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Pierre Gasly im Interview
„Sehe riesiges Potenzial mit Alpine“

Pierre Gasly stürzte in der vergangenen Saison vom neunten auf den 14. Rang der Fahrer-WM, Alpha Tauri von der sechsten auf die neunte Position der Team-WM. Wir sprachen mit dem Franzosen über eine komplizierte Saison, die Lehren daraus und den Wechsel zu Alpine in ein Werksteam.

Pierre Gasly - Alpine - F1-Test - Abu Dhabi - 22. November 2022
Foto: xpb

2021 haben Sie in 22 Rennen 110 Punkte gesammelt. In der abgelaufenen Saison waren es nur 23 Zähler. Überhaupt kamen Sie nur sechs Mal in die Punkte. Wie groß fällt die Enttäuschung aus?

Gasly: Dass ich enttäuscht bin, ist keine Überraschung. Ich habe mich wirklich auf diese große Regeländerung gefreut. Wir hatten ein hervorragendes Jahr 2021. Unsere Erwartungen und Ambitionen bei Alpha Tauri waren entsprechend hoch. Die Änderungen sollten das Feld näher zusammenbringen. Wir haben es alle als Chance begriffen. Leider wurde es für uns ein sehr schweres Jahr. Wahrscheinlich das schwerste überhaupt – oder ähnlich zu 2018, als ich zum Team stieß, und damals die Performance nicht da war. Als wir als Team Fehler machten.

Unsere Highlights

Lag es nur am Auto?

Gasly: Es war nicht nur schwer, ein neues Fahrzeugkonzept zu verstehen, sondern auch mit dem Budget Cap umzugehen. Das hat uns stark beeinträchtigt, wie wir operieren und entwickeln können. Es war in jedem Fall schwieriger, als wir dachten. Wir taten uns schwerer als manche Teams, die 2021 noch hinter uns lagen.

Wann war der Moment als Sie dachten: Dieses Auto ist schwerer zu fahren als angenommen, und wir können unsere gesteckten Ziele vielleicht nicht erreichen?

Gasly: Ich denke, du brauchst etwa fünf Rennen, um ein klareres Bild von deiner Performance zu zeichnen. Aber angesichts des Umbruchs in den Regeln wusste ich, dass es mehr denn je ein Entwicklungsrennen werden würde. Wo es nicht wirklich darauf ankommt, aus welcher Position du startest, sondern wie schnell du über die Saison hinweg entwickelst. Deshalb war ich anfangs nicht so besorgt, sondern hatte Hoffnung und war optimistisch, dass wir unsere Entwicklungskurve anheben könnten. Wenn wir uns McLaren als Beispiel herannehmen: In Bahrain waren sie fürchterlich langsam. Sie hatten Probleme mit den Bremsen. Beide Fahrer lagen weit außerhalb der Top 10. Und sie haben trotzdem den Umschwung geschafft. Sie wurden zu einem Topanwärter, das Mittelfeld anzuführen. Das hatte ich auch für uns erhofft.

Pierre Gasly - Alpha Tauri - Formel 1 - GP Japan 2022 - Suzuka
Motorsport Images
Pierre Gasly erlebte mit nur 23 WM-Punkten eine schwere Saison.

Aber?

Gasly: Wir standen mit unserem Auto ein paar Problemen gegenüber. Das hat die Entwicklung verzögert. Wir haben es nicht geschafft, so viel Performance wie gewünscht an die Rennstrecke zu bringen.

Welche Probleme?

