„Eigentlich hat es angefangen wie ein ganz normales Wochenende. Den Unfall von Barrichello am Freitag hat man auch noch abgehakt. So etwas ist früher regelmäßig passiert. Aber als dann ein Unfall nach dem anderen passiert und am Samstag auch noch Roland Ratzenberger gestorben ist, da wusste man, dass mit diesem Wochenende etwas nicht stimmt. Da fragt man sich heute noch wie das geht. Zehn Jahre passiert nichts, und dann alles auf einmal.“
„Dass ich zur Beerdigung gehe, stand für mich außer Zweifel. Es war eine Frage des Abschiednehmens, des Respekts der Familie gegenüber. Das beeindruckendste Erlebnis war, welche Massen Senna bewegt hat. Ich hatte mir nach den Unfällen in Imola selbst die Frage gestellt, ob ich noch bereit war, das Risiko auf mich zu nehmen. Ich hatte ja zu dem Zeitpunkt schon einen Großteil meiner Karriere hinter mir und auch bereits diverse Unfälle überstanden. Trotzdem war die Lust am Rennfahren stärker.“
Berger nimmt Abschied von Senna
„Meine Erinnerugsfetzen an Imola sind: Wie ich am Sonntag mit Ayrton durchs Fahrerlager Richtung Fahrerbriefing gegangen bin und mit ihm über die Sicherheitsproblematik geredet habe. Wie Ayrton in der Startaufstellung mit Helm im Auto sitzt und zu mir rübergrinst, weil auf der Haupttribüne Ferrari-Fans einen Riesenwirbel für mich gemacht haben. Wie ich am Unfallort vorbeifahre und zu ihm hinschaue, wie er gerade die Mauer entlang kreiselt. Wie ich nach dem Abbruch in der Startaufstellung mit Bernie (Ecclestone) geredet habe und er mir gesagt hat: 'He is out of the car.' Was ich natürlich nicht wusste, dass er praktisch schon tot war.“

„Ich erinnere mich, wie ich nach meinem Ausfall in der Box auf der Werkbank sitze und mir gerade einer erzählt, dass es bei Ayrton nicht gut ausschaut und wie im gleichen Augenblick vor meinen Augen Mechaniker durch die Luft fliegen, nachdem sie von einem Rad von Alboreto getroffen wurden. Und dann wie ich in der Klinik in Bologna vor dem Operationstisch stand, auf dem Ayrton lag. Als ich mitgekriegt habe, dass er keine Überlebenschance mehr hat, wollte ich ihn gerne noch einmal sehen, um mich von ihm zu verabschieden.“
Senna-Ehrgeiz früh ausgebildet
„Meine erste Begegnung mit Ayrton hatte ich bei einem Formel 3-Rennen in Silverstone. Ich hatte ein Auto bei Dick Bennett gekauft. Ein Vorjahresmodell, das ein gewisser Mansilla gefahren ist. Ayrton fuhr für dieses Team. Weil ich keine Ahnung hatte, wo es in Silverstone lang ging, habe ich Dick gebeten, mir bei der Getriebeübersetzung zu helfen. Da saß Ayrton auf einer Werkzeugkiste und hat auch Übersetzungen studiert.“
„Das erste Mal richtig geredet habe ich mit ihm bei einer Party nach dem Rennen in Macau. Er kam zu mir, weil die schnellste Rennrunde offiziell mir zugestanden wurde. Tatsächlich ist Senna die Bestzeit gefahren. Ich wusste, dass da was mit der Zeitnahme nicht stimmte. Natürlich habe ich mich blöd gestellt. Er ist durch die Decke gegangen, weil er zu seinem Sieg und seiner Pole Position auch noch die schnellste Runde wollte. Dass die ein anderer kriegen sollte, ging einfach nicht in seinen Kopf rein. Da hat man schon seinen brutalen Ehrgeiz gesehen.“
„Wir waren im Prinzip die gleiche Generation. Und wir waren die Aufsteiger. Als er bei Lotus war und ich bei Ferrari lagen wir ungefähr gleichauf. Einmal hat er zugeschlagen, dann wieder ich. Das war ja auch meine Fehleinschätzung, bevor ich zu McLaren kam. Vorher hatte ich meine Teamkollegen immer relativ locker im Griff. Da dachte ich natürlich: Ayrton ist der nächste. Ich hatte seine wahre Stärke nicht auf dem Radar.“
