Am Morgen wirkte Michael Schumacher noch nicht wie ein Fahrer, der zurücktreten will. Er strampelte mit Timo Glock auf dem Rennrad um die Strecke von Suzuka. Als Glock nach drei Runden ausstieg, trat Schumacher weiter eifrig in die Pedale. Ist das ein Mann, der wenige Stunden später seinen Rücktritt erklären will? Man hatte eher den Eindruck, dass Schumacher sich für eine Fortsetzung der Karriere fit hält.
Schumacher-Rücktritt deutete sich an
Doch dann kamen schon die ersten Zweifel auf. Die Medienrunde von Michael Schumacher wurde um eine Viertelstunde nach vorne gelegt. Außerdem sollten Norbert Haug und Ross Brawn assistieren. Da dämmerte den meisten bereits, dass es hier nicht nur darum geht, den Wechsel von Lewis Hamilton zu Mercedes zu kommentieren. Da ahnte man, dass mehr dahintersteckt. Und als dann Schumacher mit einem Blatt Papier an das Pult trat, war alles klar. Der siebenfache Weltmeister tritt zurück. Ein zweites Mal nach 2006. Und diesmal für immer.
Wer damals in Monza 2006 dabei war, der wurde aus Schumachers Erklärung nicht ganz schlau. Da kam der Satz, dass die Batterien leer sein, dass er nicht mehr die Motivation aufbringe, die er von sich selbst verlange. Die Körpersprache stimmte aber nicht mit den Worten überein. Viele hatten ihre Zweifel daran dass Schumacher damals alles gesagt hatte.
Die Situation war durchaus vergleichbar mit heute. Ferrari hatte Kimi Räikkönen an Bord genommen, und es lag an Schumacher zu entscheiden, ob er sich neben dem Finnen eine weitere Saison antun wolle oder nicht. Er hätte weiterfahren können, aber er wollte nicht. Schumacher wirkte damals weder glücklich, noch überzeugend. So als ob er selbst nicht wusste, ob er da die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Schumacher-Rücktritt als Befreiung
Diesmal sagte Schumacher nicht nur "ich fühle mich erleichtert", er war es auch. Man spürte keine Wehmut in seinen Worten. Eher, als wäre eine große Last von ihm gefallen. Lewis Hamiltons Transfer zu Mercedes hat ihm die Entscheidung abgenommen. "Sie hat mir geholfen, meine eigenen Zweifel, ob ich weitermachen soll oder nicht, zu beantworten. Es war wie eine Befreiung."
Die Spekulationen, dass er für Sauber oder Williams fahren könnte, standen für Schumacher nicht zur Debatte. "Ich habe nicht mehr drüber nachgedacht, weil ich nicht mehr fahren wollte." Auch wenn ihm Teams vom Schlage von McLaren oder Ferrari ein Angebot gemacht hätten, "hätte das nichts an meinen Zweifeln geändert."
Die Begründung, warum Schumacher aufhört, kommt einem bekannt vor. "Die Batterien sind im roten Bereich. Wie vor sechs Jahren auch." Diesmal aus anderen Gründen. "Die Lust am Fahren nährt sich auch an der Wettbewerbsfähigkeit deines Autos. Und wenn ich nicht hundertprozentig von dem überzeugt bin was ich tue, ist es besser aufzuhören und meine Freiheit zu genießen." Den Beweis, dass er im Alter von 43 Jahren noch mit den besten Fahrern der Welt mithalten kann, hat Schumacher geleistet. Spätestens seit seiner Trainingsbestzeit in Monte Carlo musste das jedem klar sein.
Nur noch sechs Rennen mit Schumacher
Nur zum Sieg hat es nicht gereicht. Betrachtet der 91-fache GP-Sieger deshalb seine zweite Karriere als unvollendetes Geschäft? "Ich habe ja noch sechs Rennen Zeit", lächelt Schumacher, wohl wissend, dass sein aktueller Mercedes kein Siegerauto ist. "Wir haben unsere Ziele verfehlt. Zusammen mit Mercedes wollte ich ein Auto entwickeln, dass die Weltmeisterschaft gewinnen kann. Das ist uns nicht gelungen, und daran müssen wir uns messen lassen."
Trotzdem blickt Schumacher nicht im Bösen zurück: "Ich kann mit meiner Karriere zufrieden sein. Die letzten drei Jahre haben mir viel gegeben, auch wenn sie nicht so gelaufen sind wie erwartet. Aber ich habe viele Dinge gelernt. Offener und entspannter zu sein, ohne den Fokus zu verlieren. Zufrieden zu sein, auch wenn man nicht gewinnt. Dazu war ich im ersten Teil meiner Karriere nicht in der Lage."
Schumacher glaubt nicht, dass die Zeit von 2010 bis 2012 an seiner Legende kratzt: "Das ist nur ein Schnappschuss meiner Karriere und wird nichts von dem kaputtmachen, was ich in der Formel 1 erreicht habe." Der Rekordsieger gibt zu, dass Verlieren charakterbildend sein kann. "Wenn du gewinnst, sind alle happy und klopfen dir auf die Schulter. Das ist viel einfacher als mit Niederlagen umzugehen und trotzdem nicht den Mut zu verlieren und unbeirrt weiterzumachen. Das hat mich als Mensch weitergebracht."
Hamilton-Verpflichtung macht Abschied perfekt
Schumacher bestreitet, dass ihn der Transfer von Hamilton vor vollendete Tatsachen gestellt hat. Erstens hätte er viel früher im Jahr seinen Vertrag verlängern können, wenn er sich über seine Absichten im Klaren gewesen wäre. "Und dann war ich immer in die Entscheidungsfindung involviert. Ich konnte dem Team ohnehin keine langfristige Basis mehr bieten. Selbst wenn ich mich für ein Weitermachen entschieden hätte, wäre das von kurzfristiger Dauer gewesen." Teamchef Ross Brawn bestätigte: "Wir brauchten eine langfristige Zusage. Als dann Lewis auf dem Markt war, haben wir zugegriffen. So eine Chance kommt nicht alle Tage."
Was die Zukunft bringen wird lässt Schumacher offen. "Das habe ich schon nach meinem ersten Rücktritt getan. Ich fahre jetzt erst einmal die Saison zu Ende und überlege mir dann, was ich mit meiner Zeit anfange. Es gibt Möglichkeiten, im Konzern weiterzuarbeiten." Schumacher muss dem Motorsport also nicht endgültig verloren gehen. Nur als Fahrer wird man ihn nicht mehr in der Formel 1 sehen. "Diesmal war es wohl endgültig", gibt er zu.