Simulatoren für die Formel 1: Die neuesten Technik-Tricks

Neue Technik für F1-Teams
Das ist die Zukunft der Simulatoren

Veröffentlicht am 07.06.2025

Es gibt sie tatsächlich: Paralleluniversen. Nun ja, vielleicht nicht auf die Art und Weise, wie sie sich Physiker oder Sci-Fi-Autoren ausgemalt haben mögen – aber so ähnlich. Denn alles, was auf den Rennstrecken dieses Planeten passieren kann, wurde schon längst anderswo erprobt. Besonders in der Formel 1 ist die alternative Realität der Wirklichkeit oft zur gleichen Zeit sogar einen Schritt voraus. Möglich macht dies der geheime Game-Changer des modernen Motorsports: Simulatoren-Technik.

Zwar weiß jeder Fan von ihrer Existenz und ihrem gewaltigen Einfluss. Aber was nun genau dahintersteckt, gleicht einem großen Versteckspiel. In den Fabriken darf man nur selten hinten die Kulissen schauen. Hard- und Software sind ein gut gehütetes Geheimnis. Jeder Vorteil bei der Simulationsarbeit kann auf der echten Rennstrecke die entscheidenden Zehntel bringen.

Der Brite Ash Warne, der früher die Simulatoren von McLaren und Ferrari entwickelt hat und dann die Spezialfirma Dynisma gründete, erklärt: "Ein Großteil der Leute denkt an die teils sehr anspruchsvollen Videospiele, welche man auf einem besseren PC zu Hause nutzen kann. Sie bilden auch einen guten Absprungpunkt, um sich Aspekte wie die Grafik und digitale Modelle vorzustellen. Hier weichen die professionellen Systeme gar nicht so drastisch ab."

Toyota Simulator - Gazoo Racing - Köln
Toyota Gazoo Racing

Schneller als die Realität

Den größten Unterschied stellt das Bewegungssystem dar, auf dem das Chassis des entsprechenden Rennprojekts angebracht ist. Während Gaming-Fans auf dem Bürostuhl oder – bei etwas mehr Geld für das Hobby – in einem speziellen Gestell samt Rennsitz virtuelle Kurse unsicher machen, fühlen sich Profis dank der Nachbildung ihres Arbeitsgeräts deutlich realitätsnäher und komfortabler. Das ist auch bitter nötig, denn extrem viel Arbeitszeit werden sie dort und nicht auf den realen Rennstrecken verbringen.

Obwohl die digitalen Hausaufgaben allgemein eher unbeliebt sind und einige Fahrer Probleme mit der optischen Wahrnehmung haben, bleiben sie alternativlos. Testverbote, immer mehr Stadtkurse und der ganz grundsätzlich volle Terminkalender lassen Teams zu Simulatoren greifen. Selbst der nur vermeintlich bodenständige NASCAR-Kosmos setzt seit vielen Jahren auf die Systeme mit dem Zusatz "Driver-in-the-Loop" (DIL).

Abhängig von den jeweiligen Regelwerken bieten Simulatoren mehrere Anwendungsfelder. Die gängigsten sind die Vorbereitung der Piloten auf den Streckenverlauf, besonders wichtig für Rookies, und das Ausarbeiten von Setups. Im Gegensatz zu den bekannten Videospielen werden die Kurse regelmäßig upgedatet.

Dynisma-Simulatoren - 360-Grad-System für Formel 1 und Co.
Dynisma

Ohne Sim keine Update-Teile

Experte Warne beschreibt: "Je detaillierter die Strecke nachgebildet ist, desto fundierter wird das Verständnis der Fahrer und der Ingenieure für Unebenheiten. Vor Rennwochenenden erstellen Zulieferer neue Modelle, die dank Laser- und LiDAR-Technologie selbst kleinste Feinheiten enthalten."

Eine weitere Eskalationsstufe bietet, wenig überraschend, die Formel 1. Als eine der letzten Serien erlaubt die Königsklasse das stetige Weiterentwickeln ihrer Autos. Bei diesem Prozess sind die Simulatoren ebenfalls involviert. Daten aus Computerberechnungen (z. B. CFD) und dem Windkanal können problemlos in das digitale Rennwagen-Modell überführt werden. Lange bevor ein neuer Carbon-Frontflügel gebacken wird, ist er schon an den virtuellen Renner gesteckt.

