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Strategie-Coup von Mercedes
Warum war ein Stopp schneller als zwei?

GP Belgien 2024

Eigentlich war ein Stopp in Spa unmöglich. Fünf Fahrer haben es trotzdem durchgezogen. George Russell war mit dieser Taktik für drei Stunden der Sieger. Mercedes hatte nie diesen Plan. Er reifte erst ab der 30. Runde.

George Russell - GP Belgien 2024
Foto: Motorsport Images

Erinnern Sie sich an den GP Ungarn? Keiner hielt es für möglich, mit einem Stopp bei 48 Grad Asphalttemperatur mit nur einem Reifenwechsel über die Distanz zu fahren. Yuki Tsunoda traute sich. Und wurde so Zehnter. Nicht, dass Toro Rosso oder der Japaner diesen Coup geplant hatten. "Er ergab sich einfach so. Irgendwann im Rennen haben wir gemerkt, es könnte klappen. Weil uns ein zweiter Stopp aussichtslos zurückgeworfen hätte, haben wir es einfach probiert", erzählt Chefingenieur Alan Permane.

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Eine Woche später in Spa bot sich das gleiche Bild. Ein Stopp? Eigentlich undenkbar. Alle hatten Respekt vor zu hoher Reifenabnutzung. Der Regen am Samstag, ein neuer Asphalt auf 50 Prozent der Strecke und höhere Temperaturen im Rennen als erwartet drohten den Reifen hart zuzusetzen. Viele hatten schon am Freitag bei kühlerem Wetter das Gefühl, dass die Reifen in die Knie gehen könnte. Wegen thermischer Überlastung im Sektor 2 auf dem alten Asphalt, wegen Körnen auf den neu asphaltierten Stellen.

Impressionen - Formel 1 - GP Belgien - Spa-Francorchamps - 25. Juli 2024
ams

Der neue Asphalt in Spa bot mehr Grip und verhinderte einen hohen Reifenverschleiß.

Einstopper fuhren auf Sicht

Doch dann kam alles anders. "Der neue Asphalt hatte mehr Grip, und die hohen Temperaturen haben das Körnen verhindert. Beides zusammen hat den Reifen geholfen und sie länger am Leben gehalten als erwartet", erklärte Fernando Alonso, der mit der gleichen Taktik wie Russell Achter wurde. Auch Lance Stroll, Yuki Tsunoda und Kevin Magnussen reichte ein Stopp.

Alle flogen auf Sicht. "Es war eines dieser Rennen, bei denen du dich nicht nur an deinen Plänen A, B oder C festhalten darfst, sondern im Moment auf die jeweilige Situation reagieren musst", beschreibt Aston-Martin-Chefingenieur Tom McCullough das Szenario, das dazu führte, dass Fernando Alonso und Lance Stroll auf den zweiten Stopp verzichten konnten.

Nichts war geplant. "Hätten wir damit spekuliert, hätten wir Fernando nicht schon nach 13 Runden an die Box geholt. Wir haben da auf die Spitzengruppe reagiert, die überraschend früh die Reifen gewechselt hat. Wenn die dann deine Wege kreuzen, verlierst du zu viel Zeit. Also gehst du besser auch an die Box", erklärte McCullough.

George Russell - GP Belgien 2024
xpb

George Russell selbst hatte am Funk angeregt, es mit nur einem Boxenstopp im Rennen zu versuchen.

Russells Sieg nie auf dem Radar

Auch der spätere Sieger hatte zu dem Zeitpunkt keine Ahnung, was das Rennen für ihn bringen würde. George Russell rechnete wie alle anderen mit zwei Boxenstopps. Mercedes holte ihn schon in der zehnten Runde aus dem Verkehr, um mögliche Undercuts anderer Fahrer abzuwehren. Russell war zu dem Zeitpunkt unauffälliger Fünfter.

Der Österreich-Sieger rückte erst viel später in den Radar der Konkurrenz. Und er wurde selbst für Mercedes erst im letzten Renndrittel ein Kandidat für das Podium. "An einen Sieg haben wir nie gedacht", gaben die Strategen im Basislager in Brackley zu. "Je länger das Rennen dauerte, umso mehr hielten wir es für möglich, George vor Norris, Verstappen, vielleicht sogar Leclerc ins Ziel zu bringen."

