Mercedes-Fortschritt dank Rückschritt: Neue Hinterachse landet im Müll

Mercedes zurück auf dem Podium
Upgrade kommt in den Mülleimer

GP Ungarn 2025
ArtikeldatumVeröffentlicht am 06.08.2025
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Dieses Ergebnis kommt uns bekannt vor. Beim GP Miami feierte McLaren einen Doppelsieg. Als Dritter stand George Russell auf dem Podest. Damals mit 33 Sekunden Rückstand auf die Sieger. Diesmal war es nur 22 Sekunden. Dazwischen liegen acht Rennen und drei Upgrades. Oder ein Sieg und sechs Enttäuschungen.

In Imola wollte Mercedes mit seinem ersten großen Entwicklungsschritt ein altes Problem lösen. Eine neue Hinterachse mit mehr Anti-Lift sollte das Heck des Autos bei Lastwechseln stabiler in dem Fenster halten, in dem die Aerodynamik am besten funktioniert. Doch dann geriet das Debüt zur Pleite. Die Fahrer monierten ein instabiles Heck, was prompt auch zu mehr Reifenabnutzung führte.

In den Rennen danach versuchten die Mercedes-Ingenieure den Fehler zu finden, indem sie mal auf die alte, mal auf die neue Hinterradaufhängung vertrauten. Man muss rückblickend von Pech sprechen, dass ausgerechnet beim Sieg in Montreal die neue Hinterachse im Auto war. Sie war nicht der Grund für die Sternstunde, sondern das spezielle Streckenlayout.

Mercedes - F1-Technik - Nasen - Bahrain-Test - Formel 1 2025
Wilhelm

Der unverdächtige Frontflügel

Nachdem Mercedes in Spielberg, Silverstone und Spa ins Mittelfeld abgedriftet war, entschlossen sie dich Ingenieure zum radikalsten Lösungsansatz, den es gibt: Zurück über Los. In Budapest tat wieder die alte Hinterachse ihren Dienst mit einigen Details, die in der Zwischenzeit neu eingeführt wurden, aber unverdächtig waren.

Zum Beispiel der Frontflügel. Chefingenieur Andrew Shovlin erklärt, warum man den Frontflügel trotz geringerer Biegsamkeit als Grund für die Probleme ausschließen konnte. "Die Daten zeigen, dass die Steifigkeit des Flügels einen Einfluss auf die Fahrcharakteristik und die Balance des Autos hat, aber nicht so dramatisch wie es die Fahrer gespürt haben. Wir konnten das mit dem Setup korrigieren und haben höchstens ein bisschen mehr Untersteuern geerntet."

Kaum drehten George Russell und Andrea Kimi Antonelli auf dem Hungaroring ihre ersten Runden, glaubten sie in einem anderen Auto zu sitzen. "Das Heck ist beim Einlenken wieder stabil", lobte Russell. Sein junger Teamkollege jubelte: "Das Vertrauen in das Auto ist zurück."

Mercedes - Formel 1 - GP Ungarn 2025
ams

Fortschritt durch Rückschritt

Teamchef Toto Wolff fasste zusammen: "Wir haben unseren Fahrern eine stabilere Plattform in die Hand gegeben. Ihr gestiegenes Vertrauen hat sich in den Rundenzeiten widergespiegelt." Russell verfehlte die Pole Position um 0,053 Sekunden. Antonelli hielt 50 Runden auf einem Reifensatz durch und verteidigte damit noch den zehnten Platz.

Doch Wolff fand auch kritische Worte: "Wir haben das Auto auf den Stand vor Imola zurückgebaut und es dadurch besser gemacht. Es sollte eigentlich nicht passieren, dass ein Upgrade dir alles so in den Eimer haut. Bei all den gescheiten Leuten im Team, all den Simulationen und der Infrastruktur, die wir haben. Da erwartet man nicht, dass dich eine Fahrzeugarchitektur so in die Irre führt. Wir haben versucht, ein Problem zu lösen und das hat etwas anderes wesentlich schlimmer gemacht. Das wurde nun behoben."

Anti-Lift Aufhängungen sind per se keine schlechte Idee, doch für Mercedes brachte das Konzept nicht das gewünschte Ergebnis, weil man zu viele Kompromisse eingehen musste, um sie einzubauen. "Sie war bei uns nicht geplant. Nachrüsten ist in solchen Fällen nie ideal. Wenn dieser Art Aufhängung bei Ferrari oder McLaren besser funktioniert, dann vielleicht, weil sie beim Einbau nicht so eingeschränkt waren wie wir", bedauert Shovlin.

Andrew Shovlin - Mercedes - Formel 1 - GP Ungarn 2025
xpb

Feiert Mercedes noch Siege?

Die Mercedes-Fahrer blicken nach dem Ergebnis beim GP Ungarn wieder positiver in die zehn Rennen nach der Sommerpause. "Nicht nur der WM-Punkt tut gut nach so vielen Enttäuschungen", atmete Antonelli auf. "Solange ich in sauberer Luft fahren konnte, war der Speed gut. Ich weiß jetzt, dass ich wieder in jedem Rennen um Punkte fahren kann."

Russell mahnt trotzdem, mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben und nicht zu glauben, dass Mercedes ab sofort jedes Mal auf dem Podium landet. "Abgesehen von den McLaren gab es in Ungarn viele Überraschungen. Die Astons waren besser als gedacht, Max stand weiter hinten. Aber vom Speed her war es mit der Ausnahme Kanada unser bester Grand Prix seit langem. Und das auf einem Streckentyp, der uns nicht so liegt. Wir können jetzt mit etwas mehr Selbstvertrauen auf die restlichen Rennen schauen."

Zu einem Zeitpunkt, an dem Mercedes wieder eine gute Ausgangsbasis gefunden hat, ist es fast schon ärgerlich, dass alle im Feld ihr Wettrüsten eingestellt haben. "Wir haben keine größeren Upgrades mehr in Planung, können aber immer noch kleine Anpassungen machen und vom Setup her das Auto optimieren", hofft Wolff. Auf gewissen Rennstrecken kann das den W16 sogar wieder zu einem Siegkandidaten machen. Zum Beispiel in Monza, Baku, Singapur oder Las Vegas.