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Mercedes kriegt die Kurve
Hamilton und seine Klapperschlange

Mercedes befürchtete das Schlimmste und bekam das Beste, das im Moment möglich ist. Mit der perfekten Reifen-Aufwärmstrategie fuhren Lewis Hamilton und George Russell auf die Startplätze fünf und sechs. Das Bouncing bleibt weiter ein Problem.

Lewis Hamilton - Mercedes - Formel 1 - GP Australien 2022
Foto: Wilhelm

Mercedes ist wieder die dritte Kraft. Das sah nach dem Freitagstraining noch ganz anders aus. "Wir haben uns Sorgen gemacht, dass keiner unserer Fahrer den Einzug ins Q3 schafft", gaben die Ingenieure zu. Die Silberpfeile konnten dem Teufelskreis zu niedriger Reifentemperaturen und Bouncing auf den Geraden nicht entfliehen. Als Folge hatten die Fahrer kein Vertrauen in ihre Autos.

Einen Tag später war die Welt wieder halbwegs in Ordnung. Lewis Hamilton und George Russell schafften es ohne Zittern in die letzte K.O.-Runde der Qualifikation und werden nun gemeinsam aus der dritten Reihe starten.

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Es wäre wahrscheinlich die vierte geworden, hätten die beiden Spanier Carlos Sainz und Fernando Alonso das abgerufen, was mit ihren Autos möglich gewesen wäre. Es hätte aber auch die zweite sein können, hätte Hamilton noch 0,123 Sekunden auf Lando Norris gefunden: "Platz vier lag heute drin."

Mercedes - Formel 1 - GP Australien 2022
xpb
Bei Mercedes ist ein kleiner Fortschritt zu erkennen.

Runde fünf war die schnellste

Mercedes schaffte den Sprung aus dem Niemandsland, weil die Ingenieure einen Weg fanden, die Reifen auf Temperatur zu bringen. Hamilton und Russell mussten in der Qualifikation halbe Longruns absolvieren, bis ihre C5-Pirellis endlich im Arbeitsfenster lagen. Die Strategie erwies sich am Ende als Trumpfkarte.

Nach einer moderaten Runde aus den Boxen folgte eine schnellere Vorbereitungsrunde, bevor zum ersten Mal der Hammer fiel. Dann eine weitere Abkühlrunde vor dem zweiten Versuch. Die fünfte fliegende Runde war die schnellste.

Die rote Flagge nach dem Alonso-Unfall verschaffte Mercedes perfektes Timing für seinen Plan. Bei einer Restzeit von 6.50 Minuten konnten Hamilton und Russell direkt mit ihrem langen Anlauf zur schnellen Runde beginnen und waren zunächst relativ ungestört, weil die Konkurrenz, die ihr Q3 in zwei Portionen aufteilte, mit der Ausfahrt bis zum letzten Moment wartete.

George Russell - Mercedes - Formel 1 - GP Australien 2022
xpb
Der Silberpfeil brauchte mehrere Runden, bis der Reifen auf Temperatur war.

Vertrauen auf gutes Renntempo

Teamchef Toto Wolff zeigte sich erleichtert: "Ich bin zufrieden, dass wir es nach unseren Problemen solide in die Top Ten geschafft haben. Wir haben wieder etwas mehr über diese Reifen und unser Auto gelernt. Es hat auch gezeigt, dass wir in der Lage sind auf schwierige Umstände zu reagieren. Das Auto war heute viel besser als am Freitag. Lewis sprach von einem Unterschied wie Tag und Nacht."

An einer bitteren Pille hat der Seriensieger der Vergangenheit weiter zu kauen. Die Pole Position lag eine Sekunde weit weg. Und mit Alpine und McLaren haben sich zwei Gegner gemeldet, die in Bahrain und Jeddah noch keine Gegner waren. Wolff hofft, dass Mercedes im Rennen im Kampf um Platz drei wieder für klare Verhältnisse sorgen kann. "Unser Renntempo ist in der Regel besser als die Performance auf eine Runde."

