Packende WM-Entscheidungen: Halber Punkt macht den Titel

Packende WM-Entscheidungen
Ein halber Punkt macht den Titel

1000. GP
Veröffentlicht am 19.02.2019
Niki Lauda & Alain Prost - Formel 1 - 1984
Foto: Motorsport Images

Was war die knappste WM-Entscheidung? Was der kurioseste Titelgewinn? Und welches das spannendste Finale? Sie wissen es nicht? Lesen Sie einfach weiter. Der kleinste Vorsprung, mit dem jemals ein Fahrer die Weltmeisterschaft gewonnen hat, stammt natürlich aus dem Jahr 1984. Ein halber Punkt. Knapper geht es nicht, außer es gäbe Punktgleichheit, und die Anzahl der Siege müsste entscheiden. Aber das hatten wir in 69 Formel 1-Saisons noch nie.

Niki Lauda gewann 1984 mit dem berühmten halben Punkt gegen McLaren-Kollege Alain Prost. Laudas Glück war, dass der GP Monaco nur halbe Punkte brachte. So gab es für Prost lediglich 4,5 statt 9 Zähler. Viele haben damals behauptet, Prost habe Glück gehabt, dass der Grand Prix rechtzeitig abgebrochen wurde. Ja und nein. Er hat ihm den Sieg gerettet, aber eben auch halbe Punkte eingebrockt. Hätte Rennleiter Jackie Ickx bis zum Ende fahren lassen, wäre Prost hinter Ayrton Senna Zweiter geworden. Es hätte 6 WM-Punkte gegeben, und Prost wäre Weltmeister geworden. Manche werden einwenden, dass auch Stefan Bellof noch an Prost vorbeigegangen und der Franzose demnach höchstens Dritter geworden wäre. Stimmt, doch Bellof hätte keine Punkte bekommen. Das Tyrrell-Team wurde nachträglich wegen Betrügereien für die gesamte Saison disqualifiziert.

Weltmeister dank schnellster Runde

Auch Mike Hawthorn musste 1958 sehr gut rechnen können. Er gewann den Titel mit nur einem Sieg und einem Punkt Vorsprung. Dieser eine Punkt stammte von einer schnellste Runde beim GP Portugal, für die es damals noch einen WM-Zähler gab. Hawthorn fuhr die schnellste Runde, weil es zwischen Stirling Moss und seinem Vanwall-Team ein Missverständnis gab. Die Vanwall-Box zeigte ihrem Fahrer die Information „HAW-REC“ als Hinweis, dass Hawthorn gerade Kurs auf einen Zusatzpunkt nahm. Mit anderen Worten: Moss sollte dem Ferrari-Piloten die schnellste Runde wieder abjagen. Moss erkannte auf der Boxentafel nicht REC für Record, sondern das Kürzel REG und glaubte, seine Crew wollte ihm mitteilen, dass Hawthorn „regulär“ unterwegs sei und er sich deshalb keine Sorgen machen müsse, dass der Landsmann seinen Rückstand aufholt.

Mike Hawthorn - Ferrari
Julius Weitmann

Hätten alle Punkte gezählt, wäre Hawthorn locker Weltmeister geworden. Der Champion musste 7 Punkte streichen, weil 1958 nur die besten 6 von 11 Resultaten zählten. Dieser Unsinn kürte 1988 Ayrton Senna zum Weltmeister, obwohl er regulär 11 Punkte weniger auf dem Konto hatte als Alain Prost. Da nur 11 von 16 Ergebnissen für die WM-Wertung zählten, wurde Prost von 105 auf 87 Zähler heruntergestuft. Auch Senna musste Federn lassen, aber nicht so viel. Von 94 auf 90 Punkte. Nach dem Jahr 1990 gab die FIA die Streichpunktegel auf.

29 Mal Entscheidung im Finale

Nur 29 Weltmeisterschaften wurden erst im Finale entschieden. Zuletzt 2016, als Nico Rosbergs Titelmission zur Zitterpartie wurde, weil Lewis Hamilton das Feld einbremste, um den Stallrivalen in die Arme seiner Gegner zu treiben. Der Plan misslang. Rosberg wurde Zweiter. Das reichte. 2014 machte Bernie Ecclestone Doppelpunkt-Regel zum Finale die WM künstlich spannend. Hamilton erinnert sich noch heute mit Grausen daran: „2014 in Abu Dhabi war wirklich furchtbar. Ich habe das ganze Jahr einen guten Job gemacht und hätte die WM wegen der doppelten Punkte trotzdem noch an Nico verlieren können. Es wäre so ungerecht gewesen. Die Nacht vor dem Rennen habe ich nicht geschlafen.“ Ecclestones Idee wurde nach einem Jahr wieder abgesetzt. Sie kam bei den Fans nicht gut an.

