Sie haben den Job vor zwei Jahren angetreten. Was lief gut, was lief schlecht?
Krack: Als ich 2022 angefangen habe, war das Auto schon fertig. Es war leider eines der langsamsten Autos im Feld. Wir hatten viele Probleme. Das war ein schwerer Start. Wir konnten uns dann aber im Laufe der Saison gut steigern. 2023 lief es umgekehrt. Wir hatten unsere Hausaufgaben in der Winterpause gemacht. Andere kamen nicht so gut aus den Startlöchern. Aber dann hatten wir Schwierigkeiten über das Jahr mit der Weiterentwicklung. Deshalb ging es für diese aktuelle Saison vor allem darum, eine bessere Balance zu finden und ein Auto mit Entwicklungspotenzial zu bauen. Ich glaube, das ist uns gelungen. Es war wichtig, den Anschluss an die anderen Teams zu halten. Jetzt müssen nach und nach Schritte kommen, um die Lücke zu schließen.
Andere Teamchefs stehen mehr in der Öffentlichkeit. Halten Sie sich selbst bewusst zurück oder ist das eine Entscheidung des Teams?
Krack: Es gibt da keine Vorgaben. Ich bin aber der Überzeugung, dass die Formel 1 ein Teamsport ist. Einer alleine kann da nichts bewegen. Für mich ist wichtig, dass von den Führungspositionen alle präsent sind. Bei Aston Martin geht es nicht um mich, sondern um das Team. Wenn wir gute Leistungen bringen, sollte das nicht an einer Person festgemacht werden. Ich bin niemand, der sich in den Vordergrund drängen möchte. Ich habe Spaß an meinem normalen Leben. Das soll auch so bleiben.
Wenn es nach der Medienpräsenz geht, kann man das Gefühl bekommen, dass Lawrence Stroll der eigentliche Teamchef ist. Dann gibt es auch noch Martin Whitmarsh. Wie sieht die Rollenverteilung genau aus?
Krack: Das Team ist natürlich stark durch Lawrence geprägt. Martin ist der CEO der ganzen Firma. Ich kümmere mich um das Formel-1-Thema, also das Rennteam, die technische Entwicklung und die Finanzen. Es wäre aber überheblich, wenn ich dabei nicht die Erfahrung von Martin nutzen und auch von ihm Ratschläge annehmen würde. Natürlich sind Lawrence und Martin präsentere Personen. Ich habe damit aber überhaupt kein Problem. Wie es nach außen wahrgenommen wird, ist mir ziemlich egal. Ich will nur den Erfolg. Das ist das einzige, was zählt.

Seit dem Saisonstart 2022 sitzt Mike Krack beim F1-Rennstall von Aston Martin auf dem Chefsessel.
Lawrence Stroll wirkt nach außen ziemlich einschüchternd. Er ist bekanntlich auch sehr ungeduldig. Spüren Sie ständig den Druck?
Krack: Natürlich ist der Druck da. Er hat aber auch viel in das Thema reingesteckt, nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Emotionen. Da ist es klar, dass er wissen will, was wir mit dem Geld machen und wann der Erfolg kommt. Er ist ein ungeduldiger Mensch. Aber das sind sicher alle Teambesitzer. Da sagt keiner: Macht mal fünf Jahre und dann schauen wir weiter. Der Druck ist also ständig vorhanden. Wir sind aber auch alle Racer. Wir machen uns den Druck selbst. Es ist nichts, was uns extrem belastet.
Mit Fernando Alonso haben sie ja quasi noch einen Teamchef im Cockpit. Er gab sich zuletzt ziemlich zahm und übt nur noch selten Kritik. Wie haben Sie ihn zum Teamplayer gemacht?
Krack: Es ist eine meiner wichtigsten Aufgaben, die Bälle in der Luft zu halten, damit die ganzen Persönlichkeiten im Team miteinander harmonieren. Fernando ist da ein gutes Beispiel. Meine Herangehensweise ist ziemlich einfach. Ich gehe immer offen, ehrlich und transparent mit allen um. Um eine gute Vertrauensbasis zu schaffen, muss man immer ehrlich miteinander sein. Wenn wir nur das Rennen letztes Jahr in Mexiko als Beispiel nehmen. Da haben wir Fernando ein Auto gegeben, das wahrscheinlich das langsamste im Feld war. Da wäre es einfach für ihn gewesen, seinen Frust öffentlich in den Medien auszutragen. Wir haben es aber geschafft, dass er uns da nicht zerrissen hat. Das zeigt, was für ein Teamplayer er ist.
Waren Sie überrascht, dass er sich so schnell für eine Vertragsverlängerung entschieden hat?
