Sauber-Teamchef warnt: "Ohne Regen wäre es eine andere Story"

Sauber-Teamchef bremst Euphorie
„Ohne Regen wäre es eine andere Story“

GP Großbritannien 2025
Veröffentlicht am 08.07.2025

Nico Hülkenberg selbst konnte nach dem Rennen noch gar nicht richtig realisieren, welches Kunststück ihm da in Silverstone gelungen war. Der Rheinländer umarmte einfach jeden, der ihm zum Gratulieren vor die Nase lief. "Es hat so ausgesehen, als stand Nico selbst unter Schock, als ich vor dem Podium kurz mit ihm gesprochen habe", verriet Teamchef Jonathan Wheatley.

24 Stunden nach der Sause an der Strecke ging der Glückwunschmarathon von Hülkenberg in der Fabrik in Hinwil weiter. Der Rheinländer bedankte sich bei den Ingenieuren für die harte Arbeit hinter den Kulissen. Und er bedankte sich bei den Fans für die Geduld und die langjährige Unterstützung, die jetzt zu diesem Ergebnis beigetragen hat.

Gleichzeitig warnte Hülkenberg die Sauber-Supporter aber auch, dass der Aufstieg wohl nicht in diesem Tempo weitergeht: "Wir werden natürlich weiter Gas geben. Ich denke, das Auto ist gut genug, um erfolgreich im Mittelfeld zu kämpfen. Aber so ein Ergebnis können wir leider nicht jedes Mal erwarten."

Sauber findet Momentum

Auch Wheatley versuchte, die Euphorie nach dem Rennen irgendwie einzufangen. Der Brite ist erst seit Anfang April an Bord. Es scheint fast so, als sei mit dem ehemaligen Red-Bull-Sportdirektor auch der Erfolg zum Schweizer Team gekommen. Dabei wurden die Weichen zum aktuellen Umschwung natürlich schon viel früher gestellt.

Für den neuen Einsatzleiter kommt der Erfolg genau zum richtigen Zeitpunkt: "Wir haben schon oft gesagt, wie wichtig das Thema Momentum für ein Team ist. Es ist wichtig, dass die Leute hier selbst an das Projekt glauben. Man kann immer leicht sagen, dass wir unsere Performance steigern und aufholen und dass sich die harte Arbeit irgendwann auszahlt, aber solche Ergebnisse zeigen, dass es wahr ist."

Es scheint, als würde der Traditionsrennstall nach einer jahrelangen Durststrecke doch noch die Kurve kriegen. Angeschoben von Andreas Seidl und fortgeführt von Mattia Binotto kommt Sauber gerade noch rechtzeitig vor dem großen Audi-Einstieg in Schwung. In den letzten vier Rennen sammelte man sogar mehr WM-Punkte (35) für die Teamwertung als Red Bull (29).

Nico Hülkenberg - Sauber - GP England 2025 - Silverstone - Formel 1
Sauber

Haarnadeln auf dem Weg zum Erfolg

"Wir haben noch eine lange Reise vor uns, bis wir dort hinkommen, wo wir als Team sein müssen. Aber es ist natürlich eine großartige Stufe, die wir jetzt auf diesem Weg genommen haben", versucht Wheatley den Erfolg einzuordnen. Der neue Chef nutzte die Gelegenheit aber auch, um sein Team auf Rückschläge einzustellen: "Man darf sich unseren Plan nicht wie eine gerade Straße vorstellen. Da gibt es auch immer die ein oder andere Haarnadel-Kurve, ein paar Baustellen oder auch mal ein Stoppschild."

Wheatley verwies dabei auf die Pleite, die Sauber nur einen Tag vor Hülkenbergs Husarenritt im Qualifying eingefahren hatte. Beide Autos waren bei der Zeitenjagd schon in der ersten K.-O.-Runde gescheitert. "Mit den weicheren Mischungen C4 und C5 haben wir immer noch Schwierigkeiten. Und wir hatten nicht das Gefühl, dass diese Strecke uns liegt. Aber in schwierigen Zeiten zeigen sich große Männer. Nico hat ein unglaubliches Rennen abgeliefert. Und er hatte ein Rennauto, mit dem er kämpfen konnte."

Auch die besonderen Bedingungen am Sonntag haben laut Wheatley bei der Fahrt aufs Podium eine wichtige Rolle gespielt: "Hätten wir ein trockenes Rennen gehabt, wäre das Interesse an meinen Aussagen sicher nicht so groß gewesen", grinste er den Reportern in seiner Fragerunde entgegen. "Wir müssen den Ball flach halten. Es ist richtig, dass wir bei der Performance zugelegt haben. Seit Barcelona fühlen sich beide Fahrer deutlich wohler im Auto. Mal abwarten, was in Spa passiert."

Jonathan Wheatley & Toto Wolff - Sauber - GP England 2025 - Silverstone - Formel 1
Sauber

Last fällt von Hülkenberg ab

Statt das Auto zu feiern, schrieb der Teamchef den Erfolg lieber dem Fahrer in die Schuhe. Wheatley sang ein wahres Loblied auf seinen deutschen Punktelieferanten. "Das war eine der besten Leistungen, die ich jemals von einem Fahrer in Silverstone gesehen habe. Das ist echt etwas verrückt, dass wir jetzt erst seine Premiere auf dem Podium feiern. Es fühlt sich so an, als hätte er schon so viele Podestplätze in seiner Karriere einfahren müssen. Er hat hier seine ganze Klasse gezeigt."

Für Wheatley kam es aber nicht überraschend, dass nun endlich der Knoten geplatzt ist: "Ich habe ihn schon sehr lange als außergewöhnliches Talent angesehen. Das habe ich auch vorher schon immer gesagt. In Silverstone hat er nochmal gezeigt, zu was er fähig ist. Für ihn ist das ein echter Meilenstein. Da ist sicher eine Last von ihm abgefallen. Wenn er das richtige Auto in den richtigen Umständen hat, dann liefert er das Ergebnis auch ab. Ich habe keinen Zweifel, dass er auch Rennen gewinnen kann."

Dass der letzte Boxenstopp etwas verpatzt wurde, änderte zum Glück nichts am Ergebnis. Vom Kommandostand zitterte Wheatley mit seinen Mechanikern mit: "Da haben wohl auch die Nerven eine Rolle mitgespielt. Wir sind ja immer noch ein junges Team, das sich erst einspielen muss. Ich habe so eine Reise schon einmal mitgemacht. Es braucht immer ein wenig Zeit, bis sich alle wohlfühlen und das nötige Selbstvertrauen haben."

Im ganzen Jubel um Hülkenberg vergaß Wheatley nicht, seinen zweiten Fahrer zu erwähnen. Bortoleto war schon früh im Rennen ausgefallen. Mit Slicks auf einer feuchten Strecke endete der Grand Prix für den Rookie vorzeitig im Kies. "Gabriel ist geblieben und hat mitgeholfen. Auch sein Renningenieur hat sich eingeschaltet und wertvolle Tipps gegeben. Andere hätten vielleicht den Laptop eingeklappt und wären gegangen. Hier bildet sich langsam ein richtiger Teamgeist, der immer stärker wird. Gabriel hat eine tolle Arbeitseinstellung. Er ist so lernbegierig, saugt von überall Informationen auf. Dass er das Rennen am Funk verfolgt und bei der Kommunikation von Nico zugehört hat, macht ihn sicher noch stärker."