McLaren bereitet Formel-1-Gegnern Kopfzerbrechen

Jagd auf das Phantom
McLarens geheimer Trick

GP Miami 2025
Zuletzt aktualisiert am 05.05.2025

Mehr geht nicht. McLaren reiste mit 58 Punkten aus Miami ab. Doppelsieg im Sprint, Doppelsieg im Hauptrennen. Am Samstag hatte Lando Norris die Nase vorn, am Sonntag Oscar Piastri. Dabei hatten sich die McLaren-Fahrer die Aufgabe noch unnötig schwer gemacht. Die beiden Pole-Positions gingen an Andrea Kimi Antonelli und an Max Verstappen.

Das ist der Beweis dafür, dass die Autos von Mercedes und Red Bull auf eine Runde das Potenzial haben, McLaren zu schlagen. Doch kaum hat McLaren im Rennen die Nase vorn, verschwinden Piastri und Norris am Horizont. So als könnten sie jede Runde wie in der Qualifikation fahren. Nach 57 Runden betrug der Vorsprung auf den drittplatzierten George Russell 37 und auf Weltmeister Verstappen fast 40 Sekunden. "Die fahren in einer eigenen Liga", mussten die Teamchefs Toto Wolff und Christian Horner zugeben.

Der Matchwinner war am Samstag wie am Sonntag der gleiche. Die McLaren halten ihre Reifentemperaturen im gewünschten Fenster. Bei allen anderen Autos schießen sie irgendwann durch die Decke. Im Sprint seilten sich die McLaren-Fahrer exakt in dem Moment vom Feld ab, als bei denen die Intermediates auf abtrocknender Strecke zu heiß wurden. Im Hauptrennen war die Messe gelesen, als sich Piastri und Norris gegen Verstappen durchgesetzt hatten. Die Reifen am Red Bull waren bereits so im roten Bereich, dass Verstappen seine ganze Trickkiste beim Verteidigen seiner Position nichts mehr half.

Oscar Piastri - GP Miami 2025
Clive Rose via Getty Images

Ein ganz legaler Trick

Toto Wolff staunte: "Die zeigen ihre Überlegenheit auf jedem Reifentyp. Wir haben ein ähnlich schnelles Auto wie sie, aber nur auf eine Runde. McLaren kann das jede Runde reproduzieren." Kollege Horner sieht Unterschiede, je nach Strecke und Außentemperatur. "Ihr Vorteil ist immer dort am größten, wo die Reifen am meisten gefordert werden. Deshalb haben wir in Miami viel schlechter ausgesehen als in Jeddah."

Schlussfolgerung: McLaren muss etwas haben, was über viel Abtrieb und eine ausgewogene Fahrzeugbalance hinausgeht. Wolff lobt den Gegner: "Die machen nichts Illegales. Wir haben keinerlei Zweifel, dass sie sich innerhalb der Regeln bewegen, was auch immer sie da gefunden haben." Es wird immer klarer, dass die McLaren-Ingenieure eine schlaue Lösung parat haben, wie sie die Reifen kühl halten. "Da machen fünf Grad schon einen Riesenunterschied aus", erklärt Wolff.

Genau das treibt jetzt die Gegner um. "Wir wissen es nicht", beteuert der Mercedes-Teamchef. "Aber wir arbeiten mit Nachdruck daran. Wir schauen uns das nicht tatenlos an, sondern versuchen durch Experimentieren und Entwicklungsarbeit den Schlüssel zu finden." Laut Wolff ist das McLaren-Geheimnis nicht irgendein Geistesblitz, sondern das Produkt kontinuierlicher Verbesserung des Autos seit der großen Trendwende beim GP Österreich 2023.

Christian Horner & Helmut Marko - Red Bull - Formel 1 - 2024
Red Bull

So schnell wie möglich den Schlüssel finden

Red Bull geht einen anderen Weg. Der entthronte Klassenprimus schießt aus allen Rohren auf McLaren in der Hoffnung irgendwann ins Schwarze zu treffen. Irgendwie will man in Milton Keynes nicht glauben, dass da alles mit rechten Dingen zugeht. Doch man hat auch keinen Plan, was es sein könnte, dass die McLaren ihre Reifen so streicheln lässt.

Nach dem GP Miami gab sich Teamchef Christian Horner erst einmal versöhnlich: "Hut ab vor McLaren. Sie haben heute allen eine Lektion erteilt. Sie machen mit dem Reifenmanagement einen besseren Job als der Rest des Feldes." In einem Punkt geht er mit Kollege Toto Wolff konform: "Wir müssen so schnell wie möglich herausfinden, was McLaren macht. Was auch immer es ist, es könnte auch im nächsten Jahr ein Matchwinner sein."

Ganz offensichtlich hat der Trick nichts mit den aktuellen Groundeffect-Autos zu tun. McLaren-Teamchef Andrea Stella gibt logischerweise keine Aufklärung. Nur so viel: "Wir müssen unseren Ingenieuren danken, dass sie Faktoren geschaffen haben, die es uns ermöglichen, die Reifen in ihrem Fenster zu halten." Der Italiener gibt zu, dass einige Aspekte mit in die neue Ära der Formel 1 hinüberzuretten sind, andere an die 2026er-Autos und ihre Aerodynamik angepasst werden müssen.

Rob Marshall - McLaren - Formel 1
Peter Fox via Getty Images

Eine schlaue Luftzirkulation

Stella bestreitet auch, dass ihr exorbitant gutes Reifenmanagement im Rennen nichts mit den Problemen zu tun hat, die es den Fahrer manchmal schwer machen, in der Qualifikation die perfekte Runde zu fahren. "Wir zahlen auf eine Runde keinen Preis dafür, dass wir die Reifen besser streicheln als andere. Es ist für uns kein Problem, die Reifen schnell in ihr Arbeitsfenster zu bringen." In der Qualifikation klagen die Fahrer eher darüber, dass ihnen das Gefühl für die Vorderachse fehlt.

In der Szene setzt sich jetzt immer mehr die Meinung durch, dass die Ingenieure in Woking eine besonders schlaue Lösung dafür gefunden haben, wie die Luft in den Bremsbelüftungstrommeln zirkuliert, sodass die Bremsen heiß, die Reifen aber kühl bleiben. Die äußere Form der Trommeln ist genormt. Innen hat man alle Freiheiten. Man darf nur keine expliziten Kühlelemente montieren, ist aber bei der Wahl der verwendeten Materialien nicht festgelegt.

Ein Insider spekuliert: "Vielleicht lassen sie die Luft so zirkulieren, dass sie an den entscheidenden Stellen kühl bleibt und schirmen die Hitze durch den Einsatz bestimmter Materialien ab. Angeblich soll Technikchef Rob Marshall der Vater des Systems sein. Er trage das Konzept schon Jahre mit sich herum, habe es aber erst jetzt zum Funktionieren gebracht. Das wäre bitter für Red Bull. Marshall war 17 Jahre bei Red Bull, bevor er Anfang 2024 zu McLaren wechselte.

Auch Stella lieferte noch eine interessante Aussage. "Auch wenn es heiß wird, bleibt unser Auto kühl. Wir haben ein sehr effizientes Kühlsystem entwickelt." Auch das wirkt sich auf die Reifentemperaturen aus. Wird das Auto als Gesamtpaket zu heiß, strahlt das auf die Reifen ab. Mit Stellas Aussage versteht man auch, warum der McLaren im Topspeed eher auf den hinteren Rängen liegt. Mehr Kühlung drückt auf die Effizienz.