Chefingenieur Andrew Shovlin ergänzt: "Wir haben uns an diesem Wochenende auf einen geringen Reifenabbau konzentriert. Wir werden nicht in der Lage sein, Ferrari und Red Bull zu folgen, aber wir wollen zur Stelle sein und Kapital daraus schlagen, wenn die zwei Teams vor uns Fehler machen oder Problemen Probleme bekommen."

Dazu müssen die Mercedes-Fahrer sich schnell von ihrem Umfeld absetzen. Die Alpine sind auf den Geraden um sechs km/h schneller, die McLaren um drei km/h. Russell räumt ein: "Es wird schwer sein, Sainz und Alonso hinter uns zu halten."

George Russell - Mercedes - Formel 1  - GP Australien - 8. April 2022
Wilhelm
Können die Mercedes ihre Position im Rennen halten?

Mehr Gewicht für mehr Information

Das Bouncing verfolgt Mercedes weiter. Um dem Hüpfen bei hoher Geschwindigkeit besser auf die Spur zu kommen, greift Mercedes zu ungewöhnlichen Methoden. Obwohl der W13 eine gutes Stück zu schwer ist, packten die Ingenieure Instrumente ins Auto, die messen sollen, welche Prozesse das Schaukeln auslösen und warum es unter bestimmten Bedingungen aufhört. Das trieb das Gewicht weiter nach oben.

Die Krux an dem Problem ist, dass es sich im Windkanal nicht nachstellen lässt. Man kann es in seine mathematischen Modelle einfließen lassen, aber nur wenn man auch weiß unter welchen Umständen es kommt und geht. Und das geht nur im Fronteinsatz auf der Rennstrecke. "Wir lernen gerade eine völlig neue Art der Korrelation zwischen Strecke, Windkanal und Simulation", verrät Wolff.

Hamilton vergleicht sein Auto wegen des Bouncings mit einer Klapperschlange. Unberechenbar, ob sie zubeißt oder nicht. "Die Fahrhöhe verändert sich ständig, rauf und runter, rauf und runter. Dadurch weißt du beim Einlenken nie, in welcher Position sich das Auto gerade befindet und je nach Position mit Über- oder Untersteuern antwortet. Das macht es zu einer echten Herausforderung, das Auto zu fahren."

Mercedes - GP Australien 2022
ams
Um das Bouncing zu verstehen, wurde Extra-Sensoren am Silberpfeil angebracht.

Bouncing mit hoher Frequenz

Zu der Detektivarbeit gehört auch das Verständnis bestimmter Phänomene, die im Moment noch den Blick auf eine Lösung vernebeln. Ferrari hat auch Bouncing, kann aber damit leben. "Bei Ferrari schaukeln die Autos mit einer niedrigen Frequenz, quasi in Zeitlupe. Bei uns und einigen anderen Autos ist es ein hochfrequentes Wackeln. Bei Ferrari hören die Auf- und Ab-Bewegung auf, sobald die Fahrer in die Kurve einlenken. Wir tragen das Pumpen mit in die Kurve hinein. Das raubt den Fahrern Vertrauen", erzählen die Ingenieure. Wolff erläutert die Auswirkungen: "Wir verlieren in den schnellen Kurven 9, 10 und 12 eine Sekunde auf die Ferrari."

Der Teamchef vertraut weiter darauf, dass der W13 mit seinen minimalistischen Seitenkästen von seinen Grundzügen her ein gutes Auto ist. "Ich glaube an das Konzept. Es gibt auch keine Alternative. Es würde viel zu lange dauern ein neues Auto zu bauen." Außerdem stünde der Budgetdeckel im Weg.

Wolff räumt ein, dass es mit dem Abstellen des Bouncings allein nicht getan ist. "Wir haben noch viele andere Baustellen. Zum Beispiel das Gewicht. Trotzdem bin ich optimistisch, dass wir ans Ziel kommen. Wird es in zwei oder fünf Rennen sein? Das ist nicht wichtig. Meine Aufgabe ist es langfristig in Schritten von fünf und zehn Jahren zu denken. Wichtig aber ist, dass wir aus dieser Episode lernen und stärker werden."

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