Der Grand Prix von Singapur war vorerst das letzte Formel-1-Rennen für Daniel Ricciardo. Der Australier muss schon in Austin seinen Platz bei Toro Rosso für Nachwuchsmann Liam Lawson räumen. Der unsanfte Rauswurf sorgte für einigen Wirbel in der Königsklasse. Ricciardo ist beliebt, ein Typ, der den Menschen über den Zirkus hinaus bekannt ist. Doch der achtfache GP-Sieger konnte seine zweite Chance bei Red Bull nicht nutzen.
Ein ähnliches Schicksal traf in der Vergangenheit schon viele Piloten. Sportchef Dr. Helmut Marko, der für den Junior-Kader verantwortlich ist, fackelte mit seinen Talenten nicht lange und tauschte gerne mal während der Saison die Fahrer aus. Nur wenige bissen sich im Haifischbecken durch, behaupteten sich in der Formel 1, gewannen Weltmeisterschaften und feierten Grand-Prix-Siege. Wir schauen noch einmal zurück, wer es gepackt hat und wer nicht.

Sebastian Vettel wurde 2010 der erste Red-Bull-Weltmeister der Geschichte.
Verstappen und Vettel holen Titel
Die Piloten aus dem Red-Bull-Programm, die in der Königsklasse die größten Erfolge feierten, heißen Sebastian Vettel und Max Verstappen. Beide holten Weltmeister-Titel für den Energy-Drink-Hersteller. Vettel jubelte von 2010 bis 2013, Verstappen feierte seit 2021 drei Titel in Serie. Vettel war auch der erste Pilot, der sowohl für das B-Team Toro Rosso als auch für Red Bull die ersten Siege holte. 2008 gelang im Regen von Monza der Sensations-Erfolg im Toro Rosso, 2009 feierte er in Shanghai den ersten Red-Bull-Triumph.
Verstappen gab 2015 sein Formel-1-Debüt bei Toro Rosso. Nachdem Daniil Kvyat vor dem GP Spanien 2016 in Ungnade gefallen war, musste der Russe sein Red-Bull-Cockpit unfreiwillig mit Verstappen tauschen. Kvyat fuhr mit Ausnahme der 2018er-Saison noch bis Ende 2020 bei Toro Rosso, kam aber nie mehr richtig auf die Beine. Zuletzt startete er für Lamborghini bei den 24 Stunden von Le Mans. Verstappens Karriere ging derweil durch die Decke. Der Niederländer gewann in Barcelona 2016 auf Anhieb sein erstes Rennen im A-Team.

Daniel Ricciardo holte sieben Grand-Prix-Siege mit Red Bull, ehe er zu Renault wechselte.
Weitere GP-Sieger ausgebildet
Mit Pierre Gasly, Carlos Sainz und dem kürzlich geschassten Daniel Ricciardo bildete Red Bull weitere Grand-Prix-Sieger aus. Gasly bekam 2019 nach starken Jahren bei Toro Rosso seine Chance im A-Team. Der Franzose wurde aber schnell von Max Verstappen entzaubert und verlor nach elf Rennen seinen Platz an Alexander Albon. Helmut Marko degradierte ihn zu Toro Rosso. Dort konnte sich der heutige Alpine-Pilot jedoch rehabilitieren. Unvergessen bleibt sein Sieg in Italien 2020, als er für das zu Alpha Tauri umbenannte B-Team den zweiten und bis heute letzten Formel-1-Sieg einfuhr.
Zweiter wurde damals Carlos Sainz im McLaren. Der Spanier war einst selbst durch die Red-Bull-Schule gegangen und zeitgleich mit Max Verstappen bei Toro Rosso in die Königsklasse eingestiegen. Sainz erhielt trotz guter Leistungen nie eine Chance beim A-Team und wechselte über die Zwischenstationen Renault und McLaren 2021 zu Ferrari. Für die Scuderia holte der nächstjährige Williams-Mann drei Grand-Prix-Siege.
Ricciardo stieg als Ersatz von Mark Webber 2014 von Toro Rosso ins A-Team auf und konnte den amtierenden Weltmeister Sebastian Vettel in seinem ersten Jahr bei den Bullen direkt schlagen. Auch mit Max Verstappen hielt der Australier gut mit. Doch nach seinem Abgang zu Renault rutschte seine Karriere in eine Sackgasse. Die nächste Station bei McLaren war trotz des Überraschungssiegs in Monza 2021 eine Enttäuschung. Nach seinem Rauswurf fing ihn Red-Bull-Teamchef Christian Horner auf. Der Job des Ersatzfahrers wurde während der Saison 2023 zum Stammplatz, als er den glücklosen Nyck de Vries ablöste, bis er nun selbst durch Lawson ersetzt wurde.

