Den großen Aufschwung bei Sauber hatte man eigentlich schon früher erwartet. Nach einigen guten Upgrades auf der Zielgerade der Vorsaison schien sich der Rennstall in der Winterpause auf dem richtigen Weg zu befinden. Doch der Aufwärtstrend setzte sich zum Start der aktuellen Spielzeit nicht fort.
Nico Hülkenberg konnte zwar beim Auftakt in Melbourne punkten, profitierte dabei aber vor allem vom Wetterchaos. Anschließend ging Sauber sieben Mal in Folge leer aus. Auch die ersten Upgrades wollten nicht so recht zünden, wie Teamchef Jonathan Wheatley zugab: "Wir mussten den C45 erst einmal verstehen lernen und konnten zunächst leider nicht die erhofften Fortschritte erzielen."
Der neue starke Mann in Hinwil stieß erst Anfang April beim Rennen in Suzuka zum Traditionsteam. Nach 18 erfolgreichen Jahren bei Red Bull musste sich der Engländer erst einmal daran gewöhnen, kleinere Brötchen zu backen. Doch hinter den Kulissen wurde der Aufbau des Rennstalls emsig vorangetrieben. Im Gegensatz zu den meisten anderen Teams präsentierte Sauber sein erstes großes Upgrade-Paket nicht beim Europa-Auftakt in Imola, sondern erst in Barcelona.
Werkzeuge funktionieren
Das Warten sollte sich für die Piloten lohnen. Im freien Training kam zunächst Nico Hülkenberg in den Genuss der neuen Teile. Gabriel Bortoleto drehte noch mit dem alten Paket seine Runden, um Vergleichsdaten zu sammeln. Der Brasilianer stieg erst am Samstag auf das Facelift um. "Der direkte Vergleich hat gezeigt, dass die Korrelation passt. Man kann jetzt schon sagen, dass unsere Werkzeuge endlich wieder funktionieren", zeigte sich Wheatley erleichtert.
Im Qualifying lagen beide Piloten auf Kurs für die zweite K.-o.-Runde. Im eng gestaffelten Mittelfeld verpasste Hülkenberg den Q2-Aufstieg dann jedoch durch einen kleinen Fehler im letzten Sektor. Mit viel Wut im Bauch hieß es im Rennen volle Attacke. Eine starke Startrunde und ein früher erster Boxenstopp brachten den Routinier in die Top 10. Diese Position konnte er auf dem langen Mittelstint auf Medium-Reifen auch locker verteidigen.
Durch den frühen Ausfall im Qualifying hatte Hülkenberg für den Schlussspurt nach der Safety-Car-Phase noch einen frischen Satz Softs in der Hinterhand. Mit dem Vorteil des neuen Reifens schnappte er sich Isack Hadjar und Lewis Hamilton auf der Strecke. Der Sauber flog praktisch an der Konkurrenz vorbei. "Ich musste mich kurz kneifen, um sicher zu sein, dass ich nicht träume", erinnert sich Wheatley an die dramatischen letzten Runden.

Teamchef Jonathan Wheatley konnte zuletzt einen deutlichen Aufwärtstrend beobachten.
Sauber hat wieder ein Rennauto
Die Rückversetzung von Max Verstappen spülte "Hülk" am Ende bis auf den fünften Platz. So weit vorne landete ein Sauber zuletzt beim Imola-Rennen 2022. "Das neue Paket hat richtig abgeliefert. Wir haben jetzt endlich wieder ein richtiges Rennauto. Dieses Gefühl hatte ich nun zum ersten Mal seit meiner Ankunft bei Sauber. Und es ist ein tolles Gefühl", strahlte Wheatley.
Beide Fahrer gaben nach dem Wechsel auf die neuen Teile ein identisch lobendes Feedback ab. Der C45 gibt den Piloten jetzt mehr Vertrauen, was sich auch positiv auf den Reifenverschleiß auswirkt. Der Teamchef hofft, dass damit die Talsohle durchschritten ist: "Für die Moral ist das sehr wertvoll. Wir wissen, zu was wir fähig sind. Aber in der letzten Zeit hatten wir nicht immer das Glück. Ich hoffe, dass wir damit noch mal einen Schub bekommen."
Die Gala auf einem anspruchsvollen Kurs wie Barcelona sieht Wheatley als gutes Zeichen. "Ich komme seit 1991 hierher. Diese Strecke ist ein echter Test für die Gesamtperformance eines Rennautos. Wer hier gut ist, wird das auch auf vielen anderen Strecken sein. Kanada erwarte ich aber nicht ganz so einfach. Wenn wir da ebenfalls gut aussehen, dann können wir uns wirklich auf den Rest der Saison freuen."

