Historischer Vergleich: Ende der Red-Bull-Serie?

Große Siegesserien in der Formel 1
Einbruch im dritten Jahr?

Veröffentlicht am 03.02.2024

Lange Siegesserien sind immer ein Anlass, um in die Geschichte zu schauen. Gab es ähnliche Dominanz-Phasen schon einmal? Wenn ja, warum? Und wie lange haben sie angedauert? Red Bull hat in der abgelaufenen Saison 21 von 22 Rennen gewonnen und mehr Punkte gesammelt als Mercedes und Ferrari zusammen.

Es war das zweite Jahr der Überlegenheit, auch wenn Max Verstappen schon 2021 Weltmeister wurde. Doch der erste Titel war hart umkämpft, und der Pokal für das Team ging noch einmal an Mercedes. Die Selbstverständlichkeit der Red-Bull-Siege 2023 aber lässt eine längere Alleinherrschaft befürchten. So wie McLaren von 1988 bis 1991, Williams von 1995 bis 1997, Ferrari von 2001 bis 2004, Red Bull von 2010 bis 2013 und Mercedes von 2014 bis 2020.

McLaren rettet Dominanz über Regelreform

In allen vergleichbaren Fällen stellte das Weltmeister-Team auch das beste Auto im Feld. Und meistens kam zum Vorsprung durch Technik auch noch der Top-Pilot seiner Zeit dazu. Ayrton Senna und Alain Prost bei McLaren, Michael Schumacher bei Ferrari, Sebastian Vettel bei Red Bull und Lewis Hamilton bei Mercedes.

Nur Williams hatte in den 90er Jahren mit Damon Hill und Jacques Villeneuve nicht die absolute Nummer eins der 90er Fahrergeneration im Stall. Es reichte bei beiden ersten im zweiten Anlauf zum Titel. Die WM 1995 hätte Williams nie verlieren dürfen, so gut wie der FW17 damals war.

Auch McLaren ist ein Sonderfall. Der britische Rennstall rettete als einziger seine Dominanz über eine große Regelreform. McLaren hatte 1988 für die auslaufende Turbo-Ära ein Jahrhundertauto gebaut, verteidigte aber auch in den ersten drei Saugmotor-Jahren den Titel. Bei Williams, Ferrari, Red Bull und Mercedes blieben die Regeln in der Zeit ihrer Überlegenheit weitgehend stabil.

Red Bull - Max Verstappen & Sergio Perez - Meisterfoto - 2023
Red Bull

Alle wurden im dritten Jahr Weltmeister

So ist das auch jetzt der Fall. Die nächsten beiden Jahre wird mit dem Fahrzeugkonzept gefahren, das seit 2022 am Start ist. Red Bull muss von der reglementarischen Seite vorerst keine bösen Überraschungen befürchten. Das macht mit Blick auf die Geschichte keine große Hoffnung auf eine Änderung des Status quo.

Red Bull ist mit einem technischen Vorsprung in die Groundeffect-Ära gegangen und war der Konkurrenz immer einen Schritt voraus, wenn man mal den Anfang der Saison 2022 ausnimmt, als der RB18 noch deutlich zu schwer war. Anderseits scheint die Aerodynamik bei Autos, die einen großen Teil des Abtriebs mit dem Unterboden erzielen, schneller an ihre Grenzen zu geraten als bei anderen Konzepten. Das spricht dafür, dass die Konkurrenz aufholen kann.

Wie also verlief die dritte Saison bei den Seriensiegern früherer Jahre? Wenn sich Geschichte wiederholt, dann muss sich Red Bull keine Sorgen machen. Alle Vorgänger wurden auch im dritten Jahr Weltmeister. In vier von fünf Fällen mussten die Titelverteidiger aber härter darum kämpfen.

Ayrton Senna - McLaren MP4/5B - GP Australien 1990 - Adelaide
Daniel Reinhard

Verflixtes drittes Jahr für Ferrari

McLaren holte sich 1990 mit Ayrton Senna seinen dritten Konstrukteurstitel in Folge. Es war aber denkbar knapp. Der Alleinunterhalter von 1988 gewann zwei Jahre später mit 121:110 Punkten und 6:6 Siegen nur hauchdünn gegen Ferrari. John Barnards revolutionärer Entwurf des Ferrari 640 war in seinem zweiten Jahr endlich ausgereift, und mit Alain Prost saß einer im Cockpit, der Senna die Stirn bieten konnte.

Williams hatte 1996 seine Überlegenheit endlich in den Titel umgemünzt. Damon Hill gewann die Hälfte aller Rennen, Neuzugang Jacques Villeneuve weitere vier. Ferrari war 1996 noch nicht bereit und Benetton abgetaucht. 1997 machte Ferrari mit Michael Schumacher Williams das Gewinnen deutlich schwerer. Am Ende setzte sich Villeneuve in einem dramatischen Finale durch. Williams gewann acht Grand Prix, Ferrari fünf. Punktestand: 123:102 für Williams.

Ferrari begann seinen Siegeszug 2000 mit einem knappen Sieg gegen McLaren. Ab 2001 fuhren die roten Renner in einer eigenen Liga. Nur im dritten Jahr musste sich Schumacher strecken. Erst im Finale 2003 stand der Titelgewinn fest. Der Ferrari F2003-GA bekam mit McLaren und Williams-BMW wehrhafte Gegner. Das zeigt auch in der Bilanz nach Punkten mit 158:144:142 und nach Siegen mit 8:2:4.

Red Bull RB6 - Ferrari F10 - Vettel - Alonso - F1 2010
sutton-images.com

Red-Bull-Geheimnisse bekannt

Red Bull stieg 2009 vom Mitläufer zum WM-Kandidaten auf. Adrian Newey zeigte seine Handschrift. Im ersten Anlauf reichte es noch nicht zum Titel, danach dafür vier Mal hintereinander. Zwei Mal musste Sebastian Vettel um die WM-Krone bis zum letzten Rennen zittern. 2010 und 2012 war Fernando Alonso sein härtester Gegner. Auch Ferrari und McLaren hatten Siegerautos. Red Bull setzte sich 2012 mit 480:400:378 Punkten gegen Ferrari und McLaren durch. Nach Siegen stand es 7:3:7.

Nur Mercedes setzte seinen Siegeszug in der Hybrid-Ära unbeirrt fort. 2016 war noch besser als 2014 und 2015. Nico Rosberg und Lewis Hamilton gewannen 19 der 21 Rennen. Red Bull nur zwei. Das spiegelte sich auch im Punktestand mit 765:468 Zählern zugunsten der Silberpfeile wider. Das sind fast schon Dimensionen der jüngeren Red-Bull-Vergangenheit, mit dem Unterschied, dass es wenigstens einen internen Zweikampf gab.

Mercedes, Ferrari, McLaren und Aston Martin wollen dieses Jahr dafür sorgen, dass Red Bull mehr Gegenwehr bekommt. Auf dem Papier stehen die Chancen nicht schlecht. Red Bulls Gegner haben 2023 rechtzeitig gemerkt, dass die Architektur von Chassis und Getriebe dem RB19 mehr aerodynamische Freiheiten gab und sie wissen durch Überläufer, wie die Aufhängung des Wunderautos funktionierte. McLaren-Teamchef Andrea Stella warnt trotzdem: "Das schafft die Voraussetzungen, um mehr aus der Aerodynamik herauszuholen, man muss sie aber auch zu nutzen wissen."