Ausgerechnet bei seinem Heim-Grand-Prix in Silverstone lieferte Oliver Bearman das beste Qualifying seiner Karriere ab. Der Haas-Pilot schaffte es fast schon locker in das Q3-Finale. Dort ließ er niemand Geringeren als Altmeister Fernando Alonso sowie Alpine-Pilot Pierre Gasly hinter sich. Aus dem sportlich verdienten achten Startplatz wird aber nichts. Eine Strafe wirft den Youngster um satte zehn Positionen zurück.
Grund für die Verbannung in die vorletzte Reihe war ein Zwischenfall am Ende des dritten Trainings. Gabriel Bortoleto hatte seinen Sauber in der schnellen Becketts-Kurve verloren und war ins Kies gerutscht. Um die Bergung des Saubers nicht zu gefährden, ließ die Rennleitung direkt rote Flaggen schwenken. Für die anderen Piloten auf der Strecke bedeutete das, in langsamer Fahrt direkt die Boxen anzusteuern.
Doch Bearman wollte die letzte Chance kurz vor dem FP3-Abpfiff noch zu einer kurzen Übung für das Rennen nutzen. Der Rookie versuchte, die Tempolimit-Linie an der Einfahrt der Boxengasse auf der letzten Rille anzubremsen. Doch diese Idee ging gründlich in die Hose. Bearman verlor die Kontrolle über seinen Haas, drehte sich und krachte mit der Frontpartie in die Bande.

Der Fotograf konnte sich nur noch hinter der Bande in Sicherheit bringen.
260 km/h unter roten Flaggen
Der Schaden am Auto wurde durch die Mechaniker schnell behoben. Der Schaden, den das Urteil der FIA-Kommissare verursachte, dürfte sich dagegen nicht so einfach richten lassen. Von Position 18 ist im Rennen praktisch nur noch Schadensbegrenzung möglich. Die Schiedsrichter fanden in ihrer Urteilsbegründung deutliche Worte für die Aktion des Piloten.
"Das Auto mit der Startnummer 87 hat wegen der roten Flaggen zunächst verlangsamt. Doch als er auf Kurve 15 zugefahren ist, hat er deutlich, bis auf die normale Renngeschwindigkeit, beschleunigt. Er ist schließlich mit 260 km/h in die Boxeneinfahrt eingebogen. Dann hat er die Kontrolle über das Auto verloren und ist in die Bande gekracht."
"Es gibt keinen Zweifel daran, dass das Auto mit der Startnummer 87 nicht wie vorgeschrieben langsam zu den Boxen zurückgekehrt ist. Beim Blick auf die Daten fiel auf, dass er in der Runde der roten Flagge sogar schneller war als in der Runde zuvor unter normalen Bedingungen. Um die Sache noch schlimmer zu machen, hat er dann auch noch die Kontrolle verloren."

Der Schaden an der Frontpartie war schnell repariert. Kann Bearman auch die Strafe irgendwie im Rennen wettmachen?
Noch vier Strafpunkte bis zur Rennsperre
Mit der Rückversetzung um zehn Startplätze sprachen die Stewards die maximal mögliche Strafe für dieses Vergehen aus. Dazu gab es auch noch vier Strafpunkte obendrauf. Damit steht das Sünderkonto des Rookies jetzt schon bei acht Zählern. Zur Erinnerung: Bei zwölf Strafpunkten müsste er ein Rennen aussetzen.
Ein Verstoß unter roten Flaggen kam in der noch kurzen Formel-1-Karriere von Oliver Bearman bereits das zweite Mal vor. In Monaco hatte der 20-Jährige vor wenigen Wochen schon einmal zehn Plätze kassiert, weil er bei einem Abbruch am Williams von Carlos Sainz vorbeigefahren war. Normalerweise sollte ein junger Fahrer aus solchen Fehlern lernen und etwas vorsichtiger agieren.
Entsprechend kleinlaut trat der Sünder nach der Quali-Session vor die TV-Mikrofone: "Ich bin immer noch sauer auf mich und auch etwas traurig. Es bleibt nur, mich dafür beim Team zu entschuldigen. Ich wünschte, ich könnte es noch einmal rückgängig machen. Ich kann nur daraus lernen und muss jetzt auf ein gutes Rennen hoffen."

Die britischen Fans schafften es, den geknickten Fahrer wieder etwas aufzubauen.
Dummer Abflug mit kalten Reifen
Bearman erklärte, wie es überhaupt zu dem Fehler kam: "Wir waren in einem sehr langsamen Tempo bei roten Flaggen unterwegs. Als ich in die Boxeneinfahrt eingebogen bin, habe ich dann leider nicht einberechnet, dass die Bremsen und die Reifen kalt sind. Das war wirklich ein blöder und dummer Fehler. Als ich auf die Bremsen getreten bin, waren die eiskalt – wie auch die Reifen. Dafür könnte ich mich selbst treten."
Das gute Qualifying-Ergebnis war dann aber mehr als nur ein kleiner Trost für den Briten: "Es war wirklich schön, dass wir zeigen konnten, dass wir im Qualifying-Trim ein schnelles Auto haben. Das war in letzter Zeit nicht immer der Fall. Ich bin stolz auf das Team, dass sie so ein erfolgreiches Upgrade produziert haben."
Die Ingenieure hatten Modifikationen am Unterboden, an den Kühleinlässen des Seitenkastens und den Seitenspiegeln vorgenommen. Teamkollege Esteban Ocon schaffte es im Gegensatz zu Bearman nicht, das gesteigerte Potenzial des Autos abzurufen. Der Franzose landete nur auf Rang 15, woraus nach der Bearman-Strafe der 14. Startplatz wird. Im Quali-Duell der beiden Haas-Piloten steht es jetzt 6:6 unentschieden.
Eine kleine Hoffnung hat Bearman noch, dass es am Sonntag vor den heimischen Fans doch noch mit erfolgreicher Schadensbegrenzung klappt. "Wenn wir das Auto im Qualifying auf Platz acht bringen, dann sollte es bedeuten, dass wir auch ein schnelles Auto im Rennen haben. Unser Quali-Auto ist normalerweise nämlich nicht so schnell wie das Rennauto. Hoffentlich bleibt das so und wir liefern ein gutes Rennen ab."