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Rubens Barrichello Fahrstil-Analyse
Der letzte Rechtsbremser der Formel 1

Rubens Barrichello fährt seit 1993 in der Formel 1. Mit dem Wandel der Technik änderte sich auch sein Fahrstil. Selbst das Material der Bremsscheiben nimmt Einfluss, und es hat ihn 2009 vielleicht den Titel gekostet.

Brawn GP
Foto: dpa

Die Formel 1 hat seit 1993 oft ihr Gesicht verändert. Rubens Barrichello ist immer noch da. Frischer denn je. Die 17. Saison des 37-jährigen Brasilianers war seine beste. Platz drei in der WM, zwei Siege und bis zum vorletzten Grand Prix die Chance, den Titel zu gewinnen. Barrichello hat viel erlebt bei seinen 285 GP-Starts. Rennen mit und ohne Tankstopps, mit und ohne Reifenwechsel. Slicks und Rillenreifen. 3,5-Liter-V12, Dreiliter-Zehnzylinder und 2,4- Liter-V8-Motoren. Traktionskontrolle ja und nein. Autos mit zwei und 1,80 Meter Breite. Alle Dimensionen von Front- und Heckflügeln, alle Spielarten von Unterböden. Mindestgewichte von 505 Kilogramm ohne Fahrer bis 605 Kilogramm mit.

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Barrichello musste sich oft anpassen

Jede Reglementsänderung hatte Einfluss auf das Fahrverhalten. Und Barrichello veränderte sich mit. „Ich habe meinen Fahrstil jedes Mal angepasst. Nur eines blieb gleich: Ich bin immer auf Attacke.“ Das Adaptieren des Fahrstils lernte Barrichello erst bei Ferrari, also sieben Jahre nach seinem Debüt. „Als ich nach Maranello kam, sagten sie mir: Schumacher fährt vorne mit null Vorspur. Ich habe ihnen geantwortet, dass ich so nicht fahren kann, weil mir dann das Auto zu abrupt einlenkt.“ Die Rundenzeiten zwangen Ferraris Nummer 1b zum Umdenken. „Ich war deutlich langsamer als Michael, weil ich mit Untersteuern kämpfen musste, das er nicht hatte. Also habe ich mich gezwungen, seine Fahrwerkseinstellung zu übernehmen und meine Fahrweise darauf abzustimmen.“

Wenn Barrichello seinen Fahrstil beschreibt, wählt er einen Vergleich: „Massa und Hamilton mögen ein leicht übersteuerndes Auto im ersten Teil der Kurvenfahrt. Ich brauche in der Phase ein Fahrzeug, das nicht übersteuert. Bin ich über diesen Punkt hinaus, ist mir Unter- oder Übersteuern egal. Das kriege ich dann schon irgendwie hin.“ In seinen Jahren bei Jordan und Stewart zählte Barrichello zu den Frühbremsern. „Dafür war ich auch immer der Erste auf dem Gas.“ Michael Schumacher war das glatte Gegenteil. Der Rekordweltmeister stieg extrem spät in die Eisen. Barrichellos Lektion: „Ich habe dann einen Mittelweg gewählt, eher Richtung Spätbremsen. Dafür musste ich beim Beschleunigen etwas später aufs Gas.“

Traktionskontrolle im rechten Fuß

Der Mercedes V8 passte ideal in Barrichellos Profil. „Im Vergleich dazu hat der Honda-Motor wie ein Schalter funktioniert.“ Das Verbot der Traktionskontrolle war für den Dauerbrenner aus Sao Paulo ein Segen: „Ich habe meine Traktionskontrolle im rechten Fuß. Die elektronischen Fahrhilfen waren gut für Piloten, die mit Gottvertrauen diese Technik für sich zu nutzen wussten. Michael zählte dazu.“

Der WM-Dritte ist der letzte Rechtsbremser im Feld. „Normalerweise bremse ich zu 90 Prozent mit dem rechten Fuß. Nur in Suzuka ist das Verhältnis 50 zu 50. Da gibt es viele Kurven, in denen du Gas gibst und gleichzeitig mit dem linken Fuß leicht auf der Bremse stehst, um das Auto zu stabilisieren.“

Rechtsbremsen mit Vor- und Nachteilen

Barrichello wundert sich selbst, dass er sich nie vollständig umgestellt hat. „Im Kart bremse ich nur links. Aber bei harten Bremsmanövern im Formel 1-Auto gibt mir nur der rechte Fuß das nötige Feedback vom Bremspedal. Da spüre ich besser, wann hinten die Bremsen blockieren. Mein Vorteil ist, dass ich beides kann. Es gibt Stellen, da nahm mir Jenson Button beim Bremsen Zeit ab, weil er nicht mit dem rechten Fuß von der Bremse aufs Gaspedal wechseln musste. Auf Stop-and-go-Kursen war ich besser dran, weil ich mit dem rechten Fuß beim Bremsen mehr Gefühl entwickeln kann.“

Die Bremsen haben vielleicht auch die Weltmeisterschaft entschieden. Barrichello wechselte ab dem GP England das Scheibenmaterial. Von Hitco zu Brembo. Ein kleiner Eingriff mit großem Einfluss. Die Antwort zeigt, wie kompliziert die Formel 1 geworden ist und wie sehr alles am seidenen Faden hängt: „Die Hitco-Scheiben sind für mich eigentlich ideal. Sie entwickeln sofort Biss, und die Bremswirkung lässt sich gut kontrollieren. So kann ich später bremsen. Leider haben mit diesem Material im Brawn GP die hinteren Bremsscheiben überhitzt, vor allem wenn viel Benzin an Bord war, also in der letzten Quali-Runde und im Rennen. Wir mussten deshalb die hinteren Radabdeckungen entfernen, was ein halbes Prozent Abtrieb kostete. Der Luftdruck der Reifen stieg an, was weniger Grip zur Folge hatte.“

Ausrüsterwechsel brachte Wend

Brembo hatte die Lösung. „Diese Scheiben sind nicht ganz so temperaturempfindlich. Seit ich sie verwendet habe, blieb der Luftdruck der Reifen im gewünschten Fenster, und ich konnte die Bremsbalance fahren, die ich wollte.“ Barrichello steht mit seinem Fahrstil im Reigen seiner Kollegen ziemlich einsam da. „Mein früherer Stallgefährte Martin Brundle sagte einmal zu mir: So komisch wie du fährt kein anderer.“

In Bezug auf das Anderssein ähnelt nur Alonso dem Brasilianer. „Fernando fährt wirklich ganz seltsam“, lacht Barrichello, „Er nimmt unheimlich viel Speed in die Kurve mit. Ich bin in Singapur ein paar Runden hinter ihm her gefahren und habe mich gefragt, wie er das macht. Es war so großartig, dass ich im Auto applaudieren wollte.“

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