Niki Lauda zum Film Rush: "Verstehe jetzt Reaktionen von damals"

Niki Lauda zum Film Rush
"Verstehe jetzt die Reaktionen von damals"

Veröffentlicht am 30.09.2013
Wann haben Sie zum ersten Mal von den Film Rush erfahren?

Lauda: Der Drehbuchautor Peter Morgan hatte mich Anfang 2011 kontaktiert. Ich kenne ihn über seine Frau, die in Wien lebt. Er hat mich mit seinem Plan konfrontiert, dass er ein Drehbuch für einen Rennfahrerfilm schreiben will. Ich wurde vorher sicher schon 20 Mal gefragt, einen Film über mich zu machen, aber alle waren so uninteressant, dass ich immer abgelehnt habe. Mit Peter Morgan war das eine andere Dimension. Ich habe mich vorher über ihn erkundigt. Er ist Oscar-Preisträger, versteht also was von seinem Geschäft. Ursprünglich wurde er gefragt, ob er einen Film über Jackie Stewart machen will. Das war ihm zu langweilig. Da er Engländer ist und mit einer Österreicherin verheiratet ist, kennt er das das Verhältnis Österreich zu England. Er hat sich erkundigt und ist auf das Duell James Hunt gegen mich 1976 gestoßen.

Wie ging es weiter?

Lauda: Peter Morgan hat mich in mehreren Sitzungen gequält, ob und wie diese Idee umsetzbar ist. Der Produzent war mit Eric Fellner schnell gefunden. Erst dann kam Regisseur Ron Howard ins Spiel. Morgan und Howard kennen sich, beide sind Meister ihres Fachs. Es war eine ideale Konstellation.

Morgan und Howard sind keine Motorsportexperten. Wie haben Sie mit denen zusammengearbeitet?

Lauda: Ron Howard ist ein hochmotivierter Künstler und ging neugierig wie ein Kind an das Thema heran. Er hatte keine Ahnung. Peter Morgan hat zwar immer wieder mit mir geredet, wollte mir aber das Drehbuch nicht zeigen, solange er daran gearbeitet hat. Ich habe mich dazu verpflichtet, ihnen Informationen zu geben, musste aber unterschreiben, dass ich keinen Einfluss darauf habe, was in dem Film gezeigt wird. Hin und wieder kam Peter Morgan und hat mir einzelne Szenen vorgelesen, um sich abzusichern. Da musste ich natürlich ein paar Fehler ausbauen. Zum Beispiel den, dass ich meinen Ferrari mit einem Zündschlüssel angelassen habe. Bist du deppert, habe ich gesagt. So geht das nicht. So haben wir nach und nach sachliche Fehler ausgebaut. Ron Howard war ein ähnlicher Fall. Deshalb habe ich die beiden vor zwei Jahren nach Silverstone gezerrt, damit die das alles mal live erleben. So habe ich versucht ihnen alles zu zeigen, so gut ich konnte.

Stimmt es, dass einige Szenen auf Ihren Rat hin nachträglich eingebaut wurden, wie zum Beispiel das Autogramm am Nürburgring?

Lauda: Die Geschichte im Film stammt von mir. Ich habe Peter Morgan alles so erzählt, wie ich es in Erinnerung hatte. Auch die mit dem Autogrammjäger, der ein Datum zur Unterschrift von mir wollte mit der Bemerkung, dass dieses Autogramm ja mein letztes sein könnte. Daraus hat er dann den Film geschrieben. Nur das Ende war anders als geplant. Die Filmemacher waren mit dem Spannungsbogen nicht zufrieden. Ich bin noch während des Fuji-Rennens verschwunden und heimgeflogen. So wurde es auch gedreht. Aber da fehlte irgendetwas. Im Film ist Hunt ja mein Feind, was er in Wirklichkeit nicht war. Deshalb gibt es am Ende des Filmes eine Art Versöhnungsszene.

Sind Sie mit der Darstellung im Film zufrieden? Hält er sich an die Wahrheit?

Lauda: Ich bin zufrieden. Es ist so gewesen.

Bei wie vielen Dreharbeiten waren Sie live dabei?

Lauda: Bei zwei oder drei Szenen. Das Ende wurde in Köln produziert. Dann die Szene, wo ich mit Marlene im Auto fahre. Die wurde irgendwo in den Weinbergen in Deutschland gedreht.

Sind Sie mit Ihrem Darsteller Daniel Brühl zufrieden?

Lauda: Chris Hemsworth als Darsteller von James Hunt war relativ schnell gefunden. Er ist in Australien ein aufstrebender Star und schaut bis zu einem gewissen Grad auch noch aus wie James Hunt. Dann gab es die Diskussion, wer mich spielen soll. Ziemlich schnell haben sie Daniel Brühl gefunden. Ich habe vorher von ihm wenig gehört. Er kam zu mir nach Wien um mit mir zu reden. Das war a Hetz. Ich habe ihn gefragt, wie so etwas funktioniert, einen anderen zu spielen. Er meinte, dass es das schwierigste für ihn sei, dass ich noch am Leben bin. Ich bin jeden Tag bei RTL auf der Mattscheibe, jeder weiß, wie ich ausschaue und wie ich rede. Deshalb sei es ein wahnsinniger Akt, mich so zu spielen wie ich bin. Weil es ja ständig den direkten Vergleich gibt. Er ist dann in eine Sprachschule gegangen, um meinen österreichischen Dialekt zu lernen. Auch das Englisch, das ich rede, hat er super hingebracht. Während des Drehs haben entweder er oder Ron Howard mich dauernd angerufen, um mit mir über Details zu reden. Wie ich meinen Helm aufsetze, im Auto oder noch davor, was ich vor dem Start im Auto mache. Als ich ihn dann im Film gesehen habe, hat es mich gerissen. Mein erster Gedanke: Das bin ich ja wirklich.