Krack: Wir sind auch hier sehr transparent miteinander umgegangen. Er hat immer gesagt, dass er an dieses Projekt glaubt. Die Worte sind natürlich leicht ausgesprochen. Am Ende wird man immer daran gemessen, was man macht und nicht was man sagt. Die frühzeitige Unterschrift hat gezeigt, dass er wirklich langfristig an das Projekt glaubt und er nicht lange taktiert, was vielleicht für nächstes Jahr das beste Cockpit für ihn wäre. Das hat dem ganzen Team einen extremen Boost gegeben, dass jemand von seinem Kaliber, einem der besten Rennfahrer der Geschichte, dem Projekt sein Vertrauen schenkt. Das hat uns nochmal extra motiviert.

Alonso hat sich unter Krack zum echten Teamplayer entwickelt.
Ihr zweiter Fahrer wird immer demonstrativ in Schutz genommen bei schlechteren Leistungen oder Fehlern. Ist Kritik an Lance Stroll verboten?
Krack: Nein, überhaupt nicht. Kritik findet auch statt. Aber wie bei Fernando tragen wir die Kritik nicht in der Öffentlichkeit aus. Der Lance, den wir im Team kennen, ist ein anderer Lance, den es vielleicht in der öffentlichen Wahrnehmung gibt. Das ist auch einer der Gründe, warum wir uns vor ihn stellen müssen, wenn Kritik von außen kommt. Er ist ein sehr harter Arbeiter. Er fliegt nicht einfach nur ein und setzt sich ins Rennauto, wie es ins Klischee passen würde.
Steht er familiär unter zu viel Druck? Oder setzt er sich selbst zu sehr unter Druck?
Krack: Ich glaube schon, dass er sich selbst viel Druck macht. Das muss man in dieser Situation aber auch verstehen, wenn man so einen starken Teamkollegen hat. Dazu kommt noch dieses ganze Projekt, das um ihn herum gebaut wurde. Wie er damit umgeht, ist vorbildlich. Das ist sicher nicht einfach.
Von den Mittelfeldteams hört man immer, dass zehn Fahrer mit Lance Stroll um den letzten WM-Punkt kämpfen. Ist das respektlos oder einfach die Realität?
Krack: Das ist aus meiner Sicht schon respektlos. Und auch unfair. Wenn man sich seine Entwicklung in den letzten Jahren anschaut, dann hat er sich im Duell mit Sebastian (Vettel) achtsam aus der Affäre gezogen. Auch gegen Fernando hat er sich in den Rennen immer wieder gut geschlagen. Wir müssen aber noch etwas die Konstanz reinkriegen. Da müssen wir dran arbeiten. Die Aussage finde ich respektlos, aber in so einem Umfeld hier in der Formel 1, kann ich das auch verstehen.

Lawrence Stroll hat viel Geld in die Infrastruktur gesteckt. Der Teambesitzer will jetzt Resultate sehen.
In den letzten Jahren wurde nirgendwo so viel Geld in die Infrastruktur investiert, wie bei Aston Martin. Noch ist gar nicht alles fertig. Aber spüren Sie jetzt schon den Fortschritt?
Krack: Auf jeden Fall. Es geht richtig was voran bei uns. Und es ist schön, wenn man ein Teil davon ist. Das alte Jordan-Gebäude ist aus allen Nähten geplatzt. Da war der Umzug ein echter Game-Changer. Jetzt können sich alle sehen und miteinander reden. Früher hatten wir viele kleine Räume mit geschlossenen Türen. Jetzt haben wir eine riesige Arbeitsfläche mit besseren Kommunikationsmöglichkeiten. Das hat sicher schon geholfen. Am Ende zählt aber nur das Ergebnis auf der Rennstrecke. Das gute Auto aus dem Vorjahr ist noch in der alten Fabrik entstanden. Wir müssen uns aber jetzt so aufstellen, dass man nicht eine Saison mal erfolgreich ist und das nächste Jahr wieder nicht. Wir müssen langfristig in der Gruppe der Topteams vorne dabei sein.
Wenn jetzt noch der neue Simulator und der Windkanal ans Netz gehen, sind sie dann in der Entwicklung auf dem Niveau von Red Bull, Ferrari und Mercedes oder fehlt dann noch was?
Krack: Diese Teams haben vor der Budget-Deckel-Ära massiv in die Infrastruktur investiert. Das wird noch länger dauern, bis wir diesen Rückstand komplett aufgeholt haben. Was auch noch fehlt, ist die Schlagkraft und dass wir die neuen Werkzeuge auch maximal zu nutzen. Die anderen Teams waren auch nicht von heute auf morgen vorne dabei. Wir müssen etwas Geduld aufbringen, bis wir den Anschluss schaffen. Wir sollten es aber nicht als Entschuldigung hernehmen, wenn jetzt der ein oder andere Prüfstand noch nicht da ist. Wir müssen schon abliefern. Wir werden nicht fünf Jahre haben, um uns zu beweisen.
