Vergleichen Sie den Red Bull RB21 mit seinem Vorgänger aus der gleichen Perspektive. Sie werden kaum Unterschiede feststellen. Was im Fahrerlager sofort zu zwei Spekulationen führte: Entweder ist den Red-Bull-Ingenieuren wenig eingefallen oder sie packen den großen Hammer erst in Melbourne aus.
Teamchef Christian Horner erklärt, dass weder das eine noch das andere stimmt. Dieser neue Red Bull ist viel neuer als er aussieht. Seine Geheimnisse sind unter der Verkleidung, unter dem Auto oder in seinen Strukturen versteckt. Außerdem hat er Gewicht verloren, was mehr Spielraum mit Ballast ergibt. Doch auch auf den Oberflächen hat sich laut Horner viel getan: "Wir haben praktisch jedes Teil angepasst und optimiert. Bei einem Reglement, das in seine vierte Saison geht, sind die Änderungen naturgemäß klein."
Red Bulls erster Mann stellt auch fest, dass sich die Autos ohnehin immer mehr angleichen. Der Brite stichelt gegen die Konkurrenz: "Die meisten sehen aus wie Kopien unseres Autos. Nur Ferrari ist einen anderen Weg gegangen." Der Red Bull RB21 beim Saisonstart in Melbourne wird sich zwar von der Testversion unterscheiden, er ist aber radikaler Schritt. "Die üblichen Upgrades zwischen Test und erstem Rennen", bremst der Teamchef.

Außen gibt es kaum Veränderungen, doch unter Haut haben die Red-Bull-Ingenieure viel umgebaut.
Neues Kühlkonzept schafft mehr Freiheiten
Technikdirektor Pierre Waché geht ins Detail: "Wir haben große Änderungen am Auto durchgeführt, aber die meisten sind nicht sichtbar. Das ganze Kühlsystem wurde modifiziert, weil es uns letztes Jahr in der Aerodynamik-Entwicklung stark eingeschränkt hat. Der komplette Unterboden wurde überarbeitet, um das Arbeitsfenster des Autos zu vergrößern. Dazu haben wir bei der Biegsamkeit des Frontflügels auf die Interpretation des Verbandes reagiert."
Die Kühler sind in kleineren Elementen übereinander gestaffelt. Kabel und Leitungen wurden darunter verpackt. Die Form der Seitenteile lässt erahnen, was darunter passiert ist. Das Volumen ist geschrumpft, um den Einzug auf der Unterseite noch deutlicher auszulegen.
Die Seitenwand im Untercut ist gewellt, also quasi ein Maßanzug für die Innereien. Die Aufräumarbeiten in diesem Bereich vergrößern den Platz zwischen Seitenkasten und Boden und geben den Aerodynamikern vor allem im Bereich der vorderen Venturi-Kanäle mehr Gestaltungsmöglichkeiten.
Der Boden war das wichtigste Element bei der Lösung der Schwachstellen. "Wir haben den Weg fortgesetzt, den wir in den letzten Rennen 2024 schon eingeleitet haben. Unser Ziel war es, das Arbeitsfenster zu vergrößern, das Fahrverhalten berechenbarer und konstanter werden zu lassen." Das haben die Fahrer nach dem ersten Testtag zum Teil bestätigt, obwohl Augenzeugen auf der Strecke hier und da weiter von nervösen Reaktionen des Red Bull berichteten. Das kann aber auch den starken Windböen geschuldet gewesen sein.
Red Bull-Sportchef Helmut Marko war trotzdem zufrieden mit dem ersten Arbeitstag: "Das Auto ist berechenbarer, konstanter und wieder mehr in einem Stück. Und es reagiert wieder logisch auf Setup-Änderungen." Als Beweis führt der Grazer die Longruns von Max Verstappen an. "Sie waren die besten im Feld. Vor allem mit alten Reifen waren wir schneller als McLaren und Mercedes." In der schnellsten Runde fehlte Verstappen 0,15 Sekunden auf den Tagesschnellsten Lando Norris. "Die hat er bei einem Wackler in seiner besten Runde verloren", präzisierte Marko.

Um zu erfahren, ob die Maßnahmen fruchten, müssen die Red-Bull-Ingenieure bis Melbourne warten.
Bahrain als Test für Balanceprobleme ungeeignet
Waché mahnt bei der Bewertung zur Vorsicht. "Bahrain ist keine optimale Teststrecke für das Problem, das wir abstellen wollen. Hier kommt es wegen des Layouts nur wenig zu den Balanceverschiebungen, die wir letztes Jahr hatten und es ist auch kein großes Arbeitsfenster gefragt. Erst in Melbourne werden wir wissen, wie gut wir gearbeitet haben. Dort müssen die Autos über Randsteine drüber und das Einlenken in mittelschnelle Kurven ist eine Herausforderung."
Zu den drei großen Baustellen kamen bei Red Bull viele Detailänderungen. Hinter den Stegen des Überrollbügels gibt es keine Löcher mehr. Der S-Schacht an der Seite blieb, der Einlass neben dem Halo auch. Die zwei Hutzen dahinter verschwanden schon im Laufe des letzten Jahres. Der obere Flap des Beam Wings ist nicht mehr so stark gebogen wie 2024.
Den Zahlen nach soll der neue Red Bull drei Zehntel schneller sein als der alte. Bei McLaren werden fünf Zehntel kolportiert. Doch Zahlen sind bei diesen Groundeffect-Autos oft Schall und Rauch. "Das, was der Windkanal verspricht, muss auf der Strecke auch ankommen. Und das ist nicht immer der Fall", weiß Horner aus eigener Erfahrung.
Beim Frontflügel hat Red Bull lange Politik für strengere Vorschriften in Bezug auf die Biegsamkeit gemacht. Am Saisonende ließ der Weltverband die Teams zunächst einmal wissen, dass aus Kostengründen alles bleibt, wie es 2024 war. Doch dann änderten die FIA-Techniker im Januar ihre Meinung und kündigten strengere Belastungstests ab dem neunten WM-Lauf in Spanien an. Offenbar, weil es einige Teams bei der Biegsamkeit übertrieben hatten.
Laut Horner hätte man sich die Kosten für zwei Frontflügel-Entwicklungen sparen können. "Entweder die neuen Regeln gelten ab sofort oder man lässt die alten bis zum Schluss." So oder so: Red Bull musste beim Frontflügel nachlegen. Der Vorteil, wenn das komplette Flügel-Arrangement bei höherer Last nach hinten kippt, ist einfach zu groß. Weil es das beste Mittel ist, die gewünschte Aero-Balance für langsame und schnelle Kurven anzupassen.