Vitantonio Liuzzi fuhr zwei Jahre für Toro Rosso, schaffte aber nie den Sprung ins A-Team.
Gescheiterte Talente
Im Vergleich zu den erfolgreichen Beispielen ist die Liste an gescheiterten Junioren deutlich länger. Scott Speed und Vitantonio Liuzzi waren 2006 und 2007 die ersten Piloten im B-Team von Toro Rosso. Speed fand nach seiner F1-Zeit im Rallycross seinen motorsportlichen Hafen. Liuzzi hatte mit Force India und HRT noch zwei weitere Teams, in denen er Formel 1 fahren durfte. Anders verliefen die Karrieren in der Königsklasse für Sébastien Buemi, Brendon Hartley, Jean-Éric Vergne und Jaime Alguersuari. Sie schafften es nach ihrer Toro-Rosso-Zeit nicht mehr zurück in die Formel 1. Buemi und Hartley etablierten sich auf der Langstrecke und feierten mehrere Siege bei den 24 Stunden von Le Mans. Vergne verschlug es in die Formel E, Alguersuari konzentrierte sich auf seine Karriere als DJ.
Anders sieht die Lage bei Alexander Albon aus. Der Thailänder wurde in jungen Jahren von Red Bull gefördert, verlor die Unterstützung aber Ende 2012. Dennoch gab ihm Helmut Marko 2019 das zweite Cockpit bei Toro Rosso. Albon überzeugte auf Anhieb und stieg noch während seiner Rookie-Saison zu Red Bull auf. Wie Vorgänger Gasly konnte er aber nicht mit Verstappen Schritt halten. Trotz zweier Podestplätze stand er Ende 2020 ohne F1-Cockpit auf der Straße. Über den Umweg der DTM kämpfte er sich 2022 zurück in die Königsklasse. Er blieb während dieser Zeit zunächst im Red-Bull-Kader. Bei Williams revitalisierte er seine Karriere und unterschrieb 2024 einen neuen Vertrag beim Traditionsteam bis 2026.

Liam Lawson hat ab Austin die Chance, den Platztausch bei Toro Rosso mit Routinier Daniel Ricciardo zu rechtfertigen.
Lawson und Hadjar in den Startlöchern
Der Fall Albon wirft auch die Frage auf, ob Red Bull seinen Piloten nicht die nötige Zeit gibt, sich in der Formel 1 zu behaupten. Teamchef Christian Horner bezog in Singapur dazu am Sky-Mikrofon Stellung: "Wir haben in der Vergangenheit vielen jungen Piloten eine Chance gegeben. Aber das Red-Bull-System verlangt gute Resultate und Leistungen. Max (Verstappen) liefert ab, Sergio (Perez) in dieser Saison nicht. Wir müssen das große Bild sehen. Wir haben viele Talente in unseren Reihen, wie Liam Lawson oder Isack Hadjar, der vor kurzem noch die Formel-2-Meisterschaft angeführt hat. Und wir haben mit Arvid Lindblad in meinen Augen ein großes Talent, das zeigt, dass wir genügend Breite und Tiefe in unserem Junioren-Programm haben." Der Engländer gestand aber auch offen, sich anderweitig umzuschauen. "George Russell ist Ende 2025 ohne Vertrag. Es wäre dumm, ihn nicht in Betracht zu ziehen. Und es gibt weitere, talentierte Fahrer, deren Verträge auslaufen."
Der Druck auf Lawson ist sofort hoch. Der Neuseeländer hat nun die Chance zu zeigen, ob er den Ansprüchen von Red Bull genügt. Isack Hadjar steht dahinter aber schon in den Startlöchern. Der Franzose könnte sogar schon 2025 einen Stammplatz bei Toro Rosso erhalten, falls Perez sein Cockpit räumen muss. Dann würde entweder der seit vier Saisons für Toro Rosso startende Yuki Tsunoda vom Junior-Team aufsteigen oder Lawson, wenn er in den verbleibenden sechs Rennen abliefert. Es kann für Lawson auch in die andere Richtung gehen. Die Vergangenheit zeigt: Als Red-Bull-Junior muss man immer mit unliebsamen Anrufen von Helmut Marko rechnen.