Gasly: Normale Probleme, die andere auch befielen wie das Porpoising. Die Verbiegung des Unterbodens. Der Versuch, das Auto in diesem Bereich etwas steifer zu machen, und die Aero-Plattform zu maximieren. Objektiv gesehen ging es sehr eng zu im Mittelfeld. Das Pendel schwang stark von einem zum anderen Rennen. Es gab Teams, die mal knapp an den Top 10 dran waren und beim nächsten Mal im Q1 ausschieden. Aber ich würde sagen, dass wir immer zu denen gehörten, die nicht wirklich ausbrechen konnten. Ich denke nicht, dass das Auto fürchterlich war. Wir waren immer noch in der Lage, in manchen Rennen um die Punkte zu kämpfen. Aber andere haben es geschafft, mehr Konstanz ins System zu bringen, und etwas mehr Performance über das Jahr hinweg freizusetzen. Das half ihnen, konstanter in die Punkte zu kommen.

Welche Schwächen hatte der Alpha Tauri insbesondere?

Gasly: Ich würde sagen, und das ist meine persönliche Meinung, dass wir im Bereich der Effizienz Defizite hatten. Von der Aerodynamik her. Wir sind für den Abtrieb, den das Fahrzeug generiert, mit zu hohem Luftwiderstand gefahren. Und es fehlte einfach generell an Anpressdruck. Das wirkte sich auf andere Bereiche aus.

Und zwar?

Gasly: Das Auto rutschte mehr, die Reifen heizten sich stärker auf. Dann rutschtst du noch mehr, und hast stärkere, thermisch-bedingte Abnutzung. Ein kleiner Schritt beim Abtrieb hat große Auswirkungen auf deine allgemeine Leistung im Rennen. Ich denke schon, dass das Auto Potenzial hatte. Was uns aber auch noch geschwächt hat: Wir lagen die ganze Saison sehr weit über dem Mindestgewicht. Da sprechen wir von ein paar Zehntelsekunden. Wir haben es nicht geschafft, dieses Übergewicht abzutragen. Wenn wir diese paar Zehntel zu Saisonbeginn gehabt hätten, wären wir mindestens in den ersten acht Rennen im vorderen Mittelfeld gefahren. Und das hätte sich auf die Endabrechnung ausgewirkt.

Alfa-Sauber machte es vor. Das Team hatte als einzige Mannschaft ein Auto, das am Mindestgewicht von 798 Kilogramm lag. Andere Teams hatten wie Alpha Tauri teils starke Fettpölsterchen.

Gasly: Unser Übergewicht hat sich leider gar nicht verändert.

Bei unserem letzten Interview vor einem Jahr in Brasilien sprachen Sie davon, der beste Pierre Gasly jemals zu sein. Wie stand es um Ihre Form 2022?

Gasly: Wie im letzten Jahr. Ich stand nur einer völlig anderen Herausforderung gegenüber. Ich musste mit einem weniger konkurrenzfähigen Auto die Möglichkeiten, die sich ergaben, bestmöglich ausnutzen. Die Stimmung innerhalb des Ingenieursbüros war etwas anders. Wenn du an jedem Wochenende um den Einzug ins Q3 kämpfst, um die ersten sechs Plätze, mal auf dem Podest stehst, und ein paar Mal unter den Top 5, dann ist die Stimmung eine andere. 2022 mussten die Jungs viele Enttäuschungen wegstecken. Das spürst du als Fahrer.

Pierre Gasly - Formel 1 - GP Abu Dhabi 2022
Motorsport Images
Der Alpha Tauri lag nach Aussage von Gasly auch zum Saisonende noch deutlich über dem Mindestgewicht von 798 Kilogramm.

Was bedeutete das für Sie?

Gasly: Meine Aufgabe war es, sie mit Energie zu füllen, sie motiviert zu halten, und den Funken zu entzünden. Es war eine lange Saison. Alle waren ausgelaugt und müde. Wenn du dann kein tolles Jahr hast, zieht dich das noch mehr runter. In diesem Moment müssen die Leute aber mehr denn je leisten, um das Momentum wieder auf deine Seite zu ziehen. Das war für mich also eine ganz andere Herausforderung als 2021, was ich als Fahrer selbst noch lernen musste. Das war interessant. Ich hätte mir gewünscht, das nicht durchmachen zu müssen. Ich sehe aber das Positive daran. In diesen Momenten gräbst du wirklich überall, um kleine Unterschiede zu machen. Wir hatten keinen Spielraum. Selbst an unseren besten Tagen war es manchmal nicht genug, um es in die Top 10 zu schaffen. In dieser Situation musst du sicherstellen, dass du immer wach bist, und Gelegenheiten nutzt, wenn die anderen schwächeln. Du darfst selbst nichts liegen lassen. Das war aber leider der Fall in dieser Saison.