Erst als Oscar Piastri seine Führung nach dem zweiten Boxenstopp in Runde 31 an Russell abtrat, reifte bei dem Engländer und am Kommandostand der Plan, die harten Reifen, die er in Runde 10 aufgezogen hatte, ohne Einbruch bis zum Ende durchzubringen. Es war ein Reifenflüstern auf höchstem Niveau. Russell fuhr ab der 25. Runde nur noch 1.47er-Zeiten. Seine letzte Runde war seine schnellste.

George Russell - Formel 1 - GP Belgien 2024
Motorsport Images

George Russell beförderte die Ein-Stopp-Strategie auf der Strecke vor Teamkollege Lewis Hamilton.

Risiko für Russell überschaubar

Die Strategen stimmten dem Poker, den Russell angeregt hatte, zu: "Wenn die Reifen noch eingebrochen wären, hätte es immer noch zu Platz sechs gereicht. Das Risiko war überschaubar." Die imaginäre Reißleine war der Abstand zu Perez. "Wir sind langsam aus seinem Boxenstoppfenster rausgekommen. Das hat uns darin bestärkt, George draußen zu lassen." Tatsächlich wäre Russell mit 19,6 Sekunden Vorsprung in der 31. Runde bei einem zweiten Stopp noch hinter den Mexikaner gefallen. In Runde 35 wäre es bei einem Delta von 21,4 Sekunden eng geworden. Ab der 39. Runde war Russell mit einem Polster von 23,6 Sekunden sicher.

Hamilton und Piastri schlossen zwar noch auf Russell auf, aber sie kamen nicht mehr vorbei. Das war neben der deutlich geringeren Reifenabnutzung die zweite Überraschung des Tages. Überholen gestaltete sich in Spa schwieriger als sonst. Was mit dem ähnlichen Speed der Spitzenautos und der Verkürzung der DRS-Zone um 75 Meter zu tun hatte.

George Russell - Formel 1 - GP Belgien 2024
xpb

Russells Jubel über seinen Sieg hielt nur kurz. Sein Auto war unterhalb des Gewichtslimits. Er wurde disqualifiziert.

Stallregie wäre ungerecht

Stallregie wäre bei Mercedes nur ins Spiel gekommen, hätte das Rennen noch länger gedauert. So aber war die Konstellation für Mercedes perfekt. Der schnellere Hamilton schützte Russell, der ihm DRS spendete, um sich gegen Piastri zu wehren. Hamilton konnte seinerseits nicht erwarten, dass Mercedes die Reihenfolge umdreht. Er wurde nicht benachteiligt, weil Russells Erfolgsrezept gar nicht auf der Agenda stand.

Natürlich meinte Hamilton hinterher, dass auch seine Reifen mehr hergegeben hätten. Dass es auch bei ihm zu einem Stopp gereicht hätte, wusste man erst hinterher. Der Rekordsieger fuhr in einem ganz anderen Rennen als Russell. Mit dem ersten Stopp in Runde 11 wollte Mercedes einem Undercut von Charles Leclerc zuvorkommen. "Das Risiko hinter den Ferrari zu fallen, schien uns größer als die Zuversicht, dass die Reifen bis zum Ende halten könnten", hieß es aus der Kommandozentrale.

Vor dem zweiten Stopp konnte Hamilton genug Vorsprung auf Leclerc herausfahren, um auf ihn zu reagieren. Die Erklärung: "Er war zu dem Zeitpunkt unser Gegner. Als Leclerc reinkam, hatten wir eine Runde Zeit zu überlegen. Durchfahren schlossen wir zu dem Zeitpunkt noch aus. Lewis hatte viel mehr zu verlieren als George. Er fuhr um den Sieg."

Am Ende wurde der Mut zum Risiko nicht belohnt. Das Auto mit der Startnummer 63 wurde disqualifiziert. Vielleicht war es der Reifenabrieb von 34 Runden, der am Ende fehlte. Hamiltons Reifen hatten im Ziel nur 18 Runden abgespult und dementsprechend mehr Gummi auf der Lauffläche.

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