Nach zwei harten Jahren befindet sich Mercedes auf dem Weg zurück an die Formel-1-Spitze. In Monaco konnten die Silberpfeile bereits um die vordersten Positionen kämpfen. So richtig geplatzt ist der Knoten aber erst in Montreal. George Russell und Lewis Hamilton fühlten sich vom ersten Training an wohl im Auto und drehten bei unterschiedlichen Bedingungen stets schnelle Runden.
Mit der klaren Bestzeit im dritten Training lieferte Hamilton den letzten Beweis, dass der W15 das Potenzial für die Pole-Position hat. Die Rundenzeit beeindruckte auch Teamkollege Russell: "Im dritten Training ist Lewis regelrecht geflogen. Ich habe mir seine Daten danach genau angeschaut, um herauszufinden, was er anders macht. Das hat mir vor dem Qualifying extrem geholfen."
Am Ende fuhren Russell und Verstappen die gleiche Zeit. Mercedes hätte noch schneller gekonnt, Red Bull nicht.
Pole-Position trotz Q3-Problemen
Als es um die vordersten Startplätze ging, mussten die Verantwortlichen in der Mercedes-Garage ordentlich zittern. Ständig drohte der Regen. Wer nicht zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Reifen auf der Strecke war, drohte vorzeitig rauszufliegen. Mit Sergio Perez gab es schon im Q1 ein prominentes Opfer. Im Q2 flogen die beiden Ferrari raus. Kleine Fehler hatten an diesem Tag schnell große Auswirkungen.
Im Q2 fuhren beide Mercedes-Piloten Rundenzeiten unter der 1:12er Marke. Damit hätt es im Q3 zu einer silbernen ersten Startreihe gereicht. Doch im Schlussabschnitt lief plötzlich nicht mehr alles glatt. "Meine erste Runde auf den gebrauchten Reifen im Q3 war richtig stark", berichtete Russell. "Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich mit frischen Reifen nochmal vier Zehntel schneller fahren kann. Dann hat es aber irgendwie nicht gepasst. Es hat sich nicht richtig angefühlt. Glücklicherweise war der erste Run gut genug."
Hamilton klagte über ähnliche Probleme. Der Rekordsieger erwischte aber in beiden Anläufen keine saubere Runde. "Wir wissen auch nicht, warum es am Ende für ihn nicht geklappt hat", grübelte Teamchef Toto Wolff. "Die Reifentemperaturen lagen in einem guten Fenster. Lewis hat heute einige starke Runden hingeknallt. Nur am Ende ist es irgendwie nicht zusammengekommen. Deshalb ist das Ergebnis etwas bittersüß."
Mit den Upgrades der letzten Rennen hat Mercedes die Schwächen des Silberpfeils ausgemerzt.
Mercedes nachhaltig auf Erfolgskurs?
Russell hatte an diesem Tag das Glück auf seiner Seite. Max Verstappen fuhr in seinem letzten Run exakt die identische Zeit von 1:12 Minuten. Den Regeln nach ging die Pole-Position an den Piloten, der die Zeit zuerst setzen konnte. Verstappen musste sich mit Startplatz zwei begnügen: "Wenn man sich ihre pure Pace anschaut, dann muss ich mit P2 glücklich sein. Im Q2 sind sie Zeiten gefahren, die für uns außer Reichweite lagen. Wir haben das ganze Wochenende lange nach einer guten Balance gesucht. Am Ende war ich einigermaßen zufrieden."
Doch warum kann Mercedes plötzlich mit Red Bull auf Augenhöhe kämpfen, nachdem man zu Saisonbeginn noch deutlich hinterhergefahren ist? Wolff dankte vor allem den Ingenieuren in Brackley: "Wir haben über die letzten Rennen viele neue Teile gebracht. Montreal ist außerdem immer eine besondere Strecke, mit vielen mittelschnellen Kurven und einem neuen Asphalt. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, würde ich sagen. Aber für heute sind wir mal happy."
Russell ist optimistisch, dass es sich um einen echten Befreiungsschlag handelt: "Wir waren in den letzten Jahren auf einem Zick-Zack-Kurs unterwegs. In den letzten Monaten wurden die Ausschläge immer kleiner. Wir sind dem Sweetspot immer nähergekommen. Kleine Verbesserungen hatten große Auswirkungen. Wir werden jetzt sicher nicht euphorisch. Wir müssen mal abwarten, ob diese Entwicklung nachhaltig ist. Ich sehe momentan aber keinen Grund, warum das nicht der Fall sein sollte."
Kann Russell den Sieg am Sonntag nach Hause fahren?
Russell fährt voll auf Sieg
Nach Auskunft des Fahrers hatte Mercedes letztes Jahr noch mit Übersteuern zu kämpfen. In den ersten Rennen dieses Jahres nervte plötzlich Untersteuern die Piloten. Mit dem neuen Frontflügel lenkt das Auto jetzt endlich so ein, wie es soll.
Entsprechend optimistisch geht es auch in das Rennen am Sonntag: "Das Auto ist ehrlich schnell", lobte Russell sein Sportgerät. "Wir waren das ganze Wochenende immer oben dabei in den Tabellen. Deshalb fahren wir hier voll auf Sieg. Mit dem neuen Asphalt weiß keiner, was morgen passieren wird. Es wird ein langes Rennen. Vielleicht müssen wir mit der Strategie spielen."
In den letzten sieben Montreal-Rennen fuhr der Sieger sechs Mal von der Pole-Position los. Toto Wolff erwartet einen harten Fight: "Verstappen neben George in der ersten Reihe, das ist eine richtige Ansage. Wir wissen noch nicht, wie sich der Reifen verhalten wird. Das Wetter kann verrücktspielen. Aber wir hatten heute den nötigen Speed. Der Sieg morgen wäre natürlich das Tüpfelchen auf dem i."