In Neuburg und Hinwil wird der Audi-Einstieg 2026 mit großen Schritten vorangetrieben.
Audi-Countdown tickt
Auch in Ingolstadt wird man die Leistungssteigerung mit Erleichterung verfolgt haben. Der Countdown bis zur Umwandlung in das Audi-Werksteam tickt unerbittlich. 15 Rennen bleiben der Mannschaft noch, um zu lernen und sich zu steigern. Projektleiter Mattia Binotto betont immer wieder, wie wichtig die richtige Einstellung ist, um aus einem Mittelfeldteam einen Titelanwärter zu machen.
Von einer Siegermentalität war bei Sauber in den letzten Jahren nicht viel zu spüren. Deshalb dürfe man laut Binotto jetzt auch nicht nachlassen. Der Druck muss hochgehalten werden. Noch vor der Sommerpause wird ein weiteres Upgrade-Paket nachgelegt. Wheatley will aber nicht zu viel versprechen: "Wir müssen jetzt intern diskutieren, wie lange wir noch daran arbeiten wollen und wann der richtige Zeitpunkt kommt, die neuen Teile an die Strecke zu bringen."
In Hinwil arbeiten aktuell nur noch zehn Leute am letzten Sauber. Der Rest konzentriert sich schon auf das erste Formel-1-Auto von Audi. Laut Sportdirektor Inaki Rueda müssen die Verantwortlichen aber bald die Weichen für die Zukunft stellen: "Die große Frage lautet, wie man die begrenzte Windkanalzeit auf die beiden Projektgruppen verteilt. Noch lässt sich nicht sagen, wann wir komplett auf das neue Auto switchen."

Die guten Ergebnisse haben einen negativen Effekt auf die Aero-Entwicklung.
Windkanalzeit reduziert sich
Dummerweise hat der aktuelle Erfolg auch Auswirkungen auf die Entwicklungs-Ressourcen. Je weiter Sauber in der WM-Tabelle nach oben klettert, desto weniger Windkanalzeit und CFD-Runs bekommt das Team zugestanden. So will das Reglement schwachen Teams wieder nach oben helfen. Der Stand Ende Juni ist entscheidend für die zweite Hälfte des Jahres. Mit dem Erfolg in Barcelona ist Sauber vom Tabellenende schon bis auf Rang acht gesprungen.
Die Produktion neuer Teile für das alte Auto sollte dagegen kein Problem darstellen. Der große Stress mit den neuen Audi-Komponenten wartet erst nach der Sommerpause auf die Carbon-Abteilung und den Maschinenpark. Auch hier wurde in den letzten Monaten viel umstrukturiert, um auf das Niveau der Topteams zu kommen. Dazu wurde eine neue Entwicklungsfiliale im britischen Bicester eröffnet, mit der man junge englische Ingenieure anlocken will.
In einigen Bereichen ist man bereits ganz vorne dabei. So lieferten die Sauber-Schrauber in Barcelona schon zum zweiten Mal dieses Jahr den schnellsten Boxenstopp ab. Im Schnitt sind nur Ferrari und McLaren besser. Und auch an der Baustelle Strategie wird gearbeitet. Der Kommandostand hatte sich in den ersten Rennen immer wieder Kritik anhören müssen. "Wir haben es immer offen zugegeben, wenn die Strategie nicht passte", sagt Wheatley. "Es gab aber nie Panik. Wir müssen ja nichts übers Knie brechen. Wir wissen, wie viel Zeit uns noch bleibt. In Barcelona haben wir taktisch die beste Leistung des Jahres gezeigt."

Audi-Projektleiter Mattia Binotto will den Fans für 2026 nicht zu viel versprechen.
Wie gut ist der Audi-Motor?
Damit bleibt vor dem Start in Audis Formel-1-Abenteuer nur noch eine einzige Frage offen: Wie konkurrenzfähig ist der neue Motor, der aktuell in Neuburg entwickelt wird? Viele Experten erwarten, dass der Antrieb zu Beginn des nächsten Reglementzyklus die wichtigste Rolle spielt – wie es schon zu Beginn der aktuellen Hybridformel 2014 der Fall war.
Binotto versucht den Ball flach zu halten. Gegenüber Motorsport.com stapelte der Italiener tief: "Wir wissen, dass wir 2026 noch nicht ganz oben stehen werden. Wir werden auch nicht die beste Power Unit haben. Aber der Weg, auf dem wir uns befinden, ist der richtige. Davon bin ich überzeugt. Wir werden uns ganz auf uns konzentrieren."