Der Regelumbruch 2026 bietet eine große Chance. Wie viele Mitarbeiter sind jetzt schon voll in dem Projekt involviert?
Krack: Wir haben schon eine Reihe von Mitarbeiter für die Zusammenarbeit mit Honda und Aramco und auch für die Reglementfindung abgestellt. Da geht es um Simulationen, um die Prüfstandsarbeit und das Packaging. Alle Teams müssen hier jetzt schon mit den ersten Studien beginnen. Allerdings gibt es noch viele unbekannte Faktoren, wie zum Beispiel das Fahrzeuggewicht. Da zittert momentan jeder vor sich her, wo dieses Thema hingeht. Auch über den Budget-Deckel wird noch diskutiert. Dazu müssen wir parallel noch die aktuelle Entwicklung leisten. Wir laufen da schon etwas auf der Felge im Moment.

Ab 2026 klebt das Honda-Logo auf der Aston-Motorhaube. Dank Photoshop zeigen wir Ihnen hier schon mal, wie das aussehen könnte.
Bemerken Sie jetzt schon in der Zusammenarbeit mit Honda, dass sie von den Vorteilen als Werksteam profitieren werden?
Krack: Es ist einfach eine andere Beziehung. Man ist sehr viel offener miteinander. Ich möchte damit aber nicht sagen, dass wir eine schlechte Beziehung zu unserem jetzigen Partner haben. Wir haben ein sehr gutes Paket, das vor allem extrem zuverlässig ist. Das müssen wir erst einmal erreichen, wenn wir zum Beispiel unser eigenes Getriebe bauen. Es sind einfach andere Randbedingungen. Das Kundenpaket muss robust und zuverlässig liefern. Das zukünftige Paket muss aber auch noch maximal performen.
Ihre Ingenieure können dem Motorenpartner jetzt sagen, wie Sie es haben wollen. Ist das nicht eine große Umstellung?
Krack: Das ist absolut einer der wichtigen Punkte. Wir haben aktuell noch eine andere Kultur. Da müssen wir so schnell wie möglich Wege finden, uns gegenseitig zu fordern, obwohl wir uns noch nicht so gut kennen. Das ist sehr anspruchsvoll. Wir waren vor kurzem in Sakura und haben dort auch einen sehr guten Draht gefunden. Bei Honda sind sie auch Racer. Das verbindet uns. Das ist eine sehr gute Basis.
Muss Aston Martin auf die neuen Regeln warten oder ist es schon vor 2026 realistisch möglich, die Lücke nach ganz vorne zu schließen?
Krack: Ich habe im Fahrerlager schon gehört, dass andere 2025 als Übergangsjahr sehen und sich voll auf 2026 konzentrieren. Aber wir machen das auf keinen Fall. Was wir vorher noch lernen, kann man auch für 2026 nutzen. Es ist auch wichtig, vorher schon in dem Pack ganz vorne fahren zu können und das dann nicht erst lernen zu müssen. Wir haben da letzte Saison in Monaco schon eine gute Lektion bekommen, wenn man plötzlich Entscheidungen treffen muss, die in alle Richtungen ausschlagen können. Wo man dann nachher auch in der Öffentlichkeit steht. Solche Sachen muss man als Team lernen. Mit diesem Druck muss man umgehen. Wenn wir die Lücke technisch schließen, können wir auch operativ viel lernen. Deshalb sollten wir jetzt nicht den Fuß vom Gas nehmen und ein Projekt dem anderen bevorzugen.
Diese Saison läuft es im Qualifying regelmäßig besser als im Rennen. Lässt sich der hohe Reifenverschleiß mit Setup-Arbeit und Upgrades in den Griff bekommen oder liegt das in der DNA des Autos?
Krack: Es liegt in der Charakteristik des Autos, aber es ist nicht so, dass man das über das Jahr nicht ändern kann. Wichtig ist, dass man das Problem erst einmal identifiziert. Ich glaube, das ist uns gelungen. Jetzt geht es darum, es mit kurzfristigen Mitteln wie dem Setup zu mildern. Und dann mit konstruktiven Maßnahmen zu beheben. Das geht leider nicht von heute auf morgen. Für die Fahrer ist es natürlich schwierig. Sie müssen ständig defensive Rennen fahren. Da kann es auch mal Strafen hageln. Da ist natürlich keiner happy. Jeder, der als Dritter losfährt, der will auch mindestens als Dritter ankommen. Man muss realistisch umgehen mit so einer Situation und das Beste daraus machen.