Das Qualifikationsergebnis spricht Bände. Max Verstappen nur Dritter, vier Zehntel hinter der Pole-Position. Williams mit zwei Fahrern in den Top Ten. Dazu noch Valtteri Bottas und Kevin Magnussen als seltene Gäste. Gleichzeitig schafften es Lewis Hamilton und Sergio Perez nicht ins Q3, und die McLaren-Piloten scheiterten schon an der ersten K.O.-Runde.
Das Resultat spiegelt nur bedingt die Qualität der Autos wider. Der alles entscheidende Punkt war, die Reifen einerseits rechtzeitig in ihr Fenster zu bringen, ohne dass sie dabei zu körnen beginnen. Ein bisschen zu aggressiv auf der Bremse, ein paar Rutscher zu viel in den langsamen Kurven, und schon wurde der unheilige Prozess in Gang gesetzt, bei dem sich Gummistücke von der Lauffläche lösen. Der Reifen verliert dann sofort Grip, weil die Lauffläche auf ihrem eigenen Abfall rollt.
Das Körnen kam nicht aus heiterem Himmel. Pirelli und die Teams haben es erwartet. Der glatte Asphalt und die kühlen Temperaturen sind ein Treiber dafür. Je weicher die Mischung, desto schlimmer der Effekt. "Nur der harte Reifen ist einigermaßen konstant, braucht aber zu lange, bis er Betriebstemperatur hat", berichtet Pirelli-Sportchef Mario Isola. Er wird deshalb frühestens im zweiten Stint zum Einsatz kommen.

Die Reifen müssen stets im richtigen Arbeitsfenster liegen.
Körnen mehr vorne als hinten
Die Teams legten bei der Reduzierung des Körnens unterschiedliche Prioritäten. Die einen versuchten die Vorderreifen zu schützen, um auf der Bremse möglichst wenig Zeit zu verlieren, die anderen streichelten die Hinterreifen, um die Traktion zu optimieren. "Wir haben mehr Körnen an den Vorderreifen festgestellt", verrät Isola.
George Russell malte schwarz: "Wenn du das Körnen einschränken kannst, kommst du mit einem Stopp über die Distanz. Wenn nicht, musst du drei bis vier Mal an die Box. Den harten Reifen haben wir im Training noch gar nicht angefasst. Da wissen wir nicht, wie viel der verträgt. Man muss natürlich pushen, um schnell zu sein. Dabei besteht aber die Gefahr, den Reifen zu überfordern."
Die niedrigen Temperaturen und das glatte Parkett führten dazu, dass Pirelli seine Rekord-Startdrücke noch einmal um jeweils ein halbes PSI erhöhte auf jetzt 27,5 PSI vorne und 25,0 PSI hinten. Normalerweise steigt im Fahrbetrieb mit der Temperatur auch der Druck an, doch in Las Vegas hat man Probleme, dass sich der Luftdruck stabilisiert. Auf der 1,9 Kilometer langen Gerade kühlen die Reifen massiv aus. Isola: "Zwischen 35 und 40 Grad vorne und zwischen 20 und 25 Grad hinten." Auf dem noch längeren Vollgasstück in Baku sind es vorne nur 30 Grad Verlust. Das liegt an der Rauigkeit des Asphalts.

Wie oft müssen die Piloten die Boxen ansteuern?
Streckenöffnung ist wie ein Reset
Im Rennen schießen alle Beteiligten auf ein bewegliches Ziel. Alle dürfen damit rechnen, dass während des Grand Prix mehr Grip dazukommt, aber keiner weiß wie viel. Der Soft-Reifen ist eigentlich für das Rennen ungeeignet, aber er könnte laut Isola doch zum Einsatz kommen, wenn genügend Gummi auf die Bahn tapeziert wird, so dass sich die Tendenz zum Körnen verringert. "Dann kann ich mir im letzten Stint einen Soft-Reifen vorstellen."
Die tägliche Öffnung der Strecke richtet dabei den größten Schaden an. Normalerweise wäre der Gripzuwachs linear, doch wenn für 16 Stunden Fahrzeuge aller Art über Teil der Strecke rollen und der Asphalt danach wieder gereinigt wird, dann geht wieder ein Stück Grip verloren, der am Tag davor noch da war. "Das ist wie ein Reset", beschreibt Isola das Problem.
König wird sein, wer das Körnen am besten verhindert. Prinzipiell muss man wie beim Überhitzen mit spitzen Fingern fahren, doch die Techniken dafür sind anders. Man kann es auch wieder loswerden, wenn es mal eintritt. "Damit steigt aber gleichzeitig auch der Verschleiß", warnt Isola. Teams wie Ferrari, Williams und Haas sehen darin ihre große Chance. Sie haben mit Körnen weniger Schwierigkeiten als mit Überhitzen.
Der Asphalt in Las Vegas liegt in der Grip-Klasse von Baku und Monte-Carlo. Der Unterschied dazu ist, dass der Asphalt einfach noch zu neu ist. Man hätte ihn wie in Baku mit Hochdruckreinigern künstlich altern lassen können, doch das konnte man der Stadtverwaltung nicht auch noch abverlangen. So wird man wohl drei, vier Jahre warten müssen, bis der Asphalt im Spielerparadies so viel Grip liefert, dass Körnen kein Thema mehr ist.