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Interview mit Nico Hülkenberg
„Die Entwicklung kam einfach nicht“

Nico Hülkenberg blickt auf seine erste volle Saison nach dem Comeback zurück. Er erklärt die Probleme mit den Reifen und warum auch die B-Version des Haas sie nicht lösen konnte.

Nico Hülkenberg - GP Katar 2023
Foto: Haas

Wo hat die Saison Ihre Erwartungen erfüllt, wo enttäuscht?

Hülkenberg: Sie hat die Erwartungen erfüllt in dem Sinne, dass ich wieder richtig Lust habe auf die Arbeit, das Fahren, den Wettbewerb. Trotz der sportlich schwierigen Saison spüre ich nach wie vor Freude daran, wieder Rennfahrer zu sein. Die Vorteile stechen immer noch bei weitem die Nachteile aus. Hinter den Erwartungen blieb die Entwicklung des Autos. Am Anfang der Saison waren wir noch dabei. Aber dann haben wir keine Rundenzeit mehr gefunden, speziell auf der aerodynamischen Seite. Und das hat uns am Ende der Saison das Genick gebrochen. Deshalb sind wir auch Letzter. Ich habe natürlich nicht erwartet, dass wir jedes Wochenende in die Punkte fahren. Aber ein bisschen mehr hatte ich mir schon ausgerechnet.

Unsere Highlights

Wäre mehr drin gewesen als die neun Punkte?

Hülkenberg: In Singapur wäre mehr drin gewesen, wenn wir gestoppt hätten unter dem Safety-Car. Aber sonst gab es nicht viele Möglichkeiten. Uns fehlte einfach der Speed, um aus eigener Kraft in die Punkte zu fahren.

Kurz weg von der Technik. Sie waren drei Jahre fast komplett weg. Hat sich die Formel 1 in dieser Zeit verändert?

Hülkenberg: Nicht wirklich. Die Bühne ist größer geworden, das Interesse der Fans auch. Heute wissen mehr Leute, was Formel 1 ist, mehr Leute kennen die Fahrer. Aber das Kerngeschäft, die Aufgabe, die Dynamik innerhalb des Fahrerlagers sind gleichgeblieben.

Nico Hülkenberg - GP Australien 2023
Wilhelm

In Melbourne fuhr Nico Hülkenberg mit Platz sieben sein bestes Ergebnis des Jahres ein - trotz Panne nach der Zieldurchfahrt.

Manche ein Kollege klagt über zu viel Stress, zu viele Termine. Empfinden Sie das auch so?

Hülkenberg: Es kommt wahrscheinlich darauf an, für welches Team du fährst, wie viele Sponsoren du befriedigen musst und wie du von deinem Team vor den Karren gespannt wirst. Für mich würde ich das nicht unterschreiben. Dadurch, dass die Bühne größer geworden ist, sind die Donnerstage mit Medienterminen schon etwas intensiver geworden. Da bleibt es nicht aus, dass wir uns in den vielen Interviews wiederholen. Alle stellen ähnliche Fragen, und du sagst halt immer wieder das Gleiche. Das kann schon ziemlich ermüdend sein.

Das Prozedere vor dem Start dauert 20 Minuten länger als früher. Fühlen Sie sich dadurch mehr abgelenkt?

Hülkenberg: Ich setze mich immer schön in die Box und schaue mir das Geschehen an. Mir gefällt das. Auch die laute Musik in der Startaufstellung. Früher war da immer so eine Begräbnisstimmung. Jetzt hast du da geile Mucke, die dich pusht. Das stört mich null in meiner Konzentration.

Kommen wir zu ihrem Haas. Wie kann ein Auto so unterschiedliche Gesichter zwischen Samstag und Sonntag zeigen?

Hülkenberg: Das ist alles der Reifen. Für 90 Sekunden hält der gut und gibt jedem die Möglichkeit eine schnelle Runde zu fahren. Wenn du dann am Sonntag 20 bis 30 Runden auf einem Reifensatz fahren musst, dann kommen die krassen Unterschiede zustande. Ein Auto, das rutscht, strapaziert den Reifen zu stark.

Neue Reifen müssten einem Alpine, Alpha Tauri oder Sauber am Samstag aber genauso helfen. Trotzdem standen diese Teams oft hinter Ihnen in der Startaufstellung.

Hülkenberg: Ich glaube, dass unser Auto am Samstag mit neuen Reifen überproportional Performance daraus ziehen kann. Am Sonntag schlägt das ins Gegenteil um. Und wahrscheinlich bin ich auch kein allzu schlechter Qualifier (lacht).

