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Mercedes in der Zwickmühle?
Konzeptwechsel trotz Aufwärtstrend

Beim GP Australien rief Mercedes seine beste Saisonleistung ab. Das ruft Zweifel hervor, ob das Team das aktuelle Fahrzeugkonzept vielleicht zu früh beerdigt hat. Doch Mercedes beteuert, mit einem anderen Modell derzeit große Schritte bei der Entwicklung zu machen. In Brackley denkt man mittel- und langfristig.

George Russell - GP Australien 2023
Foto: Wilhelm

Es war ein Saisonstart, der für ein Team mit der Fallhöhe von Mercedes einem Albtraum gleichkommt. In zwei Rennen gab es kein Podest. Red Bull fährt in einer eigenen Welt. Das war auch beim GP Australien so, wo Mercedes seine bisher beste Saisonleistung abrief. George Russell und Lewis Hamilton parkten ihre schwarzen W14 direkt hinter Max Verstappen in der Startaufstellung. Hamilton sicherte seinem Team das erste Podium der Saison.

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Beide überrumpelten den Dominator der Szene in der ersten Runde. Russell direkt in der ersten Kurve, Hamilton zwei Ecken später. Verstappen klagte, sein alter Rivale habe ihn neben die Strecke gedrängt, und die Rennleitung ihre eigenen Regeln nicht eingehalten. Hamilton wollte davon nichts wissen. "Das war ein normaler Zweikampf ohne Berührung. Max hat früh gebremst, ich spät. So konnte ich auf der Innenspur durchschlüpfen."

Mit dem Motor am Limit

Die Ingenieure machen mit dem W14 Fortschritte. Das Verständnis für die passende Abstimmung wächst. Erstmals in dieser Saison führte Mercedes sogar für elf Runden einen Grand Prix an. Russell für sechs Umläufe, bis zu seinem Boxenstopp, Hamilton danach für weitere fünf Runden.

Es war die richtige Entscheidung vom Kommandostand, die Strategie früh zu splitten. Nur hatte Russell Pech, dass die Rennleitung nach einer Runde hinter dem Safety-Car das Rennen abbrach. So konnten alle einen Gratis-Wechsel abwickeln. "Sonst hätte George eine gute Gelegenheit bekommen", ist sich Teamchef Toto Wolff sicher. Dieser Meinung war man auch bei Ferrari, die dasselbe mit Carlos Sainz taten. Beide hätten bei einem normalen Rennverlauf danach vielleicht sogar eine Mini-Mini-Chance gegen Verstappen gehabt. Ansonsten hätte das Strategie-Programm die Position zwei ausgemacht.

George Russell - Mercedes - GP Australien 2023 - Melbourne - Rennen
Motorsport Images
Ein Motorschaden riss George Russell aus dem Kampf ums Podium.

Für Russell war es im Endeffekt völlig egal. Ein Motorschaden zwang ihn in der 17. Runde ohnehin zur Aufgabe. "Es hat einfach Bang gemacht", schilderte der Teamchef. Einer der Zylinder könnte sich mit einem lauten Knall verabschiedet haben. Es war bereits der zweite Schaden eines Mercedes-Triebwerks in dieser Saison. Im McLaren von Lando Norris streikte in Bahrain das pneumatische Ventilsystem. Der Motor ist irreparabel beschädigt. Ganz offensichtlich ist Mercedes mit seiner Power Unit am Limit. Wie auch die Konkurrenz.

Mercedes stellte alles auf Prüfstand

Hamilton musste es richten. Und der siebenmalige Titelträger tat es. Er fühlt sich zwar immer noch nicht verbunden mit dem W14, was er auf das um fünf Zentimeter nach vorne versetzte Cockpit seit Beginn der Groundeffect-Ära schiebt. Jetzt er versucht sich anzupassen. Seinen alten Widersacher Fernando Alonso hielt er hinter sich. Der Spanier lobte: "Lewis hat nur einmal in Kurve 13 die Vorderräder blockiert. Ansonsten ist er wie ein Weltmeister gefahren – absolut fehlerlos unter Druck."

Alonso glaubt, dass sein Aston Martin im Renntrim vielleicht zwei, drei Zehntel pro Runde schneller gewesen sei. Trotzdem konnte er nie zu Hamilton aufschließen. "Es war nicht einfach, ihn aus dem DRS-Bereich herauszuhalten", erzählte Hamilton, der wie Alonso Reifenmanagement betrieb. "Bis 18 Runden vor Schluss war ich mir nicht sicher, ob ich mit den harten Reifen durchkäme. Dann hat Fernando für einen Moment nachgelassen. Das habe ich genutzt, um meine Reifen etwas zu schonen. Danach konnte ich einen schönen Rhythmus aufbauen. Ich war in der Boxengasse überrascht, wie viel Gummi noch auf der Lauffläche über war."

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Australien 2023 - Melbourne
xpb
Lewis Hamilton hielt Fernando Alonso in Schach und feierte das erste Mercedes-Podest in dieser Saison.

Der gute Auftritt der Mercedes in der Qualifikation und im Rennen rief die Zweifler auf den Plan: Hat sich Mercedes vielleicht schon zu früh vom aktuellen Fahrzeugkonzept verabschiedet? Nach der Auftaktpleite in Bahrain hatten sich Teamführung und Technikabteilung entschieden, endgültig einen neuen Weg in der Entwicklung einzuschlagen.

