FIA-Präsident Jean Todt zeigte sich bei seinem Besuch in Melbourne überrascht: „Die Pole Position von Lewis Hamilton liegt nur 1,7 Sekunden unter dem Vorjahr. Hatte man uns nicht 4 oder 5 Sekunden versprochen?“ Man hatte. Aber nicht auf jeder Strecke. Melbourne ist viel Stop-and-Go. Da die Top-Speeds auf der Geraden überraschenderweise gleich geblieben sind, verteilen sich die 1,649 Sekunden Zeitgewinn auf die 16 Kurven. Macht im Schnitt 0,103 Sekunden pro Kurve.
Auch der absolute Melbourne-Rekord wurde geschlagen. Sebastian Vettel stellte ihn 2011 mit seiner Pole Position von 1.23,529 Minuten auf. Hamilton unterbot den Wert um 1,341 Sekunden. Der Rundenrekord im Rennen liegt trotz breiter Autos und breiter Reifen in weiter Ferne. Michael Schumacher stellte ihn 2004 mit 1.24,125 Minuten auf. Kimi Räikkönen schaffte 13 Jahre später nur 1.26,538 Sekunden.
Wie erklärt sich das? 2004 brachte ein Reifenkrieg weichere Mischungen hervor und Tankstopps sorgten dafür, das ständig mit wenig Sprit im Tank und frischen Reifen gefahren wurde.
Nur Regen kann Pole-Rekorde verhindern
Im Training zeigt sich das wahre Gesicht. Das ist der pure, unverfälschte Speed. Wobei die Autos von 2003 bis 2009 benachteiligt sind. Damals qualifizierten sich die Fahrer mit der Spritmenge an Bord, die sie für den ersten Stint eingeplant hatten. Die Autos waren allerdings auch über 100 Kilogramm leichter als heute.
2017 werden alle Rekorde fallen. Sie überleben nur, wenn es regnet. Die beliebte Stammtischfrage, was bis jetzt die schnellsten Formel 1-Autos aller Zeiten waren, lässt sich so einfach nicht beantworten. Die Königsklasse hat so viele Regeländerungen hinter sich, dass nicht eine Epoche die schnellsten Autos auf allen Strecken hervorgebracht hat.
Für diese Saison wurden zum ersten Mal Regeln mit der Absicht geschrieben, die Autos schneller zu machen. Die Autos haben bis zu 30 Prozent mehr Abtrieb, die Reifen 25 Prozent mehr Auflagefläche und die besten Motoren liegen bei rund 970 PS Systemleistung. Und die ist in der Qualifikationsrunde fast auf allen Strecken in voller Länge verfügbar.
Die FIA bremst, die Autos wurden schneller
Mit Einführung der Dreiliter-Formel 1966 hatte der Automobilverband in regelmäßigen Abständen ein Problem. Die Autos wurden immer schneller. Deshalb musste alle Jahre nachjustiert werden. Mal mehr, mal weniger. Die Fahrzeug-Konstrukteure erfanden den Groundeffect. Die Motorenhersteller setzten auf Turbo-Motoren. Der Groundeffect wurde begraben, die Turbo-Motoren verboten.
Elektronische Fahrhilfen kamen und gingen. Die Saugmotoren legten immer mehr an Leistung zu, obwohl die FIA 1995 den Hubraum von 3,5 auf 3 Liter kappte. Auch Max Mosleys Rillenreifen und die Reduzierung auf 1.80 Meter Fahrzeugbreite war nur kurzfristig von Erfolg gekrönt. Zwischen 2002 und 2005 wurden die schnellsten Autos auf die Räder gestellt, die die Formel 1 je gesehen hatte. Jeder Zentimeter auf der Verkleidung hatte eine aerodynamische Funktion. Und die besten Zehnzylinder gaben über 950 PS ab.
Auch die Einführung von 2,4 Liter V8-Motoren 2006 und ein Aerodynamik-Kahlschlag 2009 verfehlte seine Wirkung. Dabei fielen die Motorleistung auf 750 PS und die Abtriebswerte zunächst um 20 Prozent in den Keller. Die Rückkehr zu Slicks 2009 kompensierte den Verlust. Dank aerodynamischer Tricks wie dem Doppeldiffusor, dem F-Schacht und dem angeblasenen Diffusor kehrten die Zahlen bald in die alten Bereiche zurück.
Drei Bestwerte aus dem Jahr 2004
Erst eine weitere Aerodynamik-Abrüstung und die Einführung der Hybrid-Technologie in der Saison bremsten die Autos wirkungsvoll ein. Hauptsächlich weil das Mindestgewicht zuerst um 50, dann um 60 Kilogramm stieg. Erst im dritten Jahr der Hybrid-Ära konnte die Formel 1 wieder auf Rekordjagd gehen. Auf acht der 20 aktuellen GP-Strecken fuhr die 2016er Generation im Training so schnell wie nie zuvor.
Ein Muster lässt sich nicht erkennen. Mit Sotschi, Sakhir, Baku, Spielberg, Silverstone, Singapur, Austin und Mexico-City traf es unterschiedlichste Rennstrecken. Historische Vergleiche über 10 Jahre sind nur in Sakhir, Spielberg und Silverstone möglich. Der Interlagos-Rekord fiel schon 2014. Kunststück: Sao Paulo liegt 800 Meter über dem Meer. Das bevorzugt die aktuellen Turbo-Motoren, die in der dünneren Luft gegenüber den Saugern kaum Leistungseinbußen in Kauf nehmen müssen. Dass der Bestwert von 2014 seitdem nicht mehr unterboten wurde, liegt an einem neuen Asphalt. Er hat Interlagos langsamer gemacht.
Drei Rekorde stammen noch aus der Saison 2004. Kurioserweise auf den Power-Strecken von Monza, Montreal und Shanghai. Die Aerodynamik-Tempel von Sepang und Suzuka haben 2005 und 2006 die schnellsten Autos erlebt. Die Ära der extremsten Aerodynamikauswüchse 2007 und 2008 geht interessanterweise leer aus. Dafür räumte Red Bull in seiner erfolgreichsten Zeit kräftig ab. Die Bestzeiten von Barcelona, Hungaroring und Spa stammen aus dem Jahr 2010. Monte Carlo und Abu Dhabi wurden 2011 erobert. Melbourne gehört jetzt der neuen Formel 1.
Die Testfahrten in Barcelona gaben uns bereits einen ersten Eindruck, wie es auf Strecken mit schnellen Kurven aussehen könnte. Kimi Räikkönens Bestzeit von 1.18,634 Minuten lag 3,4 Sekunden unter der Pole Position von 2016. Allerdings nur 1,3 Sekunden unter der schnellsten Qualifikationsrunde von Mark Webber im Jahr 2011.
In der Galerie zeigen wir Ihnen die Bilder der Autos und Piloten der jeweiligen Rekordrunden.
Die Rekorde der Formel 1