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Interview mit Mercedes-Technikchef Elliott
Die Lehren aus dem Bouncing-Drama

Mercedes kam 2022 nur auf einen Saisonsieg. Der W13 hoppelte anfangs über die Rennstrecken dieser Welt und war auch gegen Saisonende noch immer schwer zu fahren. Technikchef Mike Elliott führt aus, wie die Ingenieure gegen das Bouncing vorgingen, und in welche Richtung sich der 2023er Mercedes bewegt.

Mike Elliott - George Russell - Mercedes - GP Spanien 2022 - Barcelona
Foto: Wilhelm

Mercedes ist 2022 mit einem ungewöhnlichen Auto angetreten. Waren Sie überrascht, dass Sie die einzigen waren, die dieses Konzept gewählt haben?

Elliott: Nicht wirklich. Wir waren überrascht, dass kein anderer dieses Schlupfloch gefunden hat. Wenn du diesen Weg gegangen bist, ist es sehr schwer, etwas anderes zu kopieren.

In welchem Maß hat dieses Konzept zu den Problemen beigetragen, mit denen Sie sich später herumschlagen mussten?

Unsere Highlights

Elliott: Wir haben nur einen partiellen Blick auf die Dinge. Wir sehen nur, was unser Auto macht. Es ist schwierig zu beurteilen, wie die anderen Konzepte reagieren. Wir haben versucht, die Probleme zu verstehen und in eine Lage zu kommen, die Leistungsschwankungen von Strecke zu Strecke vorherzusagen. Es hat nichts mit der Form der Seitenkästen zu tun, sondern mehr damit, wie wir das Auto konzipiert und welche Ziele wir uns gesetzt hatten.

Das Konzept des Mercedes lässt viel freie Fläche auf dem Unterboden. War das Teil des Problems?

Elliott: Nicht wirklich. Es machte uns mehr Kopfzerbrechen, dass wir den Boden steif genug hinkriegen und dass er sich bei hohen Geschwindigkeiten nicht zu stark verbiegt. Wir haben das aber mittlerweile gelöst.

Mercedes - Formel 1 - GP Abu Dhabi 2022
Wilhelm
Mercedes sammelte 515 Punkte. 2021 waren es noch 613,50 Zähler gewesen.

Wie viele der Probleme, die zu Saisonbeginn aufgetreten waren, wurden am Ende gelöst?

Elliott: Das ist schwer zu beantworten. Zu Beginn der Saison hatten wir mit aerodynamisch generiertem Bouncing zu tun, wie alle anderen auch. Das hat die wahren Probleme des Autos überdeckt. Mit unserem Upgrade in Barcelona sind wir den Großteil des Aero-Bouncings losgeworden. Das Bouncing, das am Ende noch da war, wurde durch Bodenwellen ausgelöst. Das ist diesen Autos, die knapp über der Straße liegen, angeboren.

Anfangs konnten wir uns das nicht erklären, warum es von Strecke zu Strecke immer anders aussah. Später sind unsere Vorhersagen genauer geworden. Unsere Simulationen lieferten uns eine ziemlich genaue Aussage darüber, welche Strecke gut oder schlecht für uns ist. Wir haben jetzt auch eine gute Theorie, was wir machen müssen, damit uns das nächste Saison nicht wieder passiert. Das gibt uns das Selbstvertrauen über den Winter. Aber in der Formel 1 weißt du leider nie alles.

Im Windkanal war der Mercedes das schnellste Auto. Auf der Strecke hat sich das nicht bestätigt. Vertrauen Sie noch Ihren Werkzeugen?

Elliott: Der Windkanal gab uns die richtigen Antworten, wo wir Rundenzeit finden können. Was wir nicht hinbekommen haben, war, wie wir den Abtrieb nutzen und wie das mit dem Rest des Autos zusammenarbeitet.

Wann mussten Sie die ersten großen Komponenten des 2023er Autos absegnen?

