Zuletzt ist es etwas ruhiger geworden um Sebastian Vettel. Der vierfache Formel-1-Weltmeister hat sich seit seinem Formel-1-Ausstieg Ende 2022 bewusst etwas aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Das Familienleben hatte Priorität. Endlich blieb Zeit für Dinge, die während der aktiven Rennfahrerkarriere zu kurz kamen.
Mit der Formel 1 hat der Heppenheimer abgeschlossen – zumindest was die eigenen Fahrer-Ambitionen angeht. Eine kleine Tür hält sich Vettel noch für die Langstrecken-WM offen. Hier bietet der Terminkalender deutlich mehr Lücken für private Angelegenheiten. Dem Rennsport ganz den Rücken kehren will der 53-fache Grand-Prix-Sieger auf keinen Fall. Die Frage lautet nur, in welcher Rolle er sein Comeback feiert.
"Was ich wirklich vermisse, ist der Wettkampf, diese intensiven Momente, in denen wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen. Da zählt der Moment. Es gibt keine zweite Chance. Es ist sehr schwer, das in dieser Intensität im Alltag wiederzufinden", gibt Vettel zu. "Rational fällt es mir leichter zu akzeptieren, dass dieses Kapitel jetzt beendet ist. Emotional weniger. Damit schließe ich aber nicht aus, dass ich nie mehr irgendwas fahre."
Alternativ-Jobs für Sebastian Vettel
Falls es mit der aktiven Karriere hinter dem Lenkrad doch vorbei sein sollte, kam zuletzt immer wieder die Frage auf, ob Vettel einmal Helmut Marko als Talentscout und Betreuer des Junioren-Kaders bei Red Bull ersetzen könnte. Noch hat der Grazer einen Vertrag bis Ende 2026. Das Thema ist also nicht ganz akut. Richtig konkrete Gespräche über die Nachfolgeregelung hat es offenbar noch nicht gegeben.
"Ich kenne den Helmut sehr gut, und wir sind auch in Kontakt", verrät Vettel. "Wenn das wirklich konkreter werden würde, müsste ich mir erst einmal bewusst werden, was für eine Aufgabe mir da bevorstünde. Davon wäre eine Entscheidung stark abhängig. Ich bringe aufgrund meiner Erfahrung und meines Profils sicher eine gewisse Kompetenz mit."
Eine etwas weniger zeitraubende Alternative wäre, dass Vettel die Karriere eines oder mehrerer junger Rennfahrer unabhängig vom Red-Bull-Programm betreut. Sein ehemaliger Teamkollege Mark Webber ging diesen Weg. Als Mentor hat der Australier seinen Landsmann Oscar Piastri vom Formel-3-Junior bis an die Spitze der Formel-1-Fahrerwertung begleitet.

An der Formel-1-Rennstrecke lässt sich Vettel nur noch selten blicken.
Red-Bull-Talentscout oder Fahrer-Mentor?
Vettel weiß, wie wichtig solche Bezugspersonen sind: "Als junges Talent kann es extrem wertvoll sein, wenn jemand da ist, der einem helfen kann. Nicht in dem Sinne, dass er dir sagt, wo du bremst, einlenkst oder wie du den Randstein nimmst. Das muss er selber können. Wichtiger sind Ratschläge im mentalen Bereich. Die vier Fahrer, die an der Spitze der Formel 1 stehen, können alle Weltmeister werden. Am Ende wird es aber nur einer, und das hat dann auch seinen Grund."
Dabei verrät Vettel, dass er zu Beginn seiner Karriere selbst versucht hat, sich Tipps zu holen. "Ich kann mich erinnern, dass ich einmal Michael (Schumacher) angerufen hatte. Da war er schon zurückgetreten. Ich wollte von ihm wissen, wie er den ersten Sektor in Suzuka fährt, weil er da immer so stark war. Er hat geantwortet: Keine Ahnung, was soll ich dir jetzt sagen? Er hat mir dann nicht im Detail beschrieben, wie genau er die ganzen Kurven anfährt, nur dass er die Passage so gefahren ist, wie es sich für ihn richtig angefühlt hat. Darauf hat er vertraut."
Vettel ist sich bewusst, dass die Aufgabe eines Fahrer-Mentors auch viel Feingefühl verlangt: "Du kannst die Leute nicht ändern, sondern nur ihre Stärken ausbauen und an den Schwächen zu arbeiten. Du darfst auch nicht versuchen, aus einem Fahrer den nächsten Hamilton oder Schumacher zu formen. Das funktioniert nicht. Es geht eher darum, den Menschen wahrzunehmen, statt ihm zu raten, das eine abzulegen und mehr von einem anderen Charakterzug anzunehmen."

Die freie Zeit füllt Sebastian Vettel aktuell mit Umweltprojekten.
Aktiv gestalten als FIA-Präsident
Statt sich mit jungen Fahrern zu beschäftigen, könnte Vettel aber auch am ganz großen Rad drehen. Ross Brawn schlug mal vor, dass der 38-Jährige einen idealen FIA-Präsidenten abgeben würde. In dieser Position könnte der Rennfahrer nicht nur Einfluss auf Motorsport-Themen nehmen, sondern auch die Ausrichtung von generellen Mobilitätsfragen mitgestalten. Dass hier ein Interesse besteht, ist ja bekannt.
So richtig beschäftigt hat sich der Wahlschweizer mit dem Amt des Verbandschefs aber noch nicht: "Ich kenne die Aufgaben eines FIA-Präsidenten zu wenig. Aus Formel-1-Sicht kriegt man nur den einen Teil mit. Ein bisschen Verständnis habe ich, aber zu wenig, um das einzuschätzen. Es wäre unseriös, jetzt zu sagen: Ja, das kann ich mir vorstellen. Ross Brawn kann das beurteilen, weil er in seiner Position mehr Berührungspunkte mit der FIA hatte und deshalb weiß, welcher Typ Mensch für diese Position passt."
Überstürzen muss Vettel die Entscheidung nicht. Noch ist die aktive Rennfahrerkarriere ja auch noch offiziell beendet. Wer den ehrgeizigen Hessen kennt, der weiß, dass er keine halben Sachen macht. Die Fans würden sich sicher freuen, den viert-erfolgreichsten Rennfahrer aller Zeiten wieder regelmäßiger auf der Rennsportbühne zu sehen. Bleibt nur noch die Frage, was seine Familie davon hält.