Patrick Tambay: Nachruf auf Formel-1-Rennfahrer

Patrick Tambay gestorben
Das verkannte Talent

Zuletzt aktualisiert am 05.12.2022
Patrick Tambay - Formel 1 - GP Deutschland 1982
Foto: Motorsport Images

Er gehörte einer Generation an, bei der man den Tod noch ausklammert. Patrick Tambay wurde nur 73 Jahre alt. Am 4. Dezember erreichte die Motorsport-Gemeinde die traurige Nachricht. Der Franzose litt seit längerem an Parkinson und Diabetes. Ferrari, McLaren und Renault würdigten ihren Ex-Piloten in Kondolenzschreiben.

Solange es ihm seine Krankheit noch erlaubte arbeitete Tambay als TV-Kommentator und stellvertretender Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Le Cannet in Südfrankreich. Der Name Tambay lebt im Motorsport durch seinen Sohn Adrien weiter. Der 31-Jährige ist aus der DTM bekannt und gewann in diesem Jahr in einem Cupra E-Racer die ETCR-Serie.

Tambay lange unter Radar

Als Rennfahrer lief Tambay lange Zeit unter dem Radar. Er war Teil der goldenen Rennfahrergeneration der Franzosen. Im Gegensatz zu seinen Landsleuten Jean-Pierre Jarier, Patrick Depailler, Jacques Laffite, Jean-Pierre Jabouille und René Arnoux reichte es bei Tambay nie zum Meistertitel der Formel 2. Ein zweiter und dritter Gesamtrang und zwei Siege in den Saisons 1975 und 1976 waren nicht automatisch die Eintrittskarte in die Formel 1.

Während seine Landsleute relativ schnell einen Stammplatz in etablierten Teams fanden, wurde Tambay beim GP Frankreich 1977 nur ein ausrangierter Surtees angeboten, mit dem er sich nicht qualifizieren konnte. Dafür schrieb der Pariser mit dem Aussehen eines Filmstars in den USA Schlagzeilen. Durch seine Siege im Can-Am Lola des Carl Haas-Teams wurde der Hongkong-Chinese Teddy Yip auf ihn aufmerksam. Yip betrieb mehrere Spielcasinos in Macau und brachte in diversen Rennkategorien sein Geld mit seinem Theodore-Team unter die Leute.

Patrick Tambay - Formel 1 - GP Hockenheim 1982
Motorsport Images

Im Ensign so gut wie Regazzoni

Für den Start in die Formel 1 suchte sich Yip einen Ensign N177 aus, den er in der zweiten Saisonhälfte mit eigenen Mitteln einsetzte. Sein Fahrer wurde der angehende Can-Am Meister Tambay. Der Neuling war auf Anhieb so schnell wie Ensign-Werksfahrer Clay Regazzoni und setzte mit fünf WM-Punkten ein Ausrufezeichen. Tambay überlebte dabei einen spektakulären Trainingscrash in Monza. Sein Ensign war nach einem Aufhängungsbruch in den Lesmo-Kurven in die Leitplanken abgebogen und hatte sich mehrfach überschlagen.

Tambays erste Saison überzeugte auch McLaren. Doch die vermeintliche Chance erwies sich als Flop. Der schlanke McLaren M26 war in der aufkommenden Groundeffect-Ära fehl am Platz und McLarens Versuche, die perfekte Lotus-Kopie zu bauen, schlugen fehl. Egal ob M28, M29, M30, alles waren Fehlgeburten. Nach acht Punkten in der Saison 1978 stand ein Jahr später eine Null auf dem Konto. Tambay musste gehen.

Yip sperrt zu, Ligier hat Cockpit

Damit schien die Formel-1-Karriere des Franzosen beendet. Er kehrte in die Can-Am Szene zurück, wo er 1980 wieder im Team von Carl Haas zum zweiten Mal Meister wurde. Teddy Yip hatte seinen Schützling jedoch nicht vergessen. 1981 trat der Spielhöllenbetreiber mit einem eigenen Auto in der Formel 1 an. Und Tambay holte gleich beim Debüt in Long Beach den ersten Punkt. Von da an ging es bergab. Dem Team fehlte das Geld für die Weiterentwicklung und Theodore musste im Reifenkrieg auf die wenig konkurrenzfähigen Avon-Gummis ausweichen.

