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Rennanalyse GP Belgien 2024
Warum fehlten Mercedes 1,5 kg zum Sieg?

GP Belgien 2024

Das Rennen in Spa-Francorchamps hatte jede Menge Dramatik zu bieten – inklusive einer roten Karte für Sieger George Russell in der Nachspielzeit. Wie konnte es passieren, dass der Mercedes das Mindestgewicht nicht einhielt?

George Russell - Formel 1 - GP Belgien 2024
Foto: Motorsport Images

Warum wurde George Russell disqualifiziert?

Knapp drei Stunden durfte sich George Russell als Sieger des Belgien-GPs fühlen. Dann flatterte Post von der FIA in das E-Mail-Postfach von Mercedes. Der Silberpfeil wurde gewogen und für zu leicht befunden. Die Schiedsrichter rollten den siegreichen Rennwagen gleich auf zwei verschiedene Waagen, die aber beide zum gleichen Ergebnis kamen.

Statt dem vorgeschriebenen Mindestgewicht von 798 Kilogramm zeigte die Messung nur 796,5 Kilogramm an. Hätten die Technik-Delegierten mit Gewalt jeden Tropfen Benzin aus den Leitungen geholt, wäre das Untergewicht wohl noch etwas höher ausgefallen als anderthalb Kilo. Das machte in diesem Fall aber keinen Unterschied. Zu leicht ist zu leicht.

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Weil Mercedes auch keine strafmildernden Umstände geltend machen konnte, wie zum Beispiel verlorene Karosserieteile, konnten die FIA-Kommissare nur ein Urteil aussprechen: Russell wurde aus der Wertung genommen. Das komplette Feld rückte eine Position auf. Der Siegerpokal wanderte an Lewis Hamilton. Oscar Piastri rückte auf Rang zwei nach vorne. Der Australier reichte seinen Pokal für den dritten Platz an Charles Leclerc weiter.

George Russell - Formel 1 - GP Belgien 2024
xpb

Russell musste seinen Siegerpokal an Lewis Hamilton abgeben.

Im Fahrerlager fragten sich alle, wie Mercedes so ein einfacher Fehler unterlaufen konnte. Eine absichtliche Mogelei kann man ausschließen. Alle Autos werden im Parc Fermé gewogen. Untergewichtige Autos zu erkennen, ist eine der leichtesten Übungen für die Truppe um FIA-Chefprüfer Jo Bauer. Es muss also etwas bei den Berechnungen schiefgelaufen sein.

Möglich ist zum Beispiel, dass Russells Problem im Bereich der Reifen zu suchen ist. 34 Runden war der Tagesschnellste auf einem Satz harter Gummis unterwegs. Die Oberfläche war am Ende ordentlich abgerubbelt. Diese Strategie hatte vor dem Rennen keiner kommen sehen. Und sie war sicher nicht in die Gewichtsberechnung eingeflossen.

Zu den Besonderheiten von Spa zählt auch, dass die Piloten nach der Zieldurchfahrt direkt hinter der La-Source-Haarnadel entgegen der Fahrtrichtung in die Boxengasse einbiegen. Auf der längsten Strecke im Kalender wird traditionell auf eine zeitraubende Ehrenrunde verzichtet. Die Piloten haben somit kaum Möglichkeit, Gummischnipsel aufzusammeln, was bis zu 300 Gramm pro Reifen ausmachen kann.

Lewis Hamilton - Formel 1 - GP Belgien 2024
xpb

Nach dem Rennen werden die Autos in Spa immer durch die Boxengasse geleitet.

Der Verschleiß, zum Beispiel an der Planke unter dem Auto oder den Bremsen, muss ebenfalls korrekt einberechnet werden. Weil die Formel 1 an der Spitze so eng geworden ist, sind die Teams gezwungen, das Risiko voll ausreizen. Wolff wollte noch nicht über den genauen Übeltäter spekulieren. "Wir haben hier klar einen Fehler gemacht und werden daraus lernen. Wir müssen das nun untersuchen, um zu verstehen, was genau schieflief."

Warum setzte nur Russell auf die Einstopp-Taktik?