Das Auto war nicht immer zuverlässig. Dazu kamen strategische Fehler oder Pannen bei Boxenstopps. Von außen sah es aus, dass Sie teilweise ziemlich gefrustet waren. Sie haben das Team auch am Funk kritisiert, beispielsweise in den USA nach einem Bremsproblem in der Qualifikation.

Gasly: Ich denke nicht, dass ich es kritisierte. Wenn ich mich beispielsweise am Funk über die Bremsen beschwere, dann ist das keine direkte Kritik. Das ist eine Beschwerde, in die ich mich als Teammitglied einschließe. In diesem speziellen Moment hemmen die Bremsen unsere Performance. Das spreche ich an. Ich bin frustriert, weiß aber auch, dass es jeder im Büro genauso ist. Es ist mehr ein Versuch als Fahrer, auf das Verbesserungspotenzial hinzuweisen. Das war ein Bereich, an dem wir arbeiten, und den wir verbessern mussten.

Trotzdem …

Gasly: Es ist aber wahr, dass in meiner Kommunikation manchmal mehr Frust mitschwang. Es ist die Tatsache, dass es mir persönlich nahe geht, wenn wir das Beste versuchen aus uns herauszuholen, und von einer Sache wie den Bremsproblemen zurückgeworfen werden. Unser Ziel ist es, alles perfekt zu machen. Wenn du ohnehin in einer komplizierten Lage steckst, ist es das letzte, was du brauchst, wenn auch noch die Bremsen Probleme machen. Oder andere Sachen. Am Ende des Tages war es mehr der Frust, dass wir nicht auf demselben Level performt haben wie 2021.

Denken Sie, Alpha Tauri kommt ohne Sie zurück in die Erfolgsspur?

Gasly: Sie haben, was es braucht, um im oberen Mittelfeld zu fahren. So wie wir es 2021 getan haben. Da hatten wir das Auto, um Fünfter in der Weltmeisterschaft zu sein. Es war für Yuki [Tsunoda] damals die erste Saison in der Formel 1. Wäre es seine zweite gewesen, und er hätte die Leistung von 2022 abgeliefert, wären wir sicher Fünfter geworden. Deshalb sehe ich das Potenzial. Die Leute sind da, die Strukturen sind vorhanden. Die Änderungen am Reglement – mit dem Budget Cap und den gestaffelten Windkanalzeiten – sollten den Mittelfeldteams helfen. Ich sehe daher keinen Grund, warum Alpha Tauri nicht im oberen Mittelfeld kämpfen sollte.

Alpha Tauri, respektive Red Bull, hatte zunächst die Option auf Sie eingelöst. Es sah danach aus, dass Sie 2023 im Team bleiben. Können Sie schildern, wie der Sommer aus Ihrer Sicht verlaufen ist, und wie Sie dann bei Alpine landeten?

Gasly: Ich war am ersten Tag der Sommerferien in Griechenland. Ich brauchte eine Pause, weil die Saison nicht nach meinem Geschmack lief. Ich musste mal abschalten. Am ersten Tag gab es dann den ersten Kontakt zu Alpine. Damals zu Laurent Rossi. Ich habe alles an mein Management weitergeleitet. Die Gespräche starteten zwischen Alpine, Red Bull, mir selbst. Wir haben ausgelotet, was daraus werden könnte. Aus einem Sommer, in dem ich abschalten wollte, wurde das Gegenteil. Ich stand praktisch jeden Tag in Kontakt mit der Formel 1, und habe alles verfolgt. Wie die Situation ist, und sich der Deal entwickelt. Als es näher rückte, ging es um die Vertragsbedingungen. Ich kannte natürlich Red Bulls Standpunkt, mich behalten zu wollen. Ich wusste also, dass es keine einfachen Gespräche mit Helmut [Marko] werden würden. Er hat aber verstanden, wie wichtig dieser Schritt für mich ist. Dann haben wir es hingebracht. Es war ein Win-Win-Deal für alle.

