Benoten Sie Ihre Saison!
Hülkenberg: Unterm Strich war es ein sehr ordentliches Jahr, vor allem mit der Vorgeschichte. Nachdem wir 2023 mit einem Tief beendet hatten, sind wir natürlich mit geringen Erwartungen in die Saison 2024 gegangen, wurden dann aber von unserem eigenen Auto und von dem, was da über den Winter passiert ist, positiv überrascht. Dazu kam, dass wir uns über das Jahr hinweg stetig verbessert haben. Statt wie vorher abzufallen, sind wir konstanter und schneller geworden. Eine Note sollen andere verteilen.
Was war Ihr persönliches Highlight?
Hülkenberg: Natürlich stechen die besten Resultate zuerst ins Auge, aber wir sind letztes Jahr viele gute Rennen gefahren. Herausheben könnte ich vielleicht Österreich, wo ich Checo (Perez) über die letzten 15 Runden abgewehrt habe. Dann in Silverstone wieder Sechster. Das waren Riesen-Ergebnisse für das Team und hat das Upgrade von Silverstone voll bestätigt. Das war schon eine kleine Wende in der Saison.
Welches Rennen würden Sie am liebsten streichen?
Hülkenberg: Die Qualifikation in Katar ist nicht gut gelaufen. Da bin ich mir mit einem überflüssigen Fehler selbst im Weg gestanden, der für den Sonntag sehr viel gekostet hat. Wir hatten dort den Speed für Punkte. Baku hat mir auch weh getan. Ich bin auf einer meiner persönlich schwierigsten Strecken eigentlich ein sehr gutes Rennen gefahren, und dann hat sich zwei Runden vor Schluss ein kleiner Fehler mit großer Wirkung eingeschlichen. Beides war sehr ärgerlich, aber in so einem engen Mittelfeld über so eine lange Saison macht jeder seine Fehler.

Haas schaffte in einer Winterpause den Sprung vom Hinterbänkler zum Mittelfeldteam.
Haas war 2023 so weit weg, dass man sich nicht vorstellen konnte, dass das Team jemals wieder auf die richtige Spur zurückfinden. Wie war diese Wende möglich?
Hülkenberg: Die Veränderung hat schon im Herbst 2023 mit einer Umstrukturierung unter Günther (Steiner) begonnen. Ayao (Komatsu) hat sie dann aus dem Blickwinkel eines Ingenieurs fortgesetzt. Er hat neuen Leuten eine Chance und die Verantwortung gegeben. Die haben die Herausforderung angenommen und geliefert.
Was hat das Team aufgeweckt: Die schlechten Resultate oder das Feedback der Fahrer?
Hülkenberg: Ich würde sagen, beides zusammen. Es war ja offensichtlich, dass wir da ein Problem hatten. Unsere Kommentare als Fahrer haben das unterstützt. Wir waren hierbei schon ein aktiver Teil. Es gab viele Meetings zwischen den Technikchefs, den Aerodynamikern, Kevin und mir. Wir konnten zwar nicht sagen, wie es geht, aber schon klar machen, wo die Probleme liegen. Die Ingenieure haben da offensichtlich gut zugehört.
Ist es schwer, die Ingenieure davon abzubringen, immer mehr Abtrieb zu suchen, statt sich darum kümmern, dass das Auto fahrbar bleibt?
Hülkenberg: Das war nicht so schwer, weil es ja auf der Hand lag. Wenn im Longrun immer die Reifen einbrechen, dann ist klar, dass da was nicht funktioniert. Da helfen dir auch ordentliche Trainingsergebnisse nichts mehr. Allen war klar: Wir müssen umdenken.

Hülkenberg konnte den Haas-Ingenieuren dabei helfen, die Defizite zu erkennen und das Auto zu verbessern.
Hätte der junge Hülkenberg den Ingenieuren einen ähnlichen Input geben können wie der aktuelle?
Hülkenberg: Die Erfahrung von mehr als 200 Rennen wirkt sich auch auf das Feedback aus, und sie hilft den Ingenieuren eine klare Richtung vorzugeben, woran sie arbeiten sollen. Du lernst natürlich auch beim Setup dazu und kannst viel besser beschreiben, ob das Auto in den verschiedenen Bereichen im Fenster liegt oder nicht. Da bin ich heute als Fahrer sicherlich ein besseres Paket als zu Beginn meiner Karriere. Am Anfang hast du die ganzen Erfahrungswerte noch nicht.
Sehen Sie sich heute in der gleichen Rolle wie Ihr erster Teamkollege Rubens Barrichello bei Williams?
Hülkenberg: Ein bisschen schon. Es war damals 2010 schon extrem. Ich als absoluter Rookie in Kombination mit Tom McCullough, der damals schon ein sehr guter Renningenieur aber genauso ein Frischling war wie ich, gegen Rubens und Tony Ross, die zwei Erfahrenen im Team. Da hat schon was gefehlt auf die beiden.
Ab welchem Moment waren Sie sich sicher: Der Haas VF-24 ist keine Eintagsfliege. Ich sitze hier in einem Auto, mit dem man aus eigener Kraft in die Punkte fahren kann?
Hülkenberg: Nach den ersten paar Rennen war klar, dass wir deutlich besser dastehen und im Rennen mit älteren Reifen nicht mehr so abfallen. Es hatte sich beim Test in Bahrain schon angedeutet. Und da haben wir wirklich nur auf Longruns und wenig Reifenabbau hingearbeitet. Die ersten Punkte in Jeddah und Melbourne haben den Eindruck bestätigt.