Von 29 Mal High Noon am Saisonende kam es 19 Mal zum klassischen Duell Mann gegen Mann. Neun Mal durften sich drei Fahrer Hoffnungen auf den Titel machen: 1950 (Monza), 1959 (Sebring), 1964 (Mexico-City), 1968 (Mexico-City), 1974 (Watkins-Glen), 1981 (Las Vegas), 1983 (Kyalami), 1986 (Adelaide) und 2007 (Interlagos). Drei Mal war Nelson Piquet in diese Dreikämpfe verwickelt, Zwei hat der Brasilianer gewonnen, den von 1986 in Adelaide verloren.

Ein Sonderfall ist die Saison 2010 mit vier Kandidaten. In Abu Dhabi fuhren Sebastian Vettel, Fernando Alonso, Mark Webber und Lewis Hamilton um den Titel. Vettel ging als Dritter in die Entscheidungsschlacht und kam als Erster aus ihr wieder heraus. Ganz anders Michael Schumacher im Jahr 2002. Der Ferrari-Pilot war schon nach dem elften von 17 Rennen Weltmeister. Mitten in der Saison. So früh wie keiner zuvor oder danach.

Niki Lauda - Alain Prost - McLaren - Ayrton Senna - Jean-Marie Balestre - GP Portugal 1984
Wilhelm

Drei Weltmeister in zwei Runden

Über die spannendste WM-Entscheidung gibt es geteilte Meinungen. Von den Punkten her würde man zu 2007 tendieren, weil Kimi Räikkönen mit 110 zu je 109 Punkten für Lewis Hamilton und Fernando Alonso gewann. Das Rennen selbst war nach dem Getriebeproblem von Hamilton in der Anfangsphase eher eine Enttäuschung. Es war schnell klar, dass Hamilton den rettenden 5. Platz nicht mehr erreicht. Da war es ein Jahr später in Interlagos schon viel dramatischer. Wieder brauchte Hamilton einen 5. Platz. Zwei Kurven vor dem Ziel lag der Engländer noch auf Platz 6. Felipe Massa wurde 39 Sekunden lang schon als Weltmeister gefeiert, als Hamilton doch noch den Toyota von Timo Glock überholte.

Die kurioseste Wendung nahm aber der GP Mexiko 1964, bei dem Jim Clark, Graham Hill und John Surtees um die höchste Auszeichnung im Automobilsport fuhren. Clark führte bis zwei Runden vor Schluss und war damit Weltmeister. Doch der Schotte schlich wegen Ölverlust nur noch langsam um den Kurs. Als ihn Dan Gurney an der Spitze ablöste, war kurz Graham Hill auf dem Papier Champion. Der Brite fuhr nach einer Kollision mit Lorenzo Bandini chancenlos im Verfolgerfeld. Ferrari hielt Bandini eine Boxentafel vor die Nase, Teamkapitän John Surtees vorbeizulassen. Der brauchte dringend den 2. Platz. Was Bandini dann auch machte, aber laut Surtees nicht freiwillig. „Lorenzo schaute vor der Zielkurve auf den Öldruckmesser, war einen Moment abgelenkt, und ich ging vorbei.“ Das war der Titel für Surtees.

Weltmeister auf zwei Marken

Juan-Manuel Fangio wurde 1954 als einziger Fahrer auf zwei Marken Weltmeister. Bis Mercedes seine Silberpfeile rennfertig hatte, lieh sich der Maestro einen Maserati 250 F aus. Zwei Jahre später war Fangio auf eine noble Geste seines Ferrari-Teamkollegen Peter Collins angewiesen. Der Engländer, der selbst noch Titelchancen hatte, trat sein Auto an Fangio ab, der wegen eines Lenkdefekts hatte aufgeben müssen.

Jochen Rindt ist der einzige Weltmeister, der posthum gekrönt wurde. Der Österreich starb im Training zum GP Italien. 29 Tage später fixierte Lotus-Kollege Emerson Fittipaldi mit einem Sieg beim GP USA Rindts Titel. Jacky Ickx konnte den gestürzten Champion nun nicht mehr einholen.

Alain Prost gewann 1989 die Weltmeisterschaft am grünen Tisch. Ayrton Senna hatte zwar mit einem Sieg beim GP Japan den Titelkampf noch offengehalten, doch der Brasilianer wurde nachträglich wegen Abkürzens der Strecke disqualifiziert. Der damalige FIA-Präsident Jean-Marie Balestre soll die Sportkommissare entsprechend unter Druck gesetzt haben. Als Senna öffentlich von einem Komplott sprach, drohte ihm Balestre mit Entzug der Lizenz. Senna bekam sie erst nach einer öffentlichen Entschuldigung fünf Minuten vor Zwölf.