Nico Hülkenberg - Haas - GP Katar 2023 - Formel 1
xpb

Überhitzende Reifen sorgten dafür, dass es für die Haas-Piloten im Rennen regelmäßig rückwärts ging.

Hatte das Reifenproblem im Rennen mehr mit der Aerodynamik oder der Mechanik zu tun?

Hülkenberg: Der Großteil ist Aerodynamik. Im Rennen versuchen wir mit Autos zu kämpfen, die mehr Abtrieb haben. Die fahren aber von Haus aus mit weniger Anstrengung und Stress für den Reifen schneller. Wir müssen alles geben, und da trittst du sofort in diesen Teufelskreis ein, in dem der Reifen überhitzt, du noch mehr rutschst und du aus der Spirale nicht mehr rauskommst.

Wie frustrierend ist es im Cockpit, wenn wieder mal der Hammer fällt?

Hülkenberg: Es ist nicht cool. Aber das Thema begleitet uns schon das ganze Jahr. Irgendwie gewöhnst du dich daran, auch wenn sich das blöd anhört. Du weißt, was kommt und versuchst so gut wie möglich dagegen zu arbeiten. Es gibt da leider keine Zauberei, und wir haben uns da auch nicht selbst aus den Problemen raus manövrieren können. Die Entwicklung kam einfach nicht.

Gehen Sie mit einem ganz anderen Plan ins Rennen?

Hülkenberg: Es ist tatsächlich so. Wir haben uns oft in der Startphase so weit wie möglich aus Zweikämpfen rausgehalten, weil sich im Verkehr das Problem verschlimmert hat. Da hättest du dir sofort den Reifen kaputtgemacht und wärst mit der Strategie direkt mit dem Rücken zur Wand gestanden.

Hatten Sie jemals in Ihrer Karriere ein Auto mit zwei so unterschiedlichen Gesichtern?

Hülkenberg: Hatte ich schon mal, aber nicht so krass wie in dieser Saison. Der 2017er-Renault war ziemlich ähnlich. Es ist immer das Auto in Verbindung mit dem Reifen.

Nico Hülkenberg - Haas - Formel 1 - GP Las Vegas  - 18. November 2023
Motorsport Images

In der zweiten Saisonhälfte fuhr Haas nur noch hinterher. Punkte für Hülkenberg gab es 13 Mal in Folge keine.

Reicht da ein einziger Rutscher aus, um den Reifen zu überhitzen?

Hülkenberg: Kommt drauf an, wie groß der Rutscher ist. Wenn es ein Monster-Ding ist, hast du direkt ein Problem. Aber viele kleine akkumulieren sich auch und führen zum selben Zustand der Reifen. Wir mussten im Rennen immer darauf achten, bloß nicht zu rutschen, um die Oberflächentemperatur zu kontrollieren. Im Verkehr war alles noch schlimmer, weil du noch mehr Abtrieb verlierst. Die Schwelle, ab der es passiert, wird dann immer niedriger.

Kommt der Reifen jemals wieder zurück, wenn er einmal zu heiß ist?

Hülkenberg: Habe ich selten erlebt. Die Beanspruchung hört ja nicht auf.

Es gab ein paar positive Ausnahmen, Melbourne zum Beispiel. Was war da anders?

Hülkenberg: Melbourne war Anfang der Saison. Ich glaube, dass da unser Paket noch besser dastand und im Mittelfeld konkurrenzfähig war. Autos wie Williams oder McLaren lagen da noch hinter uns. Die haben anschließend eine krasse Entwicklung hingelegt.

Hat es einen Unterschied ausgemacht, ob der Vorderreifen oder der Hinterreifen stärker beansprucht wurden?

Hülkenberg: Rennstrecken, die den Vorderreifen mehr belasten, waren einfacher für uns. Deshalb hat es in Las Vegas noch einmal besser für uns ausgesehen. Die schlechteste Kombination für uns war heißes Wetter und eine Strecke, die den Hinterreifen mehr fordert.

Nico Hülkenberg - Formel 1 - GP Abu Dhabi 2023
xpb

Die Kritik am Stillstand in der Design-Abteilung äußerte Hülkenberg deutlich.

Sie haben das Team früh gewarnt, dass sich mit der Reifenabnutzung ein Problem anbahnen könnte. Wurden Sie überhört?

Hülkenberg: Nicht überhört. Wir haben einfach nicht die Antwort und den Schlüssel zur Performance gefunden.

Spielt die Größe des Teams eine Rolle? Ferrari hatte ja ähnliche Symptome, fand aber in der zweiten Saisonhälfte meistens eine Lösung?