Die Notwendigkeit des Erprobens mit einem echten Fahrer hat einen ganz natürlichen Grund. Während der Computer immer am Limit agiert und keine Befindlichkeiten besitzt, kann der Pilot sinnvolle Aussagen über die Fahrbarkeit treffen. Vereinfacht gesagt: Was hilft ein theoretisch schnelleres Update, wenn es praktisch nach wenigen Kilometern samt Auto im Kiesbett landet? Fachmann Warne spricht aus Erfahrung: "Die Teams haben zu Recht hohes Vertrauen in diese Ergebnisse. Sie brachten häufig genug den Unterschied."

Dynisma-Simulatoren - 360-Grad-System für Formel 1 und Co.
Dynisma

Revolutionäre Bewegungstechnik

Der Simulator hilft nicht nur dabei, Fahrer zu trainieren und Upgrades zu evaluieren, sondern auch bei der regulären Setuparbeit – sowohl vor dem Wochenende als auch parallel dazu. Wann immer die Formel-1-Mannschaften einen Grand Prix bestreiten, sitzt gleichzeitig ein Testfahrer im Simulator. Zum Abgleich der neuesten Daten drehen die Piloten Runde um Runde – häufig bis in die Nacht und sogar den Morgen des folgenden Tages hinein. Egal, ob echt oder virtuell: Jeder Kilometer zählt.

Was wird die Zukunft der Mitte der 2000er aufgekommenen Technik bringen, Herr Warne? "In den letzten fünf Jahren haben die Bewegungsgeneratoren, wie wir sie bei Dynisma entwickeln, riesige Schritte gemacht. Das Ziel ist, dass der Fahrer seine Inputs bei der Lenkung und den Pedalen ohne jegliche Verzögerung spürt. Simuliertes Übersteuern stellt ein gutes Beispiel für die Relevanz dar: Bereits Millisekunden, die im System verloren gehen, reichen aus, dass sich der Fahrer verschätzt und dreht." In der Folge könnten relevante Daten verwässert werden, und Potenzial wäre verschenkt.

Dieser Fortschritt basiert auf einer größeren Spezialisierung. "Frühere Systeme nutzten Erkenntnisse der Robotik und von Flugsimulatoren. Beide Anwendungsfelder passen aber nicht perfekt zu den Eigenheiten des Fahrens. Die konstante Verbindung mit dem Boden und die Abhängigkeit von Reifen lassen den Piloten sehr speziell spüren, was passiert. Unser System hat das fokussiert", so Warne.

Dynisma-Simulatoren - 360-Grad-System für Formel 1 und Co.
Dynisma

Droht Mensch vs. Maschine?

Dynismas noch in der Entwicklung befindliches Topmodell namens DMG-360XY, für das ein hoher einstelliger Millionenbetrag fällig wird, kombiniert das Stelzenprinzip mit Schienen und einer 360-Grad-Bildfläche. Bis auf G-Kräfte und die Feinheiten des Wetters steht das Digitale der Realität kaum noch nach.

Müssen sich die Fahrer der Zukunft also Sorgen machen, dass die virtuelle Perfektion ihren Job extrem langweilig macht? Zumindest im Moment nicht! Der Japan-Crash von Jack Doohan war ein schmerzhafter Beleg dafür, dass die Realität doch noch anderes verlangt. Nachdem sein Pixel-Alpine die erste Kurve mit offenem DRS genommen hatte, flog das Original dort in gleicher Konfiguration ab.

Wie wichtig weiterhin der Faktor Mensch ist, bewies Lewis Hamilton, als er beim Las-Vegas-GP 2024 den Best Case des Simulationsprogramms von Mercedes überbot. Dieses sah den heutigen Ferrari-Star auf dem vierten Rang, heraussprang allerdings die zweite Position.

Für Ash Warne stellt sich die Frage Mensch vs. Computer nicht. Seine Technik, die u. a. Ferrari für das neue F1-Reglement und Nissans Formel-E-Truppe für die Gen4-Ära nutzt, hat ein Ziel: "Sie soll Hilfestellungen bieten – nicht nur im Sport, sondern auch in der Autoindustrie. Wir bleiben immer offen für neue Revolutionen, z. B. KI." An langweilige Parallelwelten glaubt der Brite nicht.