Formel 1: Red Bull rechtfertigt Absage an Porsche

Red Bull rechtfertigt Absage an Porsche
Lieber unabhängig als in Hersteller-Hand

Zuletzt aktualisiert am 10.09.2022

Zum zweiten Mal ist die Partnerschaft gescheitert. Ende 2018 hatte Porsche bereits einen Sechszylinder-Turbomotor in Weissach auf dem Prüfstand, geriet dann aber doch noch in die Fänge des Dieselskandals. So wurde es damals nichts aus der Traumbeziehung zwischen Porsche und Red Bull, die jeden Marketing-Strategen und die Formel-1-Bosse würde jubeln lassen.

Auch der zweite Anlauf rund dreieinhalb Jahre später führte zu keiner gemeinsamen Zukunft, obwohl man näher dran war als damals. Diesmal lässt Red Bull den zweitbekanntesten Sportwagenhersteller der Welt nach Ferrari kurz vor dem Traualtar stehen. "Wir haben lange miteinander gesprochen. Vor mehr als einer Woche kamen die Verhandlungen zum Erliegen. Nichts wurde unterschrieben", sagt Red Bulls Teamchef Christian Horner.

Der 48-jährige Engländer schmückte die Absage am Abend nach dem ersten Trainingstag von Monza mit wohlwollenden Worten aus. Am Morgen zuvor hatte Porsche bereits verkündet, dass es nichts wird mit der beinahe schon beschlossenen Liaison. "Porsche ist eine großartige Firma. Wir wünschen ihnen viel Glück bei ihrem weiteren Weg, wie auch immer es für sie weitergehen mag." Gemeint ist wohl: Ob sie auch ohne uns doch noch in die Formel 1 kommen oder nicht.

Sergio Perez - Red Bull - Formel 1 - GP Italien - Monza - Freitag - 9.9.2022
Wilhelm

Porsche kein entscheidendes Puzzle-Teil

Die Traumehe schien eigentlich schon ausgemacht. Red Bull, das aktuell beste Team der Formel 1, das innerhalb von 55 Wochen eine eigene Motorenschmiede am Campus Milton Keynes hochgezogen hat, verbündet sich mit Porsche. Red Bull hat für sein Projekt in Rekordzeit Ingenieure angeworben. Inzwischen steht man bei rund 300 Mitarbeitern in der Motorabteilung. Man hat bereits den ersten Prototyp des 2026er Motors auf dem Prüfstand laufen.

Horner schwärmt von einem Komplex nach "state of the art". "Wir werden ab 2026 wie Ferrari alles unter einem Dach haben. Unsere Chassis-Ingenieure werden direkt neben den Motoren-Ingenieuren arbeiten." Er unterstreicht die hohen Investitionen, die Red Bull tätigt. "So viel wurde in England wahrscheinlich in den letzten 40 Jahren nicht mehr in eine neue Motorenfabrik gesteckt."

Und doch schien man einen Puzzle-Stein zu vermissen, den Porsche hätte einfügen können ins Gesamtkonstrukt. Red Bull Powertrains fehlt es an Expertise auf der Elektroseite der Power Unit. Und genau dieser Elektroanteil wird mit dem Motorenreglement ab 2026 hochgefahren. Dann steuern Verbrenner und Elektromaschine in etwa zu gleichen Teilen zur Gesamtleistung von rund 1.000 PS bei.

Flexibilität ein wichtiges Gut

Doch diese Rolle war Porsche zu wenig. "Prämisse war immer eine Partnerschaft auf Augenhöhe, die neben einer Motoren-Partnerschaft auch das Team umfasst", heißt es im offiziellen Statement von Porsche zur gescheiterten Partnerschaft. Der Sportwagenhersteller wollte Teamanteile. Und zwar 50 Prozent. Mit dieser Forderung nach der Hälfte des Teams ging Porsche offenbar nicht direkt in die Verhandlungen, stellte sie aber auch nicht erst im letzten Moment. Es schien nicht ausgeschlossen, dass die Red-Bull-Oberhäupter aus dem österreichischen Fuschl am See in den Deal eingehen würden.

