle. Im Gegensatz zu Monte Carlo gibt es keine fest installierten Kräne, die liegengebliebene oder verunfallte Autos schnell von der Strecke heben könnten. Alles wird mit mobilen Bergefahrzeugen erledigt, die die Autos dann in Notbuchten bringen. Machen Sie sich auf viele und längere Safety-Car-Phasen gefasst.

Streckenrundgang - Formel 1 - GP Las Vegas 2023
ams

Zahlreiche Brücken führen über den Strip. Hier sollten die Piloten Flugeinlagen vermeiden.

Bitte kein Salto rückwärts

Als wir über die 115 km/h schnelle Kurve 12 nach links in den Las Vegas Boulevard einbiegen, sehen wir rechter Hand etwas abseits des Geschehens den Trump-Tower. Da hat er Pech gehabt, der so um Aufmerksamkeit bemühte Herr Ex-Präsident. Für einmal darf er nicht in erster Reihe stehen.

Der sogenannte "Strip" will dann gar nicht mehr aufhören. Ich wusste gar nicht, dass 1,9 Kilometer so lang sein können. Es geht zuerst relativ schmal, dann ab der DRS-Zone immer breiter die ganze Hotel- und Casino-Kette entlang. Rechts und links werden Treasure Island, Mirage, Palazzo, Harrahs, The Linq, Bellagio, Flamingo und The Cromwell mit ihrer Reklame um die Wette leuchten. Die Zuschauer am Streckenrand haben ein eher kurzes Vergnügen. Sie sehen die Autos mit 350 km/h an ihnen vorbeirauschen, können aber als Ablenkung zwischendurch in den Casinos dahinter ihre Dollar an den Spieltischen und Slotmaschinen loswerden.

Die Rennstrecke benutzt nur den rechten Teil des Strips. Die linke Spur bleibt für Servicefahrzeuge und Hotelzufahrten frei. Es fällt außerdem auf, dass die zehn über die Strecke verteilten Brücken teilweise gefährlich niedrig sind. Die Höhenangabe 15,6 Fuß bedeutet 4,75 Meter. Einen Salto rückwärts wie einst Mark Webber in Valencia darf man sich hier nicht erlauben. Las Vegas musste auf Forderung der Hotels und der Anwohner kurzfristig einige Behelfsbrücken über die Strecke legen, um Menschen und Autos von A nach B zu bringen.

Streckenrundgang - Formel 1 - GP Las Vegas 2023
ams

Wer in die Boxengasse will, muss durch diese Schikane.

Gefahrenstelle Boxeneinfahrt

Am Planet Hollywood Hotel erwartet die Fahrer das härteste Bremsmanöver des Kurses. Der Auslauf ist hier nur 50 Meter lang, doch am Ende mit ausreichend Tecpro abgesichert. Erneut folgt eine Gerade von fast einem Kilometer Länge, die dann in einer 315 km/h schnellen Linkskurve in die Zielgerade übergeht. Dort fehlt noch die Startampel. Immerhin sind die Startpositionen schon eingezeichnet. Der Trainingsschnellste hat 175 Meter Anlauf in die ersten Kurve. Die Fahrer der letzten Startreihe stehen noch im Zielbogen.

Rund um Start und Ziel befinden sich die gefährlichsten Streckenteile. Wer in die Box abbiegen will, muss sich rechtzeitig links einordnen und die enge Schikane in der Boxeneinfahrt früh genug anbremsen, um nicht im Boxengebäude zu landen, das hier beginnt. Noch kritischer ist die Rennlinie. Man sollte sich in der Linkskurve nicht zu weit nach innen abdrängen lassen, sonst landet man mit hoher Geschwindigkeit im Stumpf der Boxenmauer. Die beginnt just am Kurvenausgang.

Dass die FIA hier erhöhten Wert auf Sicherheit legt, zeigt die Anzahl der Tecpro-Elemente, die die beiden Stellen absichern. Vor der Boxenmauer sind es 11 hintereinander gestaffelte Lagen. Das ist Weltrekord. Wer das Boxengebäude treffen will, muss sich durch sieben Lagen Tecpro arbeiten.

Auch die Boxenausfahrt ist nicht ohne. Sie mündet direkt hinter dem Scheitelpunkt der ersten Kurve. Hier könnte es Vorfahrtsprobleme geben. In den Event Notes der FIA wird es für Einfahrt und Ausfahrt besondere Verkehrsregelungen geben.

Streckenrundgang - Formel 1 - GP Las Vegas 2023
ams

Der Boxenausgang ist sehr eng und spuckt die Fahrer direkt innen auf der Ideallinie der ersten Kurve aus. Das könnte zu heiklen Situationen führen.

Tribünenplätze mit Verpflegung

Als wir unseren Streckenrundgang abschließen, ist es 2:30 Uhr am Morgen. Alpine und Williams machen letzte Asphaltproben. Esteban Ocon und Yuki Tsunoda beginnen gerade mit ihrer Streckenvisite. Im Gegensatz zu uns auf E-Rollern. Und wir dachten immer, Formel-1-Fahrer sind fit. Obwohl uns der Asphalt glatt und rutschig vorkommt, vergibt Pirelli dem erwarteten Grip und der Rauigkeit des Belags die Note drei auf einer Skala bis fünf.

Die Kälte, vor der alle gewarnt haben, ist noch erträglich. Zumindest, wenn man sich bewegt. Wer sechs Stunden auf einer Tribüne zubringen muss, mag anders darüber denken. Deshalb werden die meisten der erwarteten 100.000 Zuschauer viel Zeit Backstage verbringen. Im Gegensatz zu allen anderen Rennstrecken kaufen die Fans mit der Tribünenkarte Essen und Trinken gleich mit.

Der Las Vegas Strip Circuit ist sicher nicht die schwierigste Rennstrecke auf Erden. 4,6 der 6,2 Kilometer bestehen aus Geraden. Hier schlägt der alte Parkplatzkurs ausnahmsweise seinen Nachfolger. Die Strecke hinter dem Caesars Palace war zwar bei den Fahrern nicht beliebt, galt aber mit den vielen unübersichtlichen mittelschnellen Kurven durchaus als Herausforderung. Viele Fahrer waren seinerzeit wegen der Hitze, den Fliehkräften und wegen der einseitigen Belastung der Nackenmuskulatur durch überdurchschnittlich viele Linkskurven bei der Zieldurchfahrt am Ende ihrer Kräfte. Das wird diesmal nicht passieren.

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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