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Motorsport-Historie von Las Vegas
Wildes Racing in der Zockerstadt

Jahrhundertboxkämpfe, spektakuläre Shows und nun wieder die Formel 1: Seit bald 70 Jahren ist das sündige Zocker-Paradies auch eine Heimat für den Rennsport. Neben der Königsklasse schick(t)en die NASCAR, die IndyCar und Sportwagen-Serien wie die ikonische Can-Am regelmäßig ihre Teilnehmer in die Wüste.

Motorsport-Historie Las Vegas – Formel 1 - NASCAR - IndyCar
Foto: Motorsport Images / Christian Traulsen

Passend zu Las Vegas beginnt die große Renn-Geschichte mit einem Betrüger. Als Joseph M. Smoot im Jahr 1946 die Reise nach Nevada antrat, hatte der New Yorker Promoter allerdings keine dröhnenden Motoren im Kopf. Für sein Ziel einer Weltklasse-Pferderennbahn verdrehte er ganz Las Vegas den Kopf und wählte auch unkonventionelle Finanzierungswege. Nachdem ihn diese schließlich vor ein staatliches Gericht gebracht hatten, antwortete er auf die Frage nach Belegen für verschwundene 500.000 Dollar: "Haben Sie schon mal versucht, einen Politiker mit einem Scheck zu bezahlen?"

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Obwohl Smoot dem Knast entgehen konnte, war er sein ambitioniertes Projekt endgültig los. Eine Gruppe neuer Direktoren brachte es im September 1953 zwar zu Ende, musste aber schnell erkennen, dass sich keiner für Pferde aus den Kasinos losreißen ließ. Der Bahn-Präsident stöhnte: "Der Las Vegas Park verliert jeden einzelnen Tag Geld." Als Rettungsmanöver erlaubten die desillusionierten Betreiber 1954 Rennen mit Autos und Motorrädern. Die Schlachten auf dem losen Untergrund sollten zwar das drohende Ende nur verzögern, aber den Startpunkt für eine wechselhaft-faszinierende Motorsport-Zukunft setzen.

Motorsport-Historie Las Vegas - Jimmy Bryan - AAA Championship
ISC Images & Archives via Getty Images

Der spätere Indy-500-Sieger Jimmy Bryan gewann das AAA-Rennen im Las Vegas Park. Es gilt als die erste große Motorsport-Veranstaltung der "Sin City".

Indy-500-Sieger triumphiert

Direkt zu Beginn waren die zwei Größen des US-Sports vertreten. Den einzigen Auftritt des IndyCar-Vorgängers AAA Championship Car auf dem Las Vegas Park Speedway gewann der in der Saison 1954 dominante Jimmy Bryan. Der angesichts seiner Geburtsstadt Phoenix (Arizona) wüstenerfahrene Champion siegte vier Jahre später dann beim Indy 500 – und verstarb an einem tragischen Tag. Am 19. Juni 1960 verunfallten zunächst Chris Bristow und Alan Stacey tödlich beim Großen Preis von Belgien, Bryan verlor sein Leben auf dem gefürchteten Langhorne Speedway.

Das heutige Millionen-Business NASCAR gastierte 1955 ebenfalls nur einmal auf dem Ein-Meilen-Oval. Die Ehren gingen an den Stockcar-Pionier Norm Nelson. Das letzte Autorennen kurz vor dem unrühmlichen Abriss 1959 war ein Lauf des NASCAR-Konkurrenten USAC, den ebenfalls ein prominenter Name für sich entschied. Sieger Fred Lorenzen gewann 1965 den NASCAR-Saisonhöhepunkt Daytona 500. Wie beim NASCAR-Rennen erzwang die einbrechende Dunkelheit ein für das Areal symbolhaftes vorzeitiges Ende.

Selbiges befindet sich nicht weit weg von der nördlichen Spitze des neuen Las Vegas Strip Circuit und beherbergt den direkt im Anschluss errichteten Las Vegas Country Club. Bei passenden Helikopter-Flügen über das Hotel The Venetian und die LED-beleuchtete Event-Arena Sphere hinweg ist es der größere der beiden Golfplätze, der nördlich der Messe liegt.

