Sechs Rennen lang war der Mercedes eine feste Größe im Feld. Nicht so schnell wie der McLaren, aber konstant. George Russell fuhr damit in den ersten sechs Grand Prix vier Mal auf das Podium. Nach Imola ist ihm das nur noch ein Mal gelungen. Russells Sieg in Montreal war aber nicht die Wende, sondern nur ein einsames Highlight in vielen mittelmäßigen Auftritten.
Die Silberpfeile haben mit dem Rennen in Imola ihre Konstanz verloren. Und es kam ein Problem zurück, das man unter Kontrolle glaubte. Die Reifen neigten bei bestimmten Bedingungen wieder zum Überhitzen. Da lag der Verdacht nahe, dass das Technik-Paket, das beim siebten WM-Lauf debütierte, eine Mitschuld an den Formschwankungen trägt. Im Verdacht standen schnell der Frontflügel und die neue Hinterachse.
Um den Gründen für das enttäuschende Rennen in Imola auf die Spur zu kommen, kehrte Mercedes zu der alten Hinterradaufhängung zurück. In der Zwischenzeit änderte sich noch ein zweites wichtiges Element. Ab dem GP Spanien musste der Frontflügel die strengeren Steifigkeits-Tests der FIA bestehen. Seine Biegsamkeit ist ein wichtiges Werkzeug beim Ausbalancieren des Autos für langsame und schnelle Kurven.

In Montreal trumpfte Mercedes mit der neuen Hinterrad-Aufhängung groß auf.
Irreführender Sieg
In Kanada waren die Mercedes wieder mit der neuen Hinterachse bestückt. Sie stand damit nicht mehr im Verdacht. Die Sternstunde von Montreal war eine trügerische Bestätigung. Umso erstaunter stellten Fahrer und Ingenieure bei den drei folgenden Rennen fest, dass sich das Auto nur schwer ausbalancieren ließ. Mit den negativen Folgen für die Reifenabnutzung.
Das passierte ausgerechnet auf Rennstrecken, auf denen man im Vorjahr gewonnen hatte. Damit war klar: Der Fehler muss vielleicht doch im Bereich der Hinterradaufhängung und dem Frontflügel liegen. Um endlich Klarheit zu bekommen, rüstet Mercedes für den Hungaroring erneut auf die Standard-Aufhängung zurück. Den Frontflügel hatte man bereits in Spa dahingehend modifiziert, dass er die Luftverwirbelungen rund um die Vorderreifen und die Strömung in tieferen Ebenen dahinter verringert.
Der Ausreißer von Montreal erklärt sich damit, dass dort alle Kurven ein ähnliches Profil haben. Es handelt sich um langsame Schikanen. Die Fahrer bremsen und lenken dann ein. Darauf lässt sich das Auto gut abstimmen. Spielberg, Silverstone und Spa haben Kurven mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Radien im Angebot. Was für einen Kurventyp passt, kann für den anderen ein Nachteil sein. Ein Frontflügel, der sich weniger kontrolliert verbiegt, wird dann zum Problem.

Die Aerodynamiker dürfen bei der Aufhängungsgeometrie mitsprechen.
Anti-Lift Hinterachsen im Trend
Mercedes liegt mit seinem Umbau der Hinterachse im Trend. Auch Red Bull, McLaren und kürzlich Ferrari haben das Anti-Lift verhalten im Heck geändert. Mercedes-Technikdirektor James Allison erklärt den Hintergrund: "Mit dieser Generation Auto willst du die Hinterachse tief halten, weil der Abtriebsverlust sehr hoch ist, wenn du aus diesem Fenster fällst. Zu nah zur Straße ist aber genauso schlecht wie zu weit weg. Wenn der Fahrer auf die Bremse steigt, kommt das Auto hinten normalerweise hoch. Das willst du weitgehend verhindern."
Im Fall von Mercedes stellte sich jedoch eine Instabilität in bestimmten Kurventypen ein. Beim Einlenken auf der Bremse wurde das Heck nervös. George Russell kam dank seiner Erfahrung mit der plötzlichen Unberechenbarkeit des Autos besser zurecht als sein junger Kollege Andrea Kimi Antonelli. Doch zaubern konnte er auch nicht. Der Engländer belegte zuletzt die Plätze 5, 10 und 5. Weit entfernt von den Podesträngen.

Großumbauten an den Aufhängungen während der Saison sind immer problematisch.
Nachrüsten erweist sich als schwierig
Müssten dann nicht auch die anderen Teams mit ähnlicher Aufhängung im gleichen Boot sitzen? Nicht unbedingt, wie Mercedes-Chefingenieur Andrew Shovlin erklärt. "Wer diesen Typ Aufhängung von vornherein eingeplant hat, tut sich leichter. Wir haben nachgerüstet und mussten mit dem leben, was wir haben. Das Getriebegehäuse ist eine Übernahme von 2024. Es gibt an so einem Gehäuse nicht beliebig viele Punkte, an denen du Aufhängungselemente anbringen kannst."
Mercedes lebt also mit einem Kompromiss. Laut Shovlin gibt es bei einer Aufhängung rund zehn Parameter, die für das Fahrverhalten entscheidend sind. Von Anti-Lift über Pro-Squat bis Sturz und Nachlauf. Diese müssen noch in Einklang gebracht werden mit den Wünschen der Aerodynamiker, die bei der Form, der Lage und der Anstellung der Querlenker ein gewichtiges Wort mitreden. "Wer mit einem weißen Papier eine solchen Typ Aufhängung entwickelt, geht weniger Kompromisse ein", sagt Shovlin.
Zum Start des Budapest-Wochenendes feiert die alte Aufhängung nun nochmal ein Comeback. Die Rückkehr zu der bekannten Mechanik im Heck soll es den Mercedes-Ingenieuren erleichtern, die anderem im Verdacht stehenden Störenfriede herauszufiltern. "Nach dem zweiten freien Training sollten wir schon in ganz gutes Bild haben, ob wir mit unseren Theorien richtig liegen", hofft Shovlin.