Hülkenberg: Es sind mehrere Sachen, die da reinspielen: Größe des Teams, Budget, Infrastruktur, die Qualität der Leute.

Wenn selbst Ferrari das Problem hatte, kann es ja kein so einfaches Thema sein?

Hülkenberg: Es ist ein komplexes Thema. Wir haben die Radaufhängung von Ferrari und die hatten ähnliche Probleme, wenn auch nicht auf dem Niveau wie wir. Vielleicht ist das eine Frage des Konzepts.

Ist es ein Trost, dass Ferrari offenbar eine Lösung gefunden hat? Haas bleibt ja am Tropf von Ferrari?

Hülkenberg: Ein Trost noch nicht. Ich würde nie den Tag vor dem Abend loben. Mal abwarten, wie sich das nächstes Jahr verhält.

Nico Hülkenberg & Kevin Magnussen - Formel 1 - GP Brasilien 2023
Haas

Kevin Magnussen und Nico Hülkenberg kamen besser miteinander aus, als man es vorher erwarten konnte.

Haas ist eine Art Patchwork-Familie, über viele Standorte verteilt. Wie anders tickt dieses Team als jene, die Sie vorher kennengelernt haben?

Hülkenberg: Jedes Team tickt ein bisschen anders, aber am Ende machen alle die gleiche Arbeit, mit marginalen Unterschieden. Die Partnerschaft mit Ferrari besteht ja schon ein paar Tage. Die beiden Teams sind gut aufeinander eingestellt.

Sie sind jetzt diese Groundeffect-Autos ein Jahr lang gefahren. Wie viel Spaß machen sie im Vergleich zu Fahrzeuggenerationen davor?

Hülkenberg: Die Autos machen mir prinzipiell viel Spaß. Sie fühlen sich auch unheimlich schnell an, auch wenn sie schon ziemlich schwer geworden sind. Die langsamen Kurven sind nicht mehr so dynamisch, weil die Aerodynamik da das hohe Gewicht nicht kompensieren kann. Was ich logischerweise auch nicht so gut finde ist, dass der Reifen so schnell überhitzt. Im Training musst du nach jeder schnellen Runde eine Abkühlphase einlegen. Du kannst nur schwer etwas testen, weil du kaum Konstanz in deine Runden bringst. Ist jetzt nicht neu, aber trotzdem wäre es mir andersherum lieber.

Wie groß ist die Herausforderung?

Hülkenberg: Die Autos fordern dich schon heraus, auch im Rennen. Manchmal denke ich mir aber, dass sie fast zu sicher sind. Es gibt kaum noch Unfälle. Die Autos haben zu viel Abtrieb. Wenn ich mir anschaue, wie früh in der Kurve wir schon wieder Vollgas geben, weil wir einfach über so viel Anpressdruck verfügen, und keiner fliegt ab. Selbst mit Slicks im Nieselregen in Monaco. Das ist eigentlich nicht normal. Oder Montreal ausgangs Kurve 7. Da warst du früher am Arbeiten und am Tanzen, damit das Auto auf der Strecke bleibt. Das war eine Mutstelle. Jetzt steigst du aufs Gas und durch geht es. Irgendwo sind die Autos schnell und dynamisch, aber auch ein bisschen einfacher zu fahren und damit auch sicherer.

Haben Sie sich daran gewöhnt, dass die Autos so hart gefedert sind?

Hülkenberg: Menschen gewöhnen sich an alles. Das ist halt der neue Standard. Mit dem musst du arbeiten. Wenn ich jetzt das Auto hinten weich mache, muss ich es hochsetzen und bin langsam. Das macht keiner. Deshalb schluckst du die Pille.

Haas - GP USA 2023 - Formel 1 - Technik
ams

Beim Heimspiel in Austin schwenkte Haas auf das Red-Bull-Konzept um. Die erhoffte Steigerung stellte sich aber nicht ein.

Haas hat mit viel Aufwand eine B-Version des Autos gebaut. Was hat es gebracht?

Hülkenberg: Nichts.

Das klingt ernüchternd.

Hülkenberg: Ernüchternd und alarmierend. Das kann man nicht verstecken. Da müssen wir ehrlich mit uns selbst sein und uns eingestehen, dass es nicht unseren Ansprüchen entspricht, wenn wir das Auto mit so viel Arbeit umbauen, und dann ist das Endresultat fast das gleiche. Es ist unsere Aufgabe, das für nächstes Jahr besser hinzukriegen.

Hat man wenigstens genug gelernt, es nächstes Jahr besser zu machen?

