Norris vs. Piastri: Wann eskaliert der Stallkrieg?

Lando Norris vs. Oscar Piastri im Titel-Duell
Wann eskaliert der Stallkrieg bei McLaren?

Veröffentlicht am 31.03.2025

Es ist Fluch und Luxus zugleich. McLaren hat im Moment das beste Auto und wahrscheinlich auch die beste Fahrerpaarung im Feld. Das brachte in Melbourne beide McLaren in die erste Startreihe und führte in Shanghai zu einem Doppelsieg. Der Vorsprung auf die Konkurrenz wird im Moment auf drei Zehntel geschätzt. Vermutlich ist er sogar größer. Man hat den Eindruck, dass McLaren mit seinen Gegnern spielt und nur das tut, was nötig ist.

In einer Saison, in der sich die Konstrukteure früh auf die kommende Saison konzentrieren werden, haben McLarens Gegner nicht viel Zeit, den Rückstand wettzumachen. Ein, maximal zwei Upgrades. Wenn die nicht funktionieren, wird es für McLaren ein Durchmarsch. So wie für Red Bull 2023. Doch die Aufgabe war damals viel einfacher. Verstappen hatte keinen Gegner im Team.

Bei McLaren zeichnet sich jetzt schon ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Nach Punkten steht es 44:34 für Norris. Nach Siegen hat Piastri beim GP China ausgeglichen. Beide standen je einmal auf der Pole-Position. In diesem Stil könnte es weitergehen. McLaren hat dann nur noch einen Gegner: sich selbst.

Lando Norris & Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - 2025
xpb

Der eine macht den anderen schneller

Diese Konstellation ist nicht neu für den britischen Traditionsrennstall. Doch keiner aus dem heutigen Rennstall war damals dabei, als der Zweikampf zwischen Ayrton Senna und Alain Prost in ein Hassduell umschlug, oder als Fernando Alonso sich gegen Lewis Hamilton mit List und Tücke wehrte und im Spionage-Skandal aus Trotz zum Kronzeugen gegen sein eigenes Team wurde.

So weit sind Norris und Piastri noch lange nicht. Noch profitieren sie voneinander, weil sie sich gegenseitig antreiben. "Wir haben unterschiedliche Stärken und Schwächen", erzählt Piastri. "In Shanghai hat sich das zu meinen Gunsten ausgewirkt, in Melbourne hatte Lando den Vorteil. Ich studiere natürlich, wie er fährt und versuche das an meinen Schwachstellen für mich selbst anzuwenden."

Norris bestätigt: "Oscar und ich haben unterschiedliche Fahrstile. Am Ende kommt ungefähr die gleiche Rundenzeit dabei heraus. Ich hasse Untersteuern. Oscar kommt damit besser klar. Deshalb habe ich mir beim letzten Rennen abgeschaut, wie er das macht. Als wir dann im Rennen die harten Reifen drauf hatten, habe ich die Vorderachse wieder gespürt. Und schon ging es besser."

Lando Norris & Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - 2025
xpb

Sorge vor Verstappen

Teamchef Andrea Stella sieht in dem internen Duell eine große Stärke seines Teams. "Lando und Oscar schaukeln sich gegenseitig hoch und holen so mehr aus sich heraus, als wenn sie isoliert fahren würden." Norris bestätigt: "Unser System wird am Ende immer triumphieren, auch gegen den besten Fahrer im Feld. Von den anderen Teams ist nur noch Ferrari ähnlich ausgeglichen besetzt."

Trotzdem darf sich McLaren nicht auf seine Doppelspitze verlassen. Max Verstappen zeigt gerade im viertbesten Auto, dass er auch mit zweiten, dritten und vierten Plätzen den Anschluss an die McLaren-Fahrer halten kann. Wenn Red Bull doch noch technisch der goldene Wurf gelingt, hat Verstappen die besseren Karten. Weil sich im Team alles auf ihn konzentriert.

Diese Sorge treibt auch die McLaren-Fahrer um, wie Piastri ausführt: "Du weißt nie, ob nicht doch einer ein Upgrade hervorzaubert, das uns in Bedrängnis bringt. Deshalb müssen wir jetzt aus dem, was wir haben, Kapital schlagen. So wie Verstappen am Anfang des letzten Jahres, als er sich einen Vorsprung aufgebaut hat, den er dann gut über die Runden brachte."