Elliott: Das Chassis und die größeren Teile des Autos wurden Mitte Oktober freigegeben. Die Verkleidung deutlich später. Der Teufel steckt im Detail. Wir bauen die Aerodynamik um das grobe Gerüst des Autos herum auf.

Der Großteil der Rundenzeit wird unter dem Auto generiert. Ist die Form der Seitenkästen egal?

Elliott: Der bei weitem wichtigste Teil des Autos ist das Profil auf der Unterseite. Der Frontflügel bestimmt, wie der Abtrieb über das Auto verteilt wird. Die Verkleidung hat eine ähnliche Bedeutung. Auch wenn unser Auto von außen komplett anders aussieht, hat seine Form nichts mit unseren Problemen zu tun. Als ehemaliger Aerodynamiker schaust du zunächst darauf, wie deine Aerodynamik arbeiten soll. Wie das Strömungsfeld aussehen soll, um das zu bekommen, was ich haben will. Es geht nie um ein von außen sichtbares Teil am Auto.

Traf Sie das Bouncing überraschend?

Elliott: Wir wussten, dass die Groundeffect-Autos der Vergangenheit dieses Phänomen hatten, und wir sprachen auch darüber in der Konstruktionsphase. Wir haben nicht erwartet, dass es gar keine Probleme geben wird, allerdings ließ keine der Simulationen erahnen, wie gravierend das Problem sein würde. Ich glaube, die Erfahrung haben alle gemacht. Es ist sehr schwer, das Problem im Windkanal nachzustellen und in der CFD-Simulation wäre es sehr teuer, ein Rechenmodell dafür zu erstellen. Deshalb haben wir die vom Reglement erlaubten Ressourcen im CFD nicht dafür verwendet, das Bouncing zu simulieren.

Russell - Hamilton - GP Brasilien 2022 - Sao Paulo - Rennen
Wilhelm
Die Zuverlässigkeit war das große Faustpfand. Mercedes holte in jedem Rennen Punkte, und in Brasilien einen Doppelsieg.

Wie haben Sie das Problem dann gelöst?

Elliott: Einerseits durch Versuche und klassische Kopfarbeit, andererseits durch das Entwickeln neuer Werkzeuge. Wir reden immer über Korrelation zwischen Windkanal und Realität. Der Windkanal und CFD werden immer nur eine Annäherung an die Wirklichkeit sein. Die Kunst des Ingenieurs ist, diese Annäherung mit den Daten von der Strecke zu vergleichen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Das war immer so. Als wir das Bouncing bemerkten, war klar, dass wir da eine Lösung brauchten. Also haben wir Werkzeuge entwickelt, die uns helfen, das zu tun.

Werden Sie 2023 mehr auf ein größeres Arbeitsfenster als auf maximalen Abtrieb setzen?

Elliott: Unsere Ziele werden andere sein als 2022. Einige der Probleme rührten daher, welche Aerodynamikziele wir uns gesetzt hatten. Wir haben schon Änderungen gemacht, und es wird weitere geben. Wir hoffen, das reicht, um 2023 wieder vorne mitzufahren.

Der Unterboden wird 2023 an den Kanten um 15 Millimeter angehoben. Welchen Unterschied macht das aus?

Elliott: Ich glaube nicht, dass es einen großen Unterschied ausmachen wird. Wir alle werden einen Weg drumherum finden und uns adaptieren. Es hat den Startpunkt unserer Entwicklung nicht verändert. Der Abtriebsverlust hängt davon ab, mit welcher Bodenfreiheit man fährt. Er kann hoch sein, aber auch sehr klein.

Wie viel kleiner ist das Arbeitsfenster eines Groundeffect-Autos gegenüber den Vorgängern?

Elliott: Mit diesen Autos findest du den größten Abtrieb, wenn du möglichst tief fährst. Und dann musst du mit den Phasen klarkommen, wenn das nicht möglich ist. Es ist kein riesiger Unterschied zu früher, eher ein kleiner.

Wie viel Entwicklungszeit hat Ihnen das Bouncing gekostet?