Motorsport-Historie Las Vegas - Stardust International Raceway - Can-Am - John Surtees
Bob D'Olivo / The Enthusiast Network via Getty Images

Vor den ersten F1-Rennen waren bereits ihre Stars im Rahmen der Can-Am in Las Vegas. Der ruppige, aber beliebte Stardust International Raceway existierte gerade einmal rund fünf Jahre und galt als Paradestrecke von John Surtees.

Can-Am als Mafia-Belustigung

Nur sechs Jahre später versuchten dann die Sportwagen ihr Glück in der Zocker-Metropole. Der Eigentümer der Kasinos Desert Inn und Stardust errichtete im Spring Valley einen 4,83 Kilometer langen Rundkurs, um reiche Klientel für seinen angeschlossenen Country Club anzulocken. Auch wenn die Formel 1 nie in die Versuchung kam, taten es doch einige ihrer großen Namen. Das perfekte Lockmittel war die wohl legendärste Sportwagen-Serie aller Zeiten: der Canadian-American Challenge Cup, kurz Can-Am. Dazu gastierte mit der United States Road Racing Championship ein ähnliches Produkt mehrfach in der Mojave-Wüste.

Gleich zwei Formel-1-Weltmeister konnten sich dort in die Can-Am-Siegerliste eintragen. John Surtees gewann die Ausgaben 1966 und 1967, Denny Hulme jubelte 1968. Als traditionelles Saisonfinale sah der Stardust International Raceway außerdem die Meisterfeiern von Surtees, Bruce McLaren und Hulme. Gewinner mit F1-Erfahrung brachten obendrauf die Auftritte der Trans-Am 1967 (Mark Donohue) und der USAC Champ Car 1968 (Bobby Unser). Trotz der hohen Beliebtheit der Strecke, die auch einen Dragstrip umfasste, war ihr aufgrund der wankelmütigen Schöpfer keine Tradition vergönnt.

Verschiedene Mafia-Familien nutzten das Gelände im Südosten der Sin City, um Geld zu waschen oder es zu verstecken. Dazu sonnte man sich im Glanz der Formel-1-Helden und rennsportaffiner Filmstars wie James Garner. Nach einem schweren Unfall des legendären Chaparral-Gründers und Racers Jim Hall, der nach schweren Beinverletzungen ein halbes Jahr nicht gehen konnte, verlor die Strecke ab 1968 zunehmend an Bedeutung. Dringend nötige Investitionen in die unasphaltierten Zufahrtswege und die selbst für damalige Verhältnisse rudimentären Anlagen blieben aus – stattdessen winkte schnelles, fettes Geld von Immobilienkonzernen.

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Go-Kart und Lorbeeren

Rund zehn Jahre danach war die Formel 1 an der Reihe, sich im Wilden Westen zu präsentieren. Bereits 1980 gab es einen ersten Versuch von Bernie Ecclestone und Max Mosley, den in Ungnade gefallenen Klassiker in Watkins Glen loszuwerden. Doch erst 1981 fielen die Würfel. Der Ersatz hätte kaum unterschiedlicher sein können. Anstatt der Achterbahn in den frühherbstlichen Wäldern von Upstate New York grüßte ein karger, zügig zusammengeschusterter Parkplatz zwischen Strip und Interstate 15 die Weltelite.

Williams-Mann Alan Jones gewann den ersten Caesars Palace Grand Prix und verabschiedete sich anschließend in eine nur vorläufige Formel-1-Rente. Nach der Hitzeschlacht belohnte sich der Australier mit einer Bierdose und amüsierte sich über den sponsorgerechten Lorbeerkanz auf dem Podium. Der Weltmeistertitel ging derweil an den fünfplatzierten Nelson Piquet. Wegen grippeartiger Symptome litt sich der Brasilianer durch die 75 Runden auf dem 3,65 Kilometer langen Retortenkurs und schlug einen hadernden Carlos Reutemann final um einen Punkt.

