Miami Autodrome in der Kritik

Miami Autodrome in der Kritik
Gute Strecke für Autorennen?

GP Miami 2022
Veröffentlicht am 13.05.2022

Volle Tribünen, volle VIP-Lounges, ein Fahrerlager, das aus allen Nähten platzte. Es war fast ein Hindernislauf, wenn man in der engen Gasse zwischen Hard Rock Stadium und den Boxengaragen von A nach B kommen wollte. Die USA schickten alles auf den Laufsteg was sie zu bieten hatten, von Superstars bis zum C-Promi aus Sport, Politik und Gesellschaft.

Auch die Sponsoren wollten am Goldrausch teilhaben. Haas-Teamchef Guenther Steiner erklärte: "Der Hype war so gewaltig, dass es für viele ein Privileg war für 15.000 Dollar ein VIP-Ticket zu kaufen."

Die Formel 1 freute sich über so viel Aufmerksamkeit in ihrem neuen Markt, wusste aber auch, dass man den Zuschauern eine gute Show auf der Strecke bieten musste, damit sie alle nächstes Jahr wiederkommen und in der Formel 1 keine Mogelpackung sehen.

Laut Mario Andretti ist das Interesse nicht oberflächlich, wie man auf den ersten Blick vermuten mag: "Wenn sich die Amerikaner mal für etwas interessieren, dann richtig. Die fragen dich über jedes Detail aus. Die Komplexität dieses Sports fasziniert sie."

Charles Leclerc - Ferrari - GP Miami 2022 - USA
xpb

Gute Strecke mit einem Schönheitsfehler

Die Rennstrecke hat trotz anfänglicher Beschwerden ihren Test bestanden. Es gibt spektakuläre Passagen mit Kurven bis zu 260 km/h, es gibt einen langsamen technischen Teil und drei Stellen an denen überholt werden kann. Und man durfte sich nicht den kleinsten Fehler erlauben, wie die Unfälle von Carlos Sainz und Esteban Ocon zeigten.

Lewis Hamilton sprach von einer "tollen Strecke mit einem Schönheitsfehler". Wie viele seiner Kollegen beschwerte er sich über die enge Schikane. Carlos Sainz erwiderte: "Rennstrecken brauchen auch langsame Passagen." Tatsächlich hätten die Fahrer am liebsten nur schnelle Kurven, in denen ihre Autos wie auf Schienen fahren. Aus Zuschauersicht sind die langsamen Streckenteile aber oft spektakulärer, weil sich das Auto dort mehr bewegt.

Doch auch Sainz gab zu, dass die Links/Rechtskombination am Limit für die modernen Autos war: "Sie sind so lang, so breit, so schwerfällig. Wenn du die Randsteine vermeidest, brauchst du schon Glück, um die Kurve überhaupt rumzukommen."

Max Verstappen rät: "Macht die Linie ein bisschen flüssiger, wenn der Platz dafür vorhanden ist. In einem Kart wäre die Kurve toll, in einem Formel-1-Auto ist es manchmal eine Qual. Mit unseren hart gefederten Autos tut es echt weh, über die Randsteine zu räubern."

Charles Leclerc war der einzige Pilot aus dem Siegertrio, der dem Nadelöhr etwas abgewinnen konnte: "Mir hat die Stelle Spaß gemacht, weil man beim Einlenken extrem präzise sein musste. Im Verkehr ist die Schikane aber tückisch, weil du wegen des Hügels schlecht sehen kannst, wo du hinfahren musst, wenn ein Auto vor dir liegt. Deshalb ist es schwierig am Gegner dranzubleiben. Deshalb wäre eine etwas weniger eckige Linie hilfreich. Du bist dann vor der langen Geraden näher dran am Vordermann."

Fernando Alonso - Alpine - GP Miami 2022
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Asphalt mit Grip auf Rollsplit

Die größte Kritik musste der Asphalt einstecken. Da steckte nicht einmal Absicht dahinter. Die Vorschriften des Bundesstaats Florida schrieben vor, dass Baumaterialien von lokalen Lieferanten verwendet werden müssen. Außerdem übertrieben es die Streckenbetreiber bei der Hochdruckreinigung, vermutlich aus Unwissenheit.

Am Ende löste sich das Bindemittel aus dem Belag und exponierte kleine Steine in der Oberfläche, die sich dann lösten, als die Autos darauf fuhren. Das vermittelte den Fahrern ein Gefühl, dass sie noch nie erlebt hatten. "Auf der Ideallinie war Grip, und es fühlte sich trotzdem wie auf Rollsplit an. Das Auto war immer in Bewegung", erzählte George Russell.

Die kleinen Kieselsteine wurden zusammen mit den Reifenschnipseln neben die Ideallinie transportiert, wo von einem Meter auf den nächsten plötzlich gar keine Haftung mehr war. Russell verglich es mit: "Fahren auf Slicks mit einer trockenen Spur nach einem Regen." Man musste unter allen Umständen vermeiden, in diese Zone zu kommen. "Ich wäre fast einmal in die Boxenmauer gekracht, weil ich in der vorletzten Kurve etwas zu weit neben die Spur gekommen bin."

Valtteri Bottas verlor so seinen fünften Platz. Der Finne bremste mit den zwei Mercedes im Nacken eine Spur zu spät, geriet auf den Dreck und von dort ging es in Schrittgeschwindigkeit direkt in die Mauer. An der Stelle kam erschwerend hinzu, dass der Veranstalter noch einmal mit einem frischen Asphaltstück nachbessern musste. Das bot noch einmal ein anderes Gripniveau als der normale Asphalt.

Alpine - GP Miami 2022
Wilhelm

Wolff gibt Miami eine 9 von 10

Befürchtungen, die GP-Premiere in Miami könnte eine Prozession werden, erfüllten sich nicht. Es gab zwar nur die eine Fahrspur, doch genau das provozierte Fehler und eröffnete Möglichkeiten zum Angriff. Sogar auf der kurzen Zielgerade wurde überholt. Der Asphalt sorgte dafür, dass bei den einen sich die Reifen stärker abnutzten als bei den anderen oder der Gummi eine kürzere oder längere Aufwärmphase brauchte.

Insgesamt zählte das Protokoll 44 Überholmanöver. Die wenigsten davon wirkten einfach. DRS war eine Hilfe, aber kein Garantieschein zum Überholen. Dass sich das Feld in zwei Gruppen teilt, vorne Red Bull und Ferrari, dann lange nichts und dann der Rest, daran haben wir uns schon gewöhnt. Das hat nichts mit der Strecke zu tun.

Sehr wohl aber die Safety-Car-Phase, die dem Grand Prix ein zweites Leben einhauchte. Die Streckenführung und der eigenartige Asphalt erhöhten die Wahrscheinlichkeit eines Zwischenfalls. Viele wunderten sich, dass es 40 Runden lang dauerte, bis es so weit war.

Miami muss für die nächste Ausgabe 2023 nicht viel nachbessern. Vielleicht eine etwas flüssigere Linie durch die Schikane, Tecpro oder Reifenstapel ausgangs Kurve 13 und eine Korrektur am Asphalt, wenn Wind und Wetter es nicht von alleine bewerkstelligen. Mercedes-Teamchef Toto Wolff gab dem ersten Grand Prix in Amerikas Sonnenstaat eine 9 von 10.