Elliott: Normalerweise erkennst du die Probleme deines Autos während der Wintertestfahrten und versuchst, sie bis zum ersten Rennen zu lösen. Diesmal war das anders. Red Bull hat das Problem wahrscheinlich am schnellsten gelöst. Sie fanden eine Lösung am Ende der Testfahrten. Andere glaubten, es gelöst zu haben, und dann kam es zurück. In unserem Fall war es so dominant, dass wir uns um verschiedene Bereiche des Autos gar nicht kümmern konnten.

Normalerweise versuchst du, nicht nur Abtrieb zu finden, sondern auch deinem Auto eine Charakteristik durch die Kurven zu geben, so dass die Fahrer es ausbalancieren können, wie sie es wünschen. Diese Arbeit wird normalerweise während der Wintertestfahrten gemacht. Da arbeitest du an den Setups. Wir mussten das verschieben. Und als wir das Bouncing gelöst hatten, fanden wir plötzlich, dass es da noch andere Probleme gab, die wir lösen mussten.

Wären Sie ohne Budgetdeckelung früher auf eine Lösung gekommen?

Elliott: Der Kostendeckel ist immer ein Problem, wenn du Zeit aufholen musst. Wir haben nur eine begrenzte Anzahl an Ingenieuren. Man muss sich bei der Fahrzeugentwicklung genau überlegen, wie man mit diesen Ressourcen am sinnvollsten umgeht. Man kann nicht mehr einfach alles machen. Wenn wir eine große Gruppe an Ingenieuren auf das Bouncing angesetzt hätten, wären andere Arbeiten liegengeblieben. Ohne Budgetdeckelung hätten wir mehr Problemfelder gleichzeitig abdecken können.

Was waren die anderen versteckten Probleme?

Elliott: Wenn ich die jetzt verrate, dann wüsste die Konkurrenz zu gut über die Lösungen Bescheid, die wir gefunden haben. Die einfachste Antwort ist die: Das Auto, das wir unseren Fahrern zur Verfügung gestellt haben, ist nicht das Auto, das wir uns gewünscht haben. Die Fahrer berichteten, dass es schwer zu fahren ist. Und wir wissen inzwischen, warum.

Mercedes Teamfoto - Formel 1 - GP Abu Dhabi  - 17. November 2022
Wilhelm
Der dritte WM-Platz ist eine Enttäuschung. 2023 wollen Hamilton und Russell mit einem besseren Auto um den WM-Titel fahren.

Die Groundeffect-Autos sind sehr hart gefedert. Wird sich das ändern?

Elliott: Wenn Sie sich die Fahrzeughöhe der 2021er Autos anschauen, dann hat das zu weicheren Federn eingeladen. Mit dieser Generation Auto kann man das vergessen. Die Bodenfreiheiten sind deutlich geringer, und auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Autos.

Der Mercedes brauchte ewig, die Reifen aufzuwärmen, ging aber im Rennen schonend mit ihnen um. War das Teil der DNA des Autos oder hätten Sie es schnell ändern können, wenn Sie wollten?

Elliott: Ich würde das nicht auf die Charakteristik mit den Reifen schieben. Dort, wo wir im Rennen gut abgeschnitten haben, waren wir auch in der Qualifikation ganz ordentlich dabei. Unsere Probleme traten auf eine Runde nur übertrieben zutage.

Der Mercedes war wie viele Autos zu Saisonbeginn stark übergewichtig. Welche Rolle spielte das für die Balance?

Elliott: Wenn wir ehrlich zu uns sind, dann haben wir nicht das abgeliefert, was wir wollten. Gewicht war nicht unser größtes Problem. Jeder weiß, wie viel Rundenzeit du findest, wenn dein Auto leichter wird. Dieses Problem können wir immer lösen, spätestens über diesen Winter. Es war viel wichtiger, die anderen Probleme zu verstehen. Würden wir das nicht tun, würden wir nächste Saison das Gleiche erleben.

Das Interview haben wir zum Ende der Saison 2022 geführt.

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