Hülkenberg: Das müssen wir erst beweisen. Kann ich jetzt nicht mit Selbstvertrauen bejahen. Da müssen wir uns intern wohl ein bisschen anders aufstellen, damit das Gleiche nicht noch einmal passiert.

Wie kann es dann sein, dass Ihr Kollege Magnussen das neue Auto lieber fährt, sie aber das alte?

Hülkenberg: Das ist ein Stück weit persönliche Präferenz. Das alte Auto hat mehr Abtrieb in schnellen Kurven. Das belegen auch die Daten. In Las Vegas hat Kevin wahrscheinlich die bessere Wahl getroffen. Wir sind das neue Paket bis dahin nie in der Konfiguration mit wenig Abtrieb gefahren, und es hat überraschend gut funktioniert. In Abu Dhabi hat das Pendel wieder Richtung altes Auto umgeschlagen.

Hat man der B-Version zu wenig Zeit gegeben?

Hülkenberg: Das Upgrade kam ein bisschen aus der Not heraus. Wir hatten in Miami eine Modifikation am Unterboden, aber das war nichts Großes. Dann ist lange nichts passiert. Die Sonntagsprobleme wurden größer und größer. Der Druck auf die Ingenieure wurde auch größer, und daraus ist diese B-Version entstanden. Auch natürlich, weil man gesehen hat, dass alle guten Autos auf die Red-Bull-Philosophie umgestiegen sind, inklusive Ferrari. Es machte Sinn, auch auf diesen Zug aufzuspringen. Wir haben es gemacht, aber meiner Meinung nach nicht verstanden. Schon im Windkanal hat sich gezeigt, dass sich die Werte nicht verbessern. Die Hoffnung war, dass wir diese sogenannten "Delta-to-map"-Probleme wegkriegen. Aber es gibt nach wie vor große Diskrepanzen zwischen dem, was der Windkanal verspricht und was die Rennstrecke hält.

Nico Hülkenberg - Haas - Formel 1 - GP Österreich 2023 - Spielberg - Rennen
xpb

Trotz einiger Rückschläge in der Comeback-Saison hat Hülkenberg noch Spaß an seinem Job. Ein Ende der Karriere ist noch nicht in Sicht.

Allgemeine Frage: Es gibt unter den Fahrern zwei Lager. Max Verstappen gibt den großen Hardliner, der am liebsten nur auf klassischen Rennstrecken fahren und auf jede Show verzichten würde. Andere sagen, dass man sich der neuen Welt öffnen muss. Wo stehen Sie?

Hülkenberg: Beides muss sein. Formel 1 ist nicht nur Motorsport, es ist auch Unterhaltung und Geschäft. Wenn wir junge Fans gewinnen wollen, können wir nicht nur in Spa und Monza fahren. Da müssen wir in neue Märkte gehen und auch mal ein bisschen Show machen. Ich fand jetzt nicht, dass es in Las Vegas mehr Show gab als anderswo. Nur die Fahrerparade am Mittwoch bei der Eröffnungsfeier war ein bisschen anders. Das hat eine halbe Stunde Zeit gekostet. Im Fahrerlager ist sonst gar nichts passiert.

Wie hat Ihnen Las Vegas gefallen?

Hülkenberg: Mit etwas Abstand fand ich es echt geil. Die Strecke ist gar nicht so schlecht, besser als Baku. Die hat einen viel besseren Fluss und ist mit den hohen Speeds auf den Geraden ganz schön dynamisch. Das Rennen war eines der besten des ganzen Jahres. Ich habe mich am Sonntag inkognito mit einem Fan unterhalten. Der saß bei der Sphere in Turn 7, hat 2.000 Dollar für sein Ticket bezahlt und fand alles toll. Der war richtig happy. Auch der Freitag, wo es wegen der Tribünensperrung fast nichts zu sehen gab, hat ihm nichts ausgemacht. Er ist stattdessen ins Casino. Sonntag war er bei einer Party von Red Bull. Der hat überall Spaß gehabt. Vielleicht sind unsere Ansprüche zu hoch.

Sie werden schon mit Audi ab 2025 in Verbindung gebracht. Ist das eine Option für Sie?

Hülkenberg: Das wird die Zeit zeigen. Erst mal schauen, wie die Saison nächstes Jahr verlaufen wird. Haben wir ein konkurrenzfähiges Auto? Welche Leute empfehlen sich für welche Aufgaben?

Erfahrung ist ja wieder gefragt?

Hülkenberg: Da sind Fernando und Lewis gute Botschafter. Die zeigen, dass man im hohen Alter noch schnell sein kann.

Fahren Sie noch im Alter von 42 Jahren?

Hülkenberg: Ich bin jetzt 36. Stand heute: Ja.

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