Als Yip 1981 zusperrte kam Tambay zunächst als Ersatzfahrer für den zurückgetretenen Jabouille bei Ligier unter, war am Ende der Saison erneut arbeitslos. Wieder mit der Erinnerung an einen Unfall, der böse hätte enden können. Der Ligier-Pilot krachte beim Finale in Las Vegas mit 220 km/h in einer Linkskurve fast frontal in die Mauer. Dabei wurde der komplette Vorderbau des Autos abgerissen. Tambay konnte nach vorne aussteigen. Er kam mit Prellungen davon.

Schicksal bringt Tambay zu Ferrari

Dass Jacques Laffite im gleichen Auto bis zum Finale um den WM-Titel fuhr und zwei Rennen gewann, während Tambay punktelos blieb, war kein Empfehlungsschreiben für einen Fahrer auf Wanderschaft. Und wieder verschaffte ihm das Schicksal eine Rückkehr in die Formel 1. Nach dem tödlichen Unfall von Gilles Villeneuve in Zolder erinnerte sich Ferrari an das verkannte Talent.

Endlich ging der Stern von Tambay auf. Einen Tag nachdem sich Didier Pironi in Hockenheim bei einem Trainingsunfall schwerste Beinverletzungen zugezogen hatte, gewann der Villeneuve-Ersatz den GP Deutschland und zauberte dem demoralisierten Team wieder ein Lächeln in die Gesichter. Die hart gefederten Groundeffect-Autos forderten aber auch ihren Tribut. Tambay musste in der Folge wegen Rückenbeschwerden zwei Mal auf einen Start verzichten.

Patrick Tambay - Formel 1 - GP Monaco 1983
Motorsport Images

Ausklang bei Renault im Abwärtstrend

1983 sollte dann sein Jahr werden. Es begann vielversprechend. Mit seinem Sieg in Imola und zwei dritten Plätzen lag Tambay nach neun von 15 Läufen auf Rang drei hinter Alain Prost und Nelson Piquet. Doch dann holte ihn eine Seuche ein. In den verbleibenden sechs Rennen sah er nur zwei Mal die Zielflagge, ein Mal als Zweiter in Zandvoort hinter Teamkollege Arnoux, der in der zweiten Saisonhälfte groß aufgeigte. Das war Tambays Verhängnis. Ferrari verpflichtete auf Druck der einheimischen Medien den italienischen Shooting-Star Michele Alboreto für die Saison 1984.

Tambay fand bei Renault Unterschlupf, doch zu seinem Pech befand sich der französische Nationalrennstall nach der WM-Niederlage 1983 in einer Abwärtsspirale. Immerhin fuhr die neue Nummer eins im Stall nach dem Abgang von Alain Prost noch drei Mal auf das Podest. Ende 1985 sperrte Renault seinen Rennstall zu und lieferte nur noch Motoren.

Letzter Schuss im Köcher traf nicht

Einen Schuss hatte Tambay noch im Köcher. Sein früherer Can-Am Teamchef Carl Haas verpflichtete ihn zusammen mit Alan Jones 1986 für das amerikanische Superteam Haas-Lola. Doch was auf dem Papier wie eine neue Großmacht aussah, erwies sich als Rohrkrepierer. Der verkappte Ford-Werksrennstall dümpelte nur im Mittelfeld herum, weil der neue Ford-V6-Turbo erst das Laufen lernen musste. Tambay einziger zählbarer Erfolg waren zwei Punkte beim GP Österreich. Es waren seine letzten.

Nach 114 GP-Starts klang Tambays Karriere mit dem Grand Prix von Australien 1986 aus. In seiner Vita stehen zwei GP-Siege, fünf Pole Positions, zwei schnellste Runden, elf Podestplätze und 963 Führungskilometer. Eine Ankunftsquote von nur 47 Prozent zeigt, dass seine Zeit in der höchsten Spielklasse nicht immer von Glück gekennzeichnet war. Sein letzter großer Auftritt im Motorsport waren die 24 Stunden von Le Mans 1989. Tambay wurde Vierter in einem Jaguar XJR-9. Danach vertrieb er sich die Zeit mit Eisrennen in Frankreich oder als Gegenpol mit Starts bei der Rallye Dakar.