Mit Platz 11 in der Fahrer-WM verabschiedete sich Nico Hülkenberg erfolgreich von Haas.
Wie kann so ein kleines Team mit 280 Leuten gegen Werksteams mit drei Mal so viel Personal so gut abschneiden?
Hülkenberg: Das Konzept von Haas geht an vielen Stellen auf. Die Teile, die sie von Ferrari einkaufen dürfen, funktionieren. So kann sich Haas auf die Aerodynamik und auf die Abwicklung im Rennen konzentrieren. Wenn die richtigen Leute in den Schlüsselpositionen sitzen und richtige Entscheidungen getroffen werden, führt auch dieses System zum Erfolg.
Nach der Sommerpause hat Haas noch einmal einen Sprung gemacht und konstant gepunktet. Was lief da besser?
Hülkenberg: Gute Frage. Bei den beiden Rennen vor der Sommerpause hatten wir unsere Schwierigkeiten. Das Paket für maximalen Abtrieb für Ungarn hat nicht so richtig funktioniert. Wir sind war mit den größten Flügeln gefahren, aber das hat offenbar im Vergleich zur Konkurrenz nicht gereicht. Spa ist zwar von der Strecke her das totale Gegenteil, aber irgendwie lief es in den beiden Jahren mit Haas dort aus unerklärlichen Gründen schlecht. Das Auto fühlte sich einfach nicht gut an. Danach haben wir uns gefangen und vor allem mit dem Upgrade in Austin noch mal richtig zugelegt.
Sie sind in diesem Jahr zwei Mal mit Oliver Bearman gegen einen Rookie gefahren. Haben Sie das Gefühl, dass die Jungen von heute besser vorbereitet sind als Sie damals 2010?
Hülkenberg: Schwer zu sagen. Erstens ist meine Rookie-Zeit lange her, und die Erinnerungen sind nicht mehr ganz so präsent. Damals gab es auch schon Simulatoren. Ich habe aber das Gefühl, dass die jungen Fahrer heute im Formelsport früher anfangen. Wenn sie durchkommen, klopfen sie dann auch schon früher an der Formel-1-Tür an und sind recht gut vorbereitet und sortiert. Einige der Rookies haben auch gleich ein paar gute Ergebnisse abgeliefert. Aber die wahre Schwierigkeit liegt darin, das über eine ganze Saison auf allen Strecken unter allen Bedingungen zu schaffen und das Niveau mit einer geringen Fehlerquote konstant zu halten. Das ist der echte Härtetest.

Hülkenberg wechselte in seiner Karriere sieben Mal die Teams. Bei Sauber beginnt 2025 der zweite Stint.
Viele junge Fahrer fahren parallel dazu noch Simulator-Rennen. Max Verstappen ganz extrem. Hilft das, und wäre das auch etwas für Sie?
Hülkenberg: Ich habe keinen Simulator und fahre auch keine Online-Rennen. Deshalb kann ich nicht sagen, was es bringt oder was man verpasst. Bei Max ist es ja nicht etwas, das er sich aufzwingt. Er hat Spaß daran, er hat das Interesse dafür, und er meint, dass es ihm was bringt. Deshalb macht er es auch. Er ist ein anderer Typ, eine andere Generation. Ich habe keine Lust mich zuhause in so ein Ding zu setzen und Rennen zu fahren. Ich habe es mal probiert, bin aber nicht richtig warm geworden damit. Das wird keine Lovestory mehr.
Für einige Fahrer Ihrer Generation wie Ricciardo, Bottas oder Magnussen ist jetzt Schluss. Ist das Zufall?
Hülkenberg: Es ist einfach der Gang der Dinge. Manche Jahre ist keine Bewegung im Fahrermarkt, dann wieder viel. Irgendwann kommen die Jungen und lösen die älteren ab. Die, die jetzt gegangen sind, hatten sportlich gesehen ein schwieriges Jahr. In der Formel 1 geht das nur eine gewisse Zeit. Irgendwann wirst du dann halt ausgetauscht.
Es scheint aber so, dass einige der älteren Fahrer mit den Groundeffect-Autos auf Kriegsfuß stehen. Lewis Hamilton hat es zugegeben, Kevin Magnussen angedeutet. War es schwer, sich an diese Fahrzeuggeneration anzupassen?
Hülkenberg: Für mich war das nicht wirklich ein Problem. Ich hatte in meiner Karriere ja auch schon einige unterschiedliche Autos mit unterschiedlichen Regularien erlebt, aber nie ein Problem mich an die Autos oder Reifen anzupassen. Das gehört als Rennfahrer dazu. Es ist ein ständiges Spiel, sich auf etwas Neues einzustellen. Vielleicht ist das eine meiner Stärken über die ganzen Jahre hinweg. Ich habe immer schnell verstanden, wie die verschiedenen Konzepte gefahren werden mussten und was sie brauchten, um damit schnell zu fahren.