Berger gibt den Teamplayer
„Beim ersten Rennen in Phoenix bin ich mit vielen guten Ratschlägen in den Zweikampf gegangen. Man hat mir gesagt: Im Regen ist Senna unschlagbar. Erstes Training, Regen, und ich auf dem ersten Platz vor Ayrton. Nächster Tag trocken, ich auf der Pole Position, er dahinter. Da hat er die Krise gekriegt. Wahrscheinlich hat er die ganze Nacht nicht geschlafen.“
„Für mich war das nur die Bestätigung dessen, was ich mir ausgerechnet hatte. Im Rennen lag ich vor ihm. Weil der McLaren für die Maße von Alain Prost gebaut war, konnte ich fast nicht sitzen im Cockpit. Deshalb bin ich mit den Füßen zwischen den Pedalen hängengeblieben und in den Reifenstapel geflogen. Er hat dann das Rennen gewonnen.“

„Da habe ich noch einen Moment lang geglaubt, das geht so aus wie mit Alboreto bei Ferrari. Aber es kam kann anders. Ayrton hat sich die ganze Sache angeschaut, sich meine Schwächen rausgesucht und richtig losgelegt. Ich habe mir überlegt, ob ich den Weg von Prost einschlagen und mich mit allen Mitteln wehren soll, auch politisch, indem ich das Material kritisiere oder die Stabilität im Team zerrütte, habe mich aber dann dafür entschieden, dass ich einfach besser sein muss, wenn ich ihn schlagen will.“
„Wie alle Ausnahmefahrer hatte Ayrton einen riesigen Ehrgeiz und einen krankhaft ausgeprägten Egoismus. Auch außerhalb der Strecke. Ich bin einmal mit ihm nach dem Rennen nach Hause geflogen. Mein Ziel lag auf halbem Weg. Es wäre einfacher gewesen, erst bei mir zu landen und dann weiterzufliegen. Das hätte ihn aber eine halbe Stunde gekostet. Nein, er ist erst zu seinem Ziel geflogen und hat mir den Flieger überlassen, um mich von dort zurückzubringen. Da hat er lieber sein Flugzeug zwei Stunden lang im Kreis herumgeschickt.“
McLaren-Duell am Limit
„In der Qualifikation ist keiner so nah an Ayrton rangekommen wie ich. Ich bin in Spa schon mit Vollgas durch Eau Rouge, da hat er noch herumprobiert. Er hatte mir dann gesagt, ich sei ein Irrer. Das hat aber auch ihm geholfen, weil es ihn angestachelt hat. Einmal gab es zwischen uns ein Pingpong-Spiel um die Bestzeit. Da ist er aus seinem Auto ausgestiegen, zu mir rübergekommen und hat gesagt: Wenn wir so weitermachen, bringen wir uns um.“
„In den schnellen Kurven war ich einen Tick besser. Aber in den langsamen hat er mich gekillt. Da fehlte mir die Geduld und die Disziplin, die perfekt zu fahren. Ich war feinfühliger beim Chassis-Setup, er bei der Motorabstimmung. Aber als Paket war er mir weit überlegen. Er hatte eine gute Kondition, einen guten Rennüberblick, einen wahnsinnigen Grundspeed, und er hatte viel mehr Erfahrung als ich, weil er so früh mit dem Kartfahren begonnen hatte.“
„Wenn ich alle Rennfahrer vergleiche, die ich kennengelernt habe, dann war Senna der charismatischste und der beste. Mit Abstand. Keiner war so schlau, so ehrgeizig, so konzentriert. Und das würde ich sogar auf Michael Schumacher und die heutige Generation mit Sebastian Vettel und Fernando Alonso ausweiten.“
In unserer Bildergalerie zeigen wir Ihnen zum 25. Todestag noch einmal zahlreiche unveröffentlichte Fotos aus der Karriere Ayrton Sennas. Hier ist die Übersicht mit allen Folgen unserer Zeitzeugen-Serie zum traurigen Senna-Jubiläum.