Die Disqualifikation überdeckte eine tolle fahrerische und strategische Leistung von Russell. Er traute sich als einziger Pilot aus der Spitzengruppe mit nur einem Stopp über die 44 Rennrunden. Dass diese Taktik nicht vorgeplant war, erkennt man am ungewöhnlich frühen Service im zehnten Umlauf. In Runde 31 machte der Pilot selbst den Vorschlag, die Box an diesem Tag nicht mehr anzusteuern.

Was sich zuerst wie eine Schnapsidee anhörte, wurde am Ende zum vermeintlichen Matchwinner. Entgegen aller Simulationen wollten die harten Reifen einfach nicht einbrechen. "Lewis wurde reingeholt, weil er gegen Leclerc und Piastri covern musste. George wollte länger draußenbleiben. Und irgendwann haben die Simulationen dann gesagt, dass es keinen Unterschied macht, ob er nochmal reinkommt oder nicht. Da haben wir uns auf den Poker eingelassen", erklärt Wolff.

George Russell - GP Belgien 2024
Motorsport Images

George Russell kam nur ein einziges Mal bei seinen Mechanikern vorbei - schon in Runde 10.

Die wärmeren Asphalttemperaturen verhinderten das Körnen der Reifen, mit dem die Teams noch im Training am Freitag kämpften. Mehr Hitze bedeutete in diesem Fall also ausnahmsweise einen geringeren Verschleiß, was nur die wenigsten vorausgesehen hatten. Dazu half Russell, dass es den Piloten unerwartet schwerfiel zu überholen. Wer in freier Luft fuhr, hatte einen großen Vorteil.

Wichtig war aber die starke Grundpace des Mercedes, mit der nach dem verkorksten Freitag keiner rechnete. "Die Ingenieursarbeit in der Fabrik in Brackley und hier an der Strecke war der Schlüssel", lobte Wolff. Ein Stück vom Erfolgskuchen konnte sich auch Simulatorfahrer Frederik Vesti abschneiden. Wolff glaubt, dass vor allem der Umbau des mechanischen Setups den Erfolg brachte. Zur Sicherheit wurden aber auch die aerodynamischen Updates abgebaut. "Wir glauben nicht, dass es am neuen Unterboden lag. Das wird interessant, wenn wir in Zandvoort wieder alle Teile ans Auto schrauben."

Warum blieb McLaren unter den Erwartungen?

Nach dem Freitagstraining hatten viele Experten McLaren ganz oben auf dem Zettel der Sieganwärter. Nach der Russell-Disqualifikation wurden es "nur" die Plätze zwei und fünf für Oscar Piastri und Lando Norris. "Ich lese immer wieder, dass wir angeblich ein überlegenes Auto hätten. Das stimmt aber nicht. Vorne fahren vier Teams fast auf einem Niveau", betonte McLaren-Teamchef Andrea Stella.

Lando Norris - Formel 1 - GP Belgien 2024
xpb

Lando Norris verlor durch einen Ausrutscher in Kurve 1 wichtige Positionen.

Allerdings musste der Italiener zugeben, dass nicht alles so lief, wie man es erwartet hatte. "Wir hatten gedacht, dass der Reifenverschleiß eine größere Rolle spielt und man leichter überholen kann. So sind wir ständig im Verkehr gefahren und konnten unseren Speed nicht zeigen." Piastri fuhr beim zweiten Boxenstopp beinahe den Mechaniker am Wagenheber über den Haufen, was zwei Sekunden und eine mögliche Schlussattacke auf Mercedes kostete.

Norris verbaute sich ein besseres Ergebnis durch eine schlechte Startrunde. Am Ausgang der Haarnadel rutschte er in den Kies, wodurch er drei Positionen einbüßte. Am Ende der langen Geraden hatte er Carlos Sainz eigentlich schon überholt. Doch nach einem Rutscher in die Auslaufzone ging der gewonnene Platz direkt wieder verloren. Anschließend hing Norris ewig hinter dem Ferrari fest.

Der WM-Zweite ging sehr selbstkritisch mit sich um: "Wegen Dummheiten wie schlechten Starts und kleinen Fehlern habe ich in den letzten drei Rennen viele Punkte abgegeben. Das sind nicht einmal schwierige Sachen. Ich wollte mich in Kurve 1 nur aus allem Ärger raushalten und nicht getroffen werden. Dann habe ich mich am Ausgang verschätzt. Ich brauche jetzt mal einen Reset in der Sommerpause."