Lando Norris & Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - 2025
xpb

Befehl von der Boxenmauer

Für die Fahrer in den Papaya-Rennern zählt heute schon jeder Punkt. Es gibt nichts zu verschenken, schon gleich gar nicht an den Teamkollegen. Bis jetzt gingen die wenigen Begegnungen zwischen Norris und Piastri auf der Rennstrecke immer gut aus. Piastri ließ es letztes Jahr in der Startrunde von Monza darauf ankommen, als er den überraschten Norris in der zweiten Schikane ausbremste. McLaren schärfte danach die internen Regeln für die erste Runde nach. Stella nennt die dezenten Eingriffe die "Papaya-Regeln".

So musste Norris im letzten Jahr beim GP Ungarn seine geerbte Führung wieder an den schnelleren Piastri abgeben. Bei den Sprintrennen in Brasilien und Katar schenkte der jeweils Schnellere dem anderen den Sieg. Das war intern so abgesprochen. In Brasilien durfte Norris gewinnen, weil er noch Titelchancen hatte. In Katar ging es um nichts mehr. Norris revanchierte sich bei Piastri für dessen Geschenk.

Beim Saisonauftakt in Australien wurde es bei einer 17-Sekunden-Führung auf Verstappen aus Sicht von McLaren plötzlich kritisch. Piastri holte auf Norris auf und machte Anstalten, den Stallrivalen zu überholen. Da hielt McLaren das Stoppschild heraus. Piastri musste Norris in Ruhe lassen. "Aber nur für drei Runden. Es standen Überrundungen an. Wir wollten keinen Crash riskieren. Danach durften beide wieder frei fahren", betonte Stella.

Lando Norris & Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - 2025
Kym Illman via Getty Images

Stallregie ist keine Dauerlösung

Die Erfahrung zeigt, dass Eingriffe dieser Art nicht immer funktionieren. Nicht, wenn sich die Saison so entwickelt, dass es nur noch zwischen den McLaren-Fahrern um den Titel geht. Wer weiß, ob die Chance je wieder kommt. Norris ahnt bereits, dass die Konfrontation auf der Strecke eines Tages kommen wird, und dass der Kommandostand dann nicht eingreifen wird. "Wir wissen, dass dieser Moment einmal kommen wird, und einerseits freuen wir uns darauf, andererseits sind wir auch ein bisschen nervös. Aber wir sind bereit dafür."

Rennfahrer denken am Ende immer nur an sich. So war das einst auch bei Senna gegen Prost. Der gegenseitige Respekt konservierte den Frieden nur für eine Saison. Im zweiten Jahr brach der Krieg aus. Anlass für die Eskalation war damals eine interne Abmachung für die Startrunde, die nach Meinung von Prost gebrochen wurde. Teamchef Ron Dennis musste einsehen, dass nicht einmal er seine beiden Superstars kontrollieren konnte.

McLaren-Chef Zak Brown sagte letztes Jahr auf die Frage, ob der Käfig für seine beiden jungen Löwen nicht eines Tages zu eng werden könnte: "Ich bin mir im Klaren, dass ein Konflikt entstehen könnte, wenn man nicht aufpasst. Es gibt ja genug Beispiele aus der Vergangenheit. Viel hängt von den Persönlichkeiten der Fahrer ab. Da haben wir Glück, dass wir zwar zwei Löwen im Käfig haben, die aber gut miteinander auskommen."

Der Amerikaner setzt auf Transparenz. Er erinnert sich dabei auch an eine Aussage von Alain Prost, der den Stallkrieg mit Senna damit begründete, dass McLaren damals nicht mit offenen Karten spielte. "Transparenz schafft Vertrauen. Und wenn mal Sturm droht, versuchen wir ihn einzudämmen, bevor er Fahrt aufnimmt. Deshalb binden wir unsere Fahrer immer gemeinsam in unsere Marketing-Aktivitäten ein, spielen zusammen Golf, gehen abends gemeinsam zum Dinner. Das hilft uns, schwierige Situationen zu meistern – wie die Stallregie in Ungarn."