Auch für Alpha Tauri?

Gasly: Eine Win-Win-Situation für Alpine, Helmut und mich.

Pierre Gasly - Alpine - F1-Test - Abu Dhabi - 22. November 2022
xpb
Test nach dem Saisonfinale in Abu Dhabi: Pierre Gasly im Alpine A522.

Waren Sie sofort Feuer und Flamme für Alpine?

Gasly: Ehrlich gesagt, bin ich jemand, der realistisch ist. Ich hatte einen Vertrag für 2023. Die Möglichkeiten, dort rauszukommen, schienen mir begrenzt. Aber man kann ja darüber sprechen. Und herausfinden, was möglich ist. Als Helmut offen war für Gespräche, habe ich gemerkt, dass sich die Situation ändert. Red Bull hatte natürlich ein finanzielles Interesse, nachdem sie mir meine Karriere finanzierten. Da wollten sie natürlich eine Kompensation, und noch etwas Geld machen. Das war ein vernünftiger Handel. Für mich ist es ein wichtiger Wechsel in meiner Karriere. Ich denke, dass ich meine Rolle bei Red Bull und Alpha Tauri in den letzten Jahren bestmöglich ausgefüllt habe. Egal, was vorgefallen ist. Helmut hat das anerkannt, und mich verstanden.

Wieso ist es ein attraktives Projekt? Weil es Ihre letzte Chance war, in ein Werksteam aufzusteigen?

Gasly: Nein. Wenn Sie sich die Möglichkeiten anschauen, sind keine attraktiven Cockpits mehr da gewesen. Als sich Alonso entschied, Alpine zu verlassen, und Piastri zu McLaren wollte, war das der attraktivste Sitz im Fahrerlager. Auch wenn man sich die Entwicklung des Teams über die letzten Jahre ansieht. Für mich ist das ziemlich beeindruckend, wie sie vorankommen. Fernando stand in Kanada in der ersten Startreihe. Sie kämpfen am oberen Ende des Mittelfelds. Konstant mit beiden Autos. Das Team entwickelt das Auto sehr gut. Immer, wenn sie neue Teile bringen, machen sie Fortschritte. Sie haben eine sehr gute Korrelation zwischen Fabrik und Rennstrecke. Ich sehe riesiges Potenzial.

Sie klingen hellauf begeistert.

Gasly: Natürlich habe ich mich über das Projekt und die Pläne für die nächsten Jahre informieren lassen. Von Otmar [Szafnauer], von Laurent [Rossi] und Luca de Meo. Ich wollte wissen, wie sehr Renault hinter diesem Projekt steht. Sie sind voll dahinter. Sie wollen, dass Alpine um die vordersten Plätze kämpft. Sie werden tun, was immer nötig ist, um an die Spitze zu gelangen. Während dieser Gespräche hat es sich für mich wie ein natürlicher Schritt angefühlt, zu ihnen zu stoßen. Das ist der Platz, an dem ich sein will, wo ich meine Zukunft verbringen möchte. Sie sind ein Hersteller. Du weißt, dass du immer das beste Material von ihnen bekommen wirst. Es gibt nicht so viele Hersteller in diesem Feld. Es ist für mich als Fahrer der passende Moment. Mit den gemachten Erfahrungen der letzten fünf Jahre ist es an der Zeit für den nächsten Schritt. Für das nächste Level. Es ist eine unglaubliche Geschichte, die wir zusammen schreiben können.

Das Interview führten wir im November am Wochenende des GP Brasilien.

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