Auch abseits der Strecke regierte das Drama. Ligier-Matra-Fahrer Jacques Laffite zerriss den Kurs vorab in einem Interview mit La Gazzetta dello Sport als "lächerliche Go-Kart-Bahn" und als "Witz". In bester Mob-Manier empfahlen die Organisatoren in Form einer Multi-Millionen-Dollar-Klage, das Thema doch bitte ruhen zu lassen. Wenig überraschend war die restliche Rückmeldung bis zum Rennsamstag netterer Natur. Als erste Amtshandlung übergab sich der neue Champion Piquet im Übrigen in seinen Helm – eine Geste, die in Las Vegas keine Seltenheit ist.

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Streit mit der CART und Schadenfreude

Der zweite Auftritt des globalen Rennzirkus war schon viele Monate vorher ein Politikum. Das Caesars Palace war auf die Idee gekommen, die Show durch einen historischen Doubleheader mit der CART noch weiter anzureichern. US-Serienmacher John W. Frasco frohlockte: "Ein gemeinsames Wochenende der Serien auf demselben Gelände gab es noch nie. Dafür mussten, wie man sich vorstellen kann, einige ordentliche Hürden übersprungen werden. Besonders bei so einem Aufgebot an involvierten Egos." Eine Aussage, die ihn verfolgen sollte.

Denn obwohl für die CART eigens ein Oval aus den äußeren Teilen der F1-Strecke geformt werden konnte, gab es ein Thema, bei dem sich die Egos in die Haare bekamen. Die Formel 1 konnte aus logistischen Gründen nur am Samstag fahren, die CART war danach angesetzt. Die Königsklasse als Warm-up? Unerhört, fand die FISA und änderte den Termin. Dabei hatte sie zwei Vorteile auf ihrer Seite: Der TV-Partner NBC konnte Ende September eh besser und "ärgerlicherweise" fuhr die CART an diesem Wochenende in Michigan. Frasco gab allein dem Weltverband die Schuld: "Wir hatten unterschiedliche Konfigurationen. Dazu waren sowohl Caesars Palace als auch Bernie Ecclestone wie wir von der Idee fasziniert."

Das erste F1-Experiment in Las Vegas endete in Form eines Triumphs von Michele Alboreto, der trotz Hitze komfortabel in seinem Tyrrell-Ford gewann – der elfte Sieger einer extrem chaotischen und tödlichen Saison 1982. Mit nur einem Erfolg wurde Keke Rosberg Weltmeister. Das Ausbleiben einer Rückkehr in die Zockerstadt verbunden mit dem geplatzten Traum eines New York GP bescherte der Formel 1 reichlich Schadenfreude. Der bekannte englische Journalist Denis Jenkinson moserte: "Die FOCA ist mit dem Parkplatzrennen am Tiefpunkt angelangt, dabei dachten einige Mitglieder dieser zerfallenden Vereinigung noch, dass es gute Unterhaltung gewesen sei." Schlechte Zuschauerzahlen bewiesen das Gegenteil.

Motorsport-Historie Las Vegas - Caesars Palace - CART - Michael Andretti
Motorsport Images

Die CART gastierte ebenfalls zwei Jahre auf dem Caesars-Parkplatz. Auch sie verlor schnell die Lust auf dem zum Oval umgebauten Retortenkurs.

IndyCar und NASCAR bleiben treu

Die CART sollte zunächst den heißbegehrten Deal abstauben und ein eher eckiges Oval vorgesetzt bekommen. Allerdings erlebte auch ihr erkämpftes Caesars-Palace-Erlebnis nach nur zwei Ausgaben seinen Brutus-Moment. 1983 reüssierte Mario Andretti, der ein Jahr zuvor an gleicher Stelle die F1-Karriere abgeschlossen hatte, für Newman-Haas, 1984 Tom Sneva für Mayer. Der ältere Andretti wurde im letzten Parkplatz-Jahr schlussendlich Meister. Sohnemann Michael nahm in seinen beiden ersten CART-Saisons noch die Reise in die Mojave mit. 1983 war es gar sein Champ-Car-Debüt.

Obwohl Las Vegas anschließend für längere Zeit aus dem Fokus der großen Rennwelt flog, verschwand der Motorsport nie komplett. Der Stardust International Raceway wurde noch Anfang der 1970er-Jahre durch das Las Vegas Speedrome ersetzt, das erst einen Rundkurs und einen Dragstrip umfasste und dann auch ein Oval hinzubekam. Damit fingen die Betreiber ein ebenfalls im Norden gelegenes kleineres Oval auf, das 1982 wegen Bauprojekten weichen musste. Obwohl untere NASCAR-Ligen vereinzelt die Linkskurven nahe der Nellis Air Force Base befuhren, würde man hierzulande von Breitensport sprechen.

