Sebastian Vettel und sein Red Bull fahren in einer eigenen Welt. Alle fragen sich, was Adrian Neweys RB9 zu einem Wunderauto macht. Wie immer ist es nicht ein Geheimnis allein, das dieses Auto so schnell macht. Adrian Neweys Weltmeister-Renner ist ein Gesamtkunstwerk, bei dem ein Rädchen ins andere greift.
Über die schlauen Motorkennfelder haben wir schon berichtet. Die sorgen dafür, dass der Renault V8 beim Anbremsen und Beschleunigen so oft wie möglich im Vierzylinder-Modus läuft, damit die Auspuffgase immer strömen und dem Motor zu Beginn der Beschleunigungsphase Power weggeregelt wird.
Wir haben ihnen auch verraten, dass Red Bull der Konkurrenz beim vernetzten Fahrwerk ebenfalls einen Schritt voraus ist. Seit der Sommerpause wird nicht nur die Nickbewegung des Autos von vorne nach hinten ausgeglichen sondern auch das Rollverhalten von einer Seite zur anderen nivelliert. Das garantiert eine perfekte Anströmung des Autos in jeder Situation. Und die Räder liegen optimal auf. Vorteil Traktion.
Was sind Y-250-Wirbel?
Natürlich glänzt das beste Auto im Feld auch in Adrian Neweys Hoheitsgebiet. Keiner hat eine so ausgeklügelte Aerodynamik, wie auto motor und sport in seiner aktuellen Ausgabe (24/2013) berichtet. Wir wollen es an einem kleinen Beispiel darstellen - den Y-250-Wirbeln. Sie wissen nicht, was das ist? Mit Y wird die Längsachse des Autos bezeichnet. 250 deutet darauf hin, dass hier die Längsachse jeweils 250 Millimeter links und rechts der Fahrzeugmitte gemeint ist.
Genau dort geht der Frontflügel vom festgeschriebenen Mittelteil in den frei gestaltbaren Bereich über. Das ist eine Zone großer Druckunterschiede. Der Mittelteil produziert null Abtrieb. So wollten es die Regelhüter. Die daran anschließenden Flügelelemente dagegen generieren viel Anpressdruck. An dieser Trennschicht entstehen notgedrungen Wirbel, die sich bis zum Heck des Autos fortpflanzen.
Die Wirbel sind Freund oder Feind
Diese Wirbel können der größte Freund und der größte Feind der Aerodynamiker sein. Je nachdem, wie der Übergang in den äußeren Bereich des Flügels gestaltet ist, wie die Leitbleche unter der Nase und die Vorflügel vor den Seitenkästen diese Turbulenzen in den Griff bekommen und weiterleiten.
Für Red Bull und Mercedes sind diese Wirbel ein Matchwinner, für McLaren und Williams eines der großen Probleme der diesjährigen Autos. Auch Ferrari hat offenbar seine Probleme mit diesen Wirbeln, die McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh als die entscheidende Größe in der Strömungslehre rund um ein Formel 1-Auto bezeichnet.
Red Bull nutzt Wirbel zum Abdichten des Diffusors
Am Frontflügel sind die Ingenieure eingeschränkt. Dort, wo die Wirbel entstehen, kann man nur begrenzt reagieren. "Das ist so, als hättest du an den Flügelenden keine Endplatten zum Druckausgleich", vergleicht McLaren-Sportdirektor Sam Michael.
Red Bull hat diese Y-250-Wirbel am besten im Griff. Die Wirbelzöpfe werden so geschickt abgelenkt, dass sie kontrolliert nach hinten strömen. Fotos aus Malaysia und Austin lieferten den Beweis. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit konnte man die Strömung ohne Windkanal erkennen.
Red Bull dirigiert die Wirbelzöpfe so geschickt um die Seitenkästen herum, dass sie zusammen mit dem Auspuffstrahl auf die Diffusorspalte treffen. Das verdoppelt die seitliche Abdichtung des Unterbodens und unterstützt die Produktion von Abtrieb im Schleppbetrieb des Motors. Das ist auch ein Geheimnis, warum das Heck des RB9 so auf der Straße klebt.
In unserer Bildergalerie zeigen wir genau, wie der Trick funktioniert und haben alle Frontflügel im Vergleich.