Alles stand auf dem Prüfstand. Alle aerodynamischen Flächen wie die Form der Seitenkästen oder die aerodynamischen Geometrien wie den Unterboden und die Mechanik des Autos. Aber auch die Prozesse, die Arbeitsweise, die Matrix und Auswertung für die Versuchsreihen im Windkanal, die Strukturen im Technikbüro und die Zielsetzung der Entwicklung ganz allgemein. Der Aderlass war in den letzten Jahren groß. Mehr als zehn Top-Aerodynamiker haben Mercedes verlassen. Das spürt selbst eine solch große Organisation.

Red Bull öffnet die Augen

Ist Mercedes nach Australien in der Zwickmühle? "Wir haben auf eine Runde und im Rennen sicher einen Schritt nach vorne gemacht. Wir haben die maximale Performance aus unserem Paket geholt", befindet Wolff. Aber: "Die Strecke war sicherlich von Vorteil für uns. Unserem Auto fehlt es an Abtrieb im Heck. Das Layout und der Asphalt haben uns besser aussehen lassen, als wir sind."

Das Rennwochenende in Australien hat gezeigt, dass der W14 in seiner aktuellen Form sicherlich auch gute Aspekte in sich trägt. Doch Red Bull ist immer noch zu weit voraus. Verstappen überholte Hamilton mit offenem DRS mühelos und brachte sofort ein paar Sekunden zwischen sich und den Mercedes. Der Weltmeister kontrollierte das Rennen. Kunde Aston Martin, der die Power Unit, das Getriebe und die Hinterradaufhängung von Mercedes bezieht, war im Renntrim immer noch schneller als der schwarze Silberpfeil.

Der große Entwicklungssprung von Red Bull hat allen die Augen geöffnet, was mit diesen Groundeffect-Autos möglich ist. Was für Potenzial noch in ihnen schlummert. Das Technikbüro in Milton Keynes hat sein Auto für die neue Saison tiefergelegt, während Mercedes den anderen Weg gegangen ist. Und damit in die falsche Richtung rannte.

Max Verstappen - Red Bull - Bahrain F1-Test - 23. Februar 2023
xpb
Der Red Bull RB19 trägt das Heck tiefer als der Mercedes W14.

Mercedes erst zu tief, jetzt zu hoch

Für 2023 wurde ein neues Arbeitsfenster definiert. Die Ingenieure erhöhten die Bodenfreiheit, weil sie sich davon eine bessere Performance in den langsamen Kurven sowie eine bessere Fahrbarkeit versprachen. Ganz offensichtlich ist Mercedes über das Ziel hinausgeschossen. Mit dem W13 wollte man zu tief fahren, mit dem W14 zu hoch.

Jetzt quälen sich Hamilton und Russell zwar nicht mehr mit Bouncing oder Bottoming herum, dafür fehlt es dem schwarzen Silberpfeil plötzlich an Anpressdruck in den schnellen Kurven, und beim Herausbeschleunigen. Red Bull hat einen Weg gefunden, den RB19 abzusenken, ohne dafür einen Preis zu zahlen. Das hatte Mercedes so nicht kommen sehen. Red Bull hat da schlauer vorausgeschaut. Durch die neue Unterboden-Regel mit den um 15 Millimeter nach oben gebogenen Unterbodenkanten ist das Bouncing derzeit kein großes Thema mehr. Selbst die FIA hat aus der Technischen Direktive 039 den vorher festgelegten Maximalgrenzwert getilgt.

Angesichts der Dominanz von Red Bull sah sich Mercedes genötigt, auf eine andere Fahrzeugphilosophie umzuschwenken, um mittel- bis langfristig wieder konkurrenzfähig zu werden. Man hatte zwar in Melbourne die Bodenfreiheit bereits verringert, doch beliebig tiefer geht nicht. Darauf ist die Aerodynamik nicht ausgerichtet. Ab einem gewissen Punkt hat eine Reduzierung mehr negative als positive Folgen. Und Mercedes würde die Schutzplanke am Unterboden zu stark abnutzen. Die Ingenieure müssen erst die Strömungsstrukturen neu ausrichten.

Lewis Hamilton - Mercedes - Formel 1 - Jeddah - GP Saudi-Arabien 2023
Motorsport Images
Das Fahrzeugkonzept des W14 gestaltet Mercedes um. Damit wollen die Ex-Weltmeister die Lücke zu Red Bull schließen.

Große Schritte im Windkanal

Die Korrektur nach unten mit einer anderen Design-Philosophie bringt auf dem Papier automatisch Anpressdruck. Das sind die tief hängenden Früchte, von denen das Team spricht, und die man schnell ernten will. "Wir wissen genau, was wir falsch gemacht haben, und was wir tun müssen", sagt der Teamchef. Russell ergänzt: "Wir haben in den letzten zwei bis drei Wochen riesige Zugewinne im Windkanal gemacht."

Die Frage ist, ob die Kurskorrektur nicht wieder zulasten der Fahrbarkeit geht. Bei Mercedes beteuert man, dass man in dieser Hinsicht ausreichend Lehren aus 2022 gezogen habe. Die leidigen Erfahrungen mit dem alten W13 sollen in das neue Konzept einfließen, damit alte Fehler kein zweites Mal passieren. Mercedes braucht mehr Abtrieb. Das Auto braucht eine bessere Balance. Das Arbeitsfenster muss größer ausfallen.

Zum Europaauftakt in Imola will Mercedes in Form eines großen Upgrades die ersten Ergebnisse präsentieren. Im Team hofft man, dass man sich dadurch vor Aston Martin und Ferrari an die zweite Stelle schiebt. Red Bull wird man wahrscheinlich frühestens in der zweiten Saisonhälfte einfangen – wenn überhaupt. Man hat sich eigentlich schon damit abgefunden, in diesem Jahr bestenfalls Zweiter zu werden. Mercedes hat sich eingestanden, dass man derzeit kein WM-fähiges Team ist.

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