Alles änderte sich dann Mitte der 1990er-Jahre. Der mit einer gewissen historischen Ironie in "Las Vegas Speedway Park" umbenannte Komplex wurde mit Kasino-Geld massiv renoviert und zu einem modernen NASCAR-Cookie-Cutter erweitert. Dabei handelt es sich um D-förmige 1,5-Meilen-Ovale, die landesweit während des 90er-Booms entstanden. Zur Eröffnung des "Las Vegas Motor Speedway" lud man die frisch geteilte IndyCar in Form der IRL ein. 1998 folgte die erste NASCAR-Liga auf das Oval, in dessen Inneren ein Rundkurs für Sportwagen liegt.

Motorsport-Historie Las Vegas - Champ-Car-Stadtkurs 2007
Motorsport Images

2007 beherbergte Downtown Las Vegas ein Stadtrennen der Champ Car. Die Wirren der Indy-Wiedervereinigung machten es zu einer einmaligen Sache.

Beliebter Stadtkurs und die Wheldon-Katastrophe

Während die NASCAR seit Kurzem sogar zwei Rennen auf dem Speedway austrägt, war die Geschichte der IndyCar weitaus wechselhafter. Nach 2000 flog Las Vegas aus dem Kalender der IRL, aber kehrte 2004 und 2005 bei den Rivalen der Champ Car zurück. Dort dominierte ebenfalls fix die Unzufriedenheit, was den Traum eines richtigen Stadtkurses reifen ließ. Die "Streets of Las Vegas" eröffneten die Saison 2007 und umfassten 3,93 Kilometer. Im Gegensatz zu allen vorherigen Kursen lagen die 14 Kurven tatsächlich in Downtown Las Vegas, rundum die Fremont Street Experience. Die Fahrer – darunter der Sieger und spätere Indy-500-Gewinner Will Power – lobten den schnellen Ablauf samt einem Sprung. Die Geschichte hatte allerdings anderes mit der Strecke vor.

Trotz eines Fünfjahres-Vertrags war nach der Wiedervereinigung der beiden Formel-Serien 2008 kein Platz mehr im Kalender. Damals hieß es, dass die Verkehrsbehinderungen und die Lärmbelästigung wohl zukünftige Stadtrennen verhindern werden. Die IndyCar kehrte noch einmal 2011 für ein hochdotiertes Finale zurück. Mit am Start war der amtierende Indy-500-Triumphator Dan Wheldon, dessen Saison nach dem Highlight eigentlich schon lange vorbei war. Der Brite war dann jedoch Teil einer besonderen Challenge, die ihm im Falle eines Sieges 2,5 Millionen Dollar eingebracht hätte. Bei einem katastrophalen Massenunfall in Runde 11 wurde Wheldon, der vorher das sicherere neue Chassis für die Folgesaisons getestet hatte, tödlich verletzt.

Historische Parallelen des Comebacks

Wenn am Freitag um 5:30 Uhr deutscher Zeit erstmals die Ampeln Grün leuchten, steht der informell dritte Las-Vegas-Grand-Prix final in einer langen motorsportlichen Ahnenreihe. Wie bei einem Großteil der anderen Rennen steckt auch diesmal ordentlich Kasino-Knete dahinter. Dazu zielt der 6,2 Kilometer lange Kurs in Rufweite von "zwei Vorgängern" auf viel Publicity ab.

Die Formel 1 lernte diesbezüglich auch aus einem Kardinalsfehler der Vergangenheit: Anstatt die Leute aus den Zockerhöllen zu locken, verbindet man beide Erlebnisse miteinander. Bei den Temperaturen könnte der Plan des Nachtrennens dafür nach hinten losgehen. So wollte man zwar mit den späten Slots die früheren Hitze-Schlachten umgehen, steht aber nun vor einstelligen Angaben. Die Formel 1 hofft nun, dass die Wette beim bekanntlich glücklicheren dritten Mal aufgeht.

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