Je länger die Verhandlungen jedoch dauerten, desto mehr schlug offenbar das Formel-1-Team Alarm. Teamchef Christian Horner, Sportchef Helmut Marko, Technik-Guru Adrian Newey und seine Gefolgschaft fürchteten um ihre Unabhängigkeit. Man sah die kurzen Entscheidungswege in Milton Keynes gefährdet.

Es ging die Angst um, dass Porsche den Freigeistern würde Ketten anlegen wollen, und sich ins Tagesgeschäft einmischt. In der Chassis-Fabrik, bei den Fahrern, bei der Auswahl der Sponsoren. Dieser Eindruck muss sich während der zahlreichen Verhandlungsrunden verfestigt haben. Da passte dem einen das Verhalten des anderen nicht. Eine Stimme aus dem Team: "Porsche wollte diktieren, dabei geht es uns nur um eins: das Gewinnen. Wir zeigen seit Jahren, dass wir das mit unserer Mannschaft und mit unseren Prozessen können."

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP Italien - Monza - Freitag - 9.9.2022
Wilhelm

Gespräche mit Honda

Teamchef Horner formuliert es so: "Wir wollten unsere Prinzipien nicht verwässern. Unsere Unabhängigkeit, die schnellen Entscheidungsprozesse und die nicht vorhandenen bürokratischen Hürden haben uns zu Erfolgen geführt." Red Bull sah sich in lange Meetings gezerrt. "Unsere Stärke ist unsere Schnelligkeit als Team. Es liegt auf der Hand, dass unsere Shareholder sich intensiv mit einem Hersteller wie Porsche beschäftigen, wenn das Interesse besteht. Am Ende sind wir gemeinsam zu dem Entschluss gekommen, dass es nicht das richtige für Red Bull ist", führt der Teamchef aus.

Red Bull wollte nicht, dass Positionen im Formel-1-Team doppelt besetzt werden. Mit einem eigenen Mitarbeiter und einem Porsche-Vertreter. Das hätte zu Dissonanzen führen können. Da bleibt man lieber unabhängig. "Als wir unsere Motorenabteilung vom Reißbrett aus aufgebaut haben, hatte Porsche etwas, wozu wir keinen Zugang hatten", erzählt Horner. Zu den Elektrobausteinen der Power Unit. "Doch unsere Sorgfältigkeitsprüfung hat ergeben, dass wir auf eigenen Beinen stehen, und auch dort gut aufgestellt sein können."

Red Bull traut sich zu, den Elektroteil notfalls selbst zu konstruieren. "Mit unserem Investment und mit unseren Zugängen können wir die Power Unit als Ganzes bauen." Die Tür für andere Partner ist allerdings nicht geschlossen. Honda arbeitet aktiv an einer Rückkehr für 2026 in die Formel 1. "Wir sind in Gesprächen", bestätigt Red Bulls Sportchef Helmut Marko.

V6-Turbo bei RB Powertrains

Doch wenn Honda, das sich Ende letzten Jahres verabschiedet hatte, ab 2026 wieder übernehmen würde, wäre es für Red Bull überflüssig gewesen, eine eigene Motorenfabrik hochzuziehen. Die Japaner brauchen bei einem möglichen Comeback keine Anlaufstelle. Man hat eine Fabrik, man hat Prüfstände und alle Werkzeuge.

Eine Parallelentwicklung bleibt Red Bull Powertrains erspart. Man kann sich voll auf den neuen F1-Motor konzentrieren. Bis 2025, also mit der aktuellen Power Unit, besteht eine Abmachung mit Honda für Zusammenbau, Wartung und Service – in der Fabrik und an der Rennstrecke. Honda macht alles. Red Bulls Motoreningenieure nichts. Sie dürfen nicht einmal die Mappings verändern, weil die IP (geistiges Eigentum) bei Honda liegt.