Sind Sie selber mal bei den Dreharbeiten mit den Autos gefahren?

Lauda: Nein, den Hauptteil der Stunts hat der Typ gemacht, der für das englische TV-Format Top Gear die Autos fährt.

Wie ist das jetzt, wenn man sich selbst im Film sieht?

Lauda: Meine Frau, die Birgit, sagt immer zu mir, dass es unglaublich ist, dass darüber ein Film gemacht wird. Ich kann damit wenig anfangen. Ich war ja mittendrin. Ich bin Teil des Films, weil ich in meiner Jugend Rennfahrer sein wollte. Die Geschichte war ja nicht geplant, sondern ist so passiert wie sie passiert ist. Die Emotionen, die Außenstehende spüren, sind bei mir logischerweise nicht vorhanden. Dass dies für einen Film reicht, beeindruckt einen wie mich, der mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Eigentlich habe ich mich gewundert, dass dieser Film überhaupt entstanden ist. Es gibt wahrscheinlich wichtigere Themen auf der Welt als das. Mich interessiert jetzt eigentlich nur, ob man mit diesem Stoff Erfolg haben kann. Jetzt kommt aber etwas ganz Wichtiges. Ich sehe den Film mit meinen Augen. Mit meiner Erinnerung. Ich weiß, was passiert. Was ich nicht weiß ist, wie ich damals auf andere gewirkt habe. Und das erlebe ich heute an den Reaktionen derer, die sich unvoreingenommen den Film anschauen.

Zum Beispiel?

Lauda: Die Schlüsselszene ist, wie ich nach meinem Unfall zurückkomme. Damals haben mir Leute, die mich gut gekannt haben, beim Reden nichts ins Gesicht schauen können. Weil ich mit meinem verbrannten Gesicht so furchtbar ausgesehen habe. Das hat mich damals sehr getroffen. Ein bisschen Pietät muss man schon verlangen können. Das Problem hat aber nur kurz angehalten. Irgendwann war mir das egal und ich habe aus Trotz gesagt: Ihr bringt mich nicht um. Wer mit mir reden will, schaut mir ins Gesicht. Deshalb habe ich eine Mauer um mich herum aufgebaut. Jetzt, 37 Jahre später, verstehe ich dank der Filmszene, warum die die Umwelt so reagieren musste, als sie mich nach dem Unfall gesehen haben. Es war wirklich so arg, wie ich nach dem Unfall ausgeschaut habe. Auch die Szenen im Spital haben mich gerissen. Ich habe das gar nicht so miterlebt, wie die Ärzte an mir gearbeitet haben. Eigentlich bin ich nur da gelegen und habe versucht zu überleben. Mir ist die Konsequenz des ganzen erst bewusst geworden, als ich den Film gesehen habe.

Welche Szene von 1976 blieb Ihnen am meisten im Gedächtnis haften?

Lauda: Der Unfall. Das Überleben, der Kampf zurück ins Auto.

Wann hatten Sie zum letzten Mal Kontakt zu James Hunt vor seinem Tod?

Lauda: Ich habe James nach dem Karriereende ein paar Mal in England getroffen. Da war er komplett bankrott. Er kam mit dem Fahrrad ohne Luft in den Reifen. Ich habe ihm dann noch Geld geborgt und war mit ihm essen. Ein fürchterliches Erlebnis. Ich habe ihm gesagt, er soll sich zusammenreißen, sonst gehe er unter. Beim letzten Mal ging es ihm wieder besser. Er hatte bei der BBC einen Job. Wir haben uns an der Rennstrecke in einem Hotel auf ein Bier getroffen. Er war absolut fit und wie ausgewechselt und voller Pläne.

War der Gegensatz zwischen Ihnen und Hunt vergleichbar mit Räikkönen und Vettel oder Alonso?

Lauda: Es gibt nur einen Kimi, der wie Hunt agiert. Alle andere sind anders. Damals war ich ganz anders. Die anderen irgendwo dazwischen.

Wie hat Ihnen der Film gefallen?

Lauda: Beim ersten Mal sehen habe ich lange darüber nachgedacht. Bei der zweiten Vorführung am Nürburgring habe ich ihn objektiver gesehen, auch mehr auf die Reaktionen der anderen Leute geachtet. Eigentlich ist es ein guter Film. Bis jetzt ist noch keiner zu mir gekommen und hat gesagt: Das ist ein Scheiß. Du darfst den Film nicht mit den Augen eines Rennfans sehen, der die Geschichte kennt. Meine Frau zum Beispiel wurde nach 1976 geboren. Die hatte keine Ahnung davon. Für diese Menschen wurde dieser Film gemacht. Das sind zwei wahnsinnige Rennfahrer, der totale Gegensatz. Der eine Teil der Zuschauer soll sich mit dem Hunt, die anderen mit dem Lauda identifizieren. Das war das Ziel. Ich glaube, das wurde geschafft.

In unserer Bildergalerie haben wir die aktuellsten Bilder aus dem Film und vom Making of.