Kann Sauber nach dem Vorbild von Haas ebenfalls die Wende schaffen?
Stimmt es, dass die aktuellen Autos und Reifen mit 99 statt 100 Prozent gefahren werden müssen, weil es die Reifen besser vertragen?
Hülkenberg: Ja, da ist was dran. Es gab ein paar Rennen, wo du voll pushen konntest und musstest, aber eben auch viele, wo 99 Prozent schon zu viel waren. Da war das 95-Prozent-Rennen das schnellste. Das ist Teil des Jobs, dieses strategische Fahren, die Reifen zu verwalten, die Temperaturen im Fenster zu halten. Aber das ist jetzt nichts Neues. Das kennen wir aus der Vergangenheit auch.
Wie lief der erste Test mit Sauber?
Hülkenberg: Zuerst einmal viele neue Eindrücke. So ein Teamwechsel, das ist nicht nur ein neues Auto. Das sind an der Rennstrecke erst einmal 80 neue Gesichter, neue Namen. Und dann das Auto. Das fühlt sich am Anfang immer erst einmal fremd an. So wie wenn man jede Woche am Mietwagenschalter ein Auto bekommt, das man vorher noch nie gefahren ist. Das braucht einen Moment, sich einzugrooven und wohlzufühlen. Aber der Test war positiv, so weit er positiv sein konnte. Es war wertvoll erste Eindrücke zu sammeln, ein Gefühl für das Auto zu bekommen, einfach mal anfangen zu arbeiten.
Wie viele Gesichter kannten Sie noch von 2013?
Hülkenberg: Nicht so viele. Zwei Hände voll vielleicht.
Wie groß ist Chance, dass Sauber die gleiche Wende schafft wie Haas?
Hülkenberg: Das Haas-Beispiel zeigt, dass es selbst in kurzer Zeit möglich ist. Ich glaube auch, dass Sauber mit dem Upgrade von Las Vegas schon den ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht hat. Das war eine große Korrektur. Und die letzten drei Rennen war das Auto klar konkurrenzfähiger und näher dran am Feld. Das war auch mein Eindruck im Test. Die Basis ist nicht so verkehrt. Natürlich kann man im Detail noch viel machen und es gibt noch einiges zu optimieren. Die Marschrichtung ist klar.

Die Saison 2025 wird für Hülkenberg und Sauber ein Übergangsjahr. Der ganze Fokus liegt auf dem Audi-Neustart 2026.
Wie geschäftig wird dieser Winter für Sie. Gibt mehr zu tun?
Hülkenberg: Dadurch, dass die Saison so spät aufgehört hat und dann auch noch der Test anstand, war ich erst am 12. Dezember zuhause. Wenn du einen Monat lang voll im Formel-1-Tunnel bist, bleibt zuhause alles liegen. Auch Alltägliches. Also musste ich bis Weihnachten noch mal zehn Tage Vollgas geben, um alles aufzuarbeiten. Deshalb nehme ich mir die Ruhephase mit meiner Frau Anfang Januar. Gefühlt ist alles nach hinten versetzt. Nach dem Urlaub steht Training auf dem Programm und Ende Januar geht es los mit Terminen in der Fabrik.
Kennen Sie Ihren neuen Teamkollegen Gabriel Bortoleto schon?
Hülkenberg: Ich habe ihn beim Test kennengelernt.
War er die richtige Wahl?
Hülkenberg: Das wird die Zeit zeigen. Aber wenn man sich seine Vita anschaut, dann spricht sie für ihn. Er hat die Formel 3 und Formel 2 als Rookie gewonnen. Er weiß, wo das Gaspedal ist und scheint schnell zu lernen. Er fängt jetzt wie viele andere nächstes Jahr als Rookie an und hat einiges vor der Brust. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm und werde ihn unterstützen, wo ich kann, weil ich will, dass wir als Team so schnell und so gut wie möglich wachsen.
Sie werden Teamkapitän eines Rennstalls, der 2026 unter der Flagge von Audi segelt. Ist das für Sie auch eine neue Dimension, einen Hersteller mit in die Formel 1 zu führen?
Hülkenberg: Ich glaube schon. Renault war anders. Die waren schon mal da. Ein bisschen ist es vergleichbar, aber dann doch auch wieder nicht. Audi ist natürlich eine größere Marke, ein großer Name. Die Formel-1-Bühne ist heute deutlich größer als damals noch. Ich freue mich auf die Herausforderung und bin gespannt, was die Zeit bringen wird. Wir kriegen viel Verstärkung, da kommen noch viele fähige Leute zum Team dazu.