Red Bulls Oberhäupter machen klar, dass man den Verbrenner in Zukunft auf alle Fälle selbst bauen will. "Mechanisch sind wir da voll auf dem Weg", stellt Teamchef Horner klar. "Wenn sich bei der Batterie beispielsweise Synergien ergeben, könnten das interessante Gespräche mit Honda werden." Damit allein dürfte sich der japanische Hersteller jedoch nicht abspeisen lassen. Doch Red Bull stellt auch in diesem Fall die Unabhängigkeit an oberste Stelle. "Hersteller kommen und gehen." Notfalls will man sich die Expertise auf der Elektroseite von anderen Firmen holen. "Da gibt es ausreichend potenzielle Partner", erläutert Sportchef Marko.

Porsche F1 Concept - Mark Antar Design
Mark Antar Design

Was passiert mit Porsche?

Für Porsche war die Rolle als Junior-Partner nicht ausreichend. Und es war der Konzernführung auch nicht genug, nur Anteile an Red Bull Powertrains, nicht aber am Team zu übernehmen. Vielleicht ging die Angst um, gegen die Marketing-Macht Red Bull unterzugehen. Die Motorenentwicklung allein ist trotz Budgetdeckelung von 130 Millionen Dollar (ab 2026) kein echter Business Case. Weil die Entwicklungskosten den Verkaufspreis von 15 Millionen Dollar übersteigen. Im Fall von Red-Bull-Porsche hätte man wahrscheinlich gar keine Einspielmöglichkeiten durch ein anderes Team gehabt. Man hätte nur sich selbst und Schwesterteam Alpha Tauri ausgestattet.

Umso höher sind die Investments von Red Bull zu bewerten. Da hat man allerdings den Vorteil, über Mehreinnahmen auf der Chassis-Seite die Kosten auf der Motorenseite einzugrenzen. Von diesem Topf hätte wohl auch Porsche gerne etwas gehabt. Als Anteilseigner des Teams hätte auch Porsche die Kosten mit der Power Unit zum Teil finanzieren können.

Bleibt die Frage, ob Red Bull es ab 2026 wirklich allein durchzieht, und in diesem Fall einen konkurrenzfähigen Motor schafft. Und was mit Porsche passiert. Der geplatzte Deal ist ein Rückschlag für den neuen VW-Chef Oliver Blume, der gleichzeitig Porsche-Boss ist. Den Traum Formel 1 hat der Sportwagenhersteller noch nicht aufgegeben. "Mit den beschlossenen Reglementänderungen bleibt die Rennserie für Porsche jedoch ein attraktives Umfeld, das weiterhin beobachtet wird", heißt es in der Porsche-Pressemitteilung.

Zugriff auf Alpha Tauri wird Porsche nicht bekommen. Blieben Haas und Williams als mögliche Kandidaten. Dann müsste Porsche jedoch die Power Unit vollständig in Eigenregie bauen. Und dafür hat man aktuell nicht die Einrichtungen. Ein wildes Gerücht machte am Freitag von Monza zusätzlich die Runde: ein Bündnis zwischen dem Aston-Martin-Team und Porsche.

Aston Martin wurde bereits in der Vergangenheit mit Audi ins Gespräch gebracht, das 2026 sicher in die Formel 1 einsteigt. Doch das wäre allein schon nicht gegangen, weil mit Mercedes ein Automobil-Konkurrenz Anteile an Edelhersteller Aston Martin hält. Porsche wäre dagegen kein direkter Rivale von Mercedes. Und trotzdem klingt das alles doch eher unwahrscheinlich. Die Formel 1 wird sicher helfen, wo sie kann. Denn auch für die Königsklasse war das Scheitern zwischen Red Bull und Porsche eine Niederlage.