Auch die Strategen machten Fehler. Bei der ersten Boxenstopprunde zögerte McLaren den Wechsel fünf Runden länger hinaus, in der Hoffnung, mit frischeren Reifen attackieren zu können. "Wir haben gedacht, dass Lando relativ leicht an Max (Verstappen) vorbeikommt. Aber Überholen war heute extrem schwierig, weil die DRS-Zone im Vergleich zum Vorjahr um 75 Meter verkürzt wurde. Und wegen des geringen Reifenabbaus war auch der Gripvorteil gering", bedauerte Stella.

Max Verstappen - Formel 1 - GP Belgien 2024
Motorsport Images

Max Verstappen pflügte nicht im gleichen Tempo wie in den Vorjahren durchs Feld.

Warum kam Max Verstappen nicht voran?

Schon in den letzten beiden Jahren nahm Max Verstappen seine Motorenstrafen immer in Spa, was ihn aber nicht vom Siegen abhalten konnte. Von Startplatz 11 ging es dieses Mal aber nur auf Rang vier nach vorne. Das lag einerseits am bereits erwähnten Überholproblem, andererseits ist die Spitze der Formel 1 viel enger zusammengerückt. Da lässt es sich mit einem Red Bull nicht mehr so einfach durchs Feld pflügen, obwohl Verstappen der Konkurrenz in der feuchten Qualifikation noch sechs Zehntel aufbrummte.

"Wir haben vor dem Rennen berechnet, dass die Plätze drei und fünf möglich sind. Ein Auto kam auch auf Platz fünf ins Ziel. Das andere landete aber nur auf Rang acht", grummelte Christian Horner noch bevor die Russell-Disqualifikation bekannt wurde. Damit machte der Teamchef klar, dass die Leistung von Sergio Perez nicht ausreichend war. Der Mexikaner wurde vom zweiten Startplatz immer weiter durchgereicht und konnte kein anderes Auto der vier Topteams schlagen. Sportchef Helmut Marko redete Klartext: "Das war von Checo nicht zufriedenstellend."

In der Sommerpause wird bei Red Bull die Entscheidung fallen, ob Perez ausgewechselt wird. "Wir legen unseren Fokus jetzt ganz auf die Teamwertung. McLaren hat schon wieder etwas gutgemacht. Wir brauchen zwei Fahrer, die regelmäßig punkten", sagte Horner. Nach Informationen von auto motor und sport, dürfen mit Liam Lawson und Daniel Ricciardo zwei mögliche Ersatzkandidaten am Mittwoch und Donnerstag für die Rolle vorspielen. In Imola ist ein Filmtag mit dem aktuellen Toro Rosso und ein Testtag im zwei Jahre alten Alpha Tauri angesetzt.

Charles Leclerc - Formel 1 - GP Belgien 2024
xpb

Leclerc sammelte ein paar Führungsrunden und hielt sich lange im Windschatten von Lewis Hamilton.

Warum war Ferrari besser als erwartet?

Genau wie Mercedes präsentierte sich auch Ferrari am Sonntag deutlich besser aussortiert als erwartet. Charles Leclerc hielt lange den zweiten Platz hinter Lewis Hamilton. Erst am Ende verlor er die Position an Oscar Piastri. Mit einem Kraftakt konnte der Monegasse aber den letzten Podiumsplatz gegen die deutlich stärker eingeschätzten Autos von Verstappen und Norris behaupten.

Ferrari schaffte es trotz schneller Kurven, das Bouncing in den Griff zu bekommen. Die speziellen Spa-Flügel funktionierten ebenfalls gut. Und im Rennen halfen die Bedingungen mit dem erwähnt niedrigen Reifenverschleiß. Nur die Strategie bei Carlos Sainz funktionierte nicht so gut wie geplant. Der Spanier war gegen den Strom auf harten Reifen gestartet und setzte dann erst auf den Medium.

"Im ersten Stint haben die anderen viel gemanagt", erklärte Teamchef Frederic Vasseur. "Mit den harten Reifen wurde dann im zweiten Stint ein höheres Tempo angeschlagen." Sainz konnte die Pace mit dem Medium im Mittelabschnitt aber nicht mitgehen, ohne sich den Gummi zu ruinieren. Deshalb wurde nach nur acht Runden wieder auf Hard zurückgewechselt. Am Ende hatte Sainz mit Perez nur noch einen Gegner, den er schlagen konnte.

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