Bricht die 400 km/h-Schallmauer? Topspeed-Rekorde sollen 2026 pulverisiert werden

Ausblick auf die Formel-1-Autos ab 2026
Topspeed bis zu 400 km/h

ArtikeldatumVeröffentlicht am 22.08.2025
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Wer wissen will, wie die nächste Generation der Formel-1-Autos 2026 aussieht, muss sich mit Computeranimationen der FIA begnügen. Darauf sind Autos zu erkennen, die kürzer, schmaler und kompakter sind. Die Frontflügel sind stärker geschwungen, mit einem Flap-Element weniger. Die Heckflügel weniger mächtig, mit einem Element mehr. Der Beam-Wing verschwindet. Genauso die mächtigen Venturi-Kanäle am vorderen Ende des Unterbodens. Dort, wo der Boden heute ansteigt, ragt auf beiden Seiten eine lange Zunge nach vorne, auf der komplexe Leitbleche angebracht werden dürfen. Fast so wie die Barge-Boards in der Ära vor den Groundeffect-Autos.

Mercedes-Technikchef James Allison zeichnet ein Bild: "Es sind Autos mit einem flachen Unterboden und einer Stufe in der Mitte. Man kann sie an den Seiten nicht mehr so stark versiegeln wie die aktuellen Autos. Deshalb ist es schwieriger, die Unterdruckzone unter dem Auto aufrechtzuerhalten. Der Venturi-Effekt wird geringer ausfallen. Trotzdem sind die 2026er-Autos kein Abbild von dem, was wir in der Epoche vor 2022 kennengelernt haben. Sie liegen irgendwo in der Mitte zwischen damals und heute." Die neuen Autos generieren weniger Abtrieb und die schmaleren Reifen weniger Grip. Dafür vergrößert sich das Fenster an Bodenfreiheiten, in dem die Aerodynamik funktioniert.

E-Leistung steigt auf fast 500 PS

Gleichzeitig steigt die Leistung. Die Batterie liefert bis zu 475 PS. Die besten Verbrennungsmotoren werden auf 575 PS taxiert. Wegen der dreifachen Elektropower werden die Fahrer so viel Drehmoment spüren wie noch nie zuvor in der Geschichte der Königsklasse. Die aktive Aerodynamik, die es erlaubt, auf den Geraden Front- und Heckflügel flach zu stellen, sorgt dafür, dass alle Topspeed-Rekorde fallen. Kurzum: Die neuen Autos werden langsamer in den Kurven und schneller auf den Geraden.

Das zeigt sich bereits bei den Simulationen. Mercedes-Teamchef Toto Wolff verspricht: "Wenn die volle Power abgerufen wird, kratzen wir an der 400- km/h-Grenze." Aston-Martin-Reservepilot Felipe Drugovich berichtet: "Aus den Kurven heraus schiebt das Auto an wie verrückt. Du denkst, du sitzt auf einer Rakete." Die Topspeed-Werte werden deshalb schon zur Hälfte der Geraden erzielt. Dann gehen die Antriebseinheiten in den Lademodus über, und die Fahrer segeln bis zum Bremspunkt.

Ein anderes Erlebnis für F1-Fahrer

Die ungewohnte Fahrdynamik hat bei vielen Piloten zu lautstarker Kritik geführt. Charles Leclerc bemängelte nach der ersten Bekanntschaft mit der neuen Fahrzeuggeneration: "Das macht keinen Spaß. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man da Rennen fahren soll." Max Verstappen differenzierte: "Es ist ungewohnt. Aber wir befinden uns auch noch in einem frühen Entwicklungsstadium." Toto Wolff kann die Kritik nicht verstehen: "Wie kann man etwas schlechtreden, das noch gar nicht richtig geboren ist?" Formel-1-Chef Stefano Domenicali warnt davor, voreilig das eigene Produkt zu verteufeln: "Es wird für die Fahrer ein anderes Fahrgefühl sein als das, was sie kennen. Das muss aber nicht automatisch schlechter sein. Wir werden uns alle schnell daran gewöhnen."

Auch daran, dass der Motor in Teillastbereichen mit voller Drehzahl läuft, um die überschüssige Energie in der Batterie zu speichern. Allison widerspricht den Fahrern, die jetzt schon vor Taxifahrten warnen: "Das Fahrverhalten wird angenehmer sein als bei den aktuellen Autos. Es wird weniger Balanceverschiebungen zwischen langsamen und schnellen Kurven und zwischen Einlenken und Beschleunigen geben. Es wird einfacher sein, das Unter- und Übersteuern dort zu halten, wo du es haben willst." Die Fahrer, die bereits die 2026er-Pirelli-Reifen getestet haben, berichten, dass sie die Reifen besser spüren, weil der Abtrieb relativ zum mechanischen Grip nicht mehr so dominant ist.

Alexander Albon - Williams - GP Belgien 2025 - Spa - Formel 1
xpb

Albon sieht höheren Einfluss der Piloten

Williams-Teamchef James Vowles gibt den Rat mit auf den Weg: "Hört nicht auf Fahrer, die zum ersten Mal die neuen Autos im Simulator gefahren sind! Hört auf die, die es zum fünften Mal gemacht haben!" Felipe Drugovich hat bereits einige Sitzungen Erfahrung. Er berichtet: "In den Kurven macht es richtig Spaß, weil wegen des hohen Elektroanteils immer Power da ist. Dass dir auf der zweiten Hälfte der Geraden plötzlich die Leistung runtergeht, ist gewöhnungsbedürftig."

Von wegen Langeweile im Cockpit. Alexander Albon sieht auf die Fahrer viel größere Herausforderungen zukommen als heute. Bei den aktuellen Antriebseinheiten läuft das Energiemanagement hauptsächlich im Hintergrund ab, ohne dass der Fahrer Einfluss darauf nimmt. "2026 kannst du viel mehr mitbestimmen, wie du die Power am besten einsetzt und wie du die Batterie am effizientesten lädst. Wer die Zusammenhänge am besten versteht und daraus die richtigen Dinge ableitet, hat einen Vorteil. Dieser Einfluss ist vom Reglement her so gewollt. Die FIA will, dass der Fahrer wieder eine größere Rolle spielt."

FIA verändert F1-Reglement weiter

Das 2026er-Reglement ist immer noch nicht in Stein gemeißelt. Jeden Monat bessert die FIA nach. Sie hört sich die Erfahrungen der Ingenieure und der Fahrer von den Simulationen an und versucht gegenzusteuern, wo Unheil droht. Bei der Aerodynamik versucht der Verband jedes erdenkliche Schlupfloch zu schließen, das wieder zu mehr Turbulenzen hinter dem Auto führen könnte. Zuletzt wurde an den Bremsbelüftungen und am Diffusor nachgebessert.

Das ist aus Sicht der Ingenieure mitunter ärgerlich. Die Verlegung der Kaskade von Finnen von den hinteren Bremsbelüftungen auf den Diffusor hatte zur Folge, dass die Fahrzeughöhe im Heck abgesenkt werden musste, um den gewünschten Versiegelungseffekt zwischen Boden und Hinterrad zu erreichen. "Wenn du wie wir früh und konsequent mit dem 2026er-Auto in den Windkanal gegangen bist, werfen dich solche Aktionen mehr zurück als die Teams, die später auf die neuen Autos umgestellt haben", klagt Vowles.

Auch beim Energiemanagement justiert die FIA laufend nach. Es gibt zu jeder Strecke genaue Vorgaben, wie viel Leistung abgegeben und rekuperiert werden darf. Auch mit welcher Rate die elektrische Leistung beim Laden der Batterie heruntergefahren wird. Bei 120 kW geht das in einem Rutsch. Bei 350 kW muss es in Stufen erfolgen. Sonst wäre der Leistungsabfall zu groß. Gleichzeitig müssen auf Stadtkursen PS-Exzesse verhindert werden. "Sonst fahren wir in Monte Carlo mit 350 Sachen durch den Tunnel", erklärt